Eine seitwärts von der Kirche liegende Capelle hat Domenichino mit Mahlereien ge-Mahlereien von Dome- nichino. ziert. Sie machen das weitläuftigste Werk aus, das man von diesem Meister kennt; die Süjets sind aus der Geschichte des heil. Nilus genommen.
+ Der heilige Nilus heilet einen Befes- senen mit dem Oel aus einer Kirchenlampe.
Der Gedanke des Bildes ist gut, und die An- ordnung vernünftig. Aber der Theil, der am meh- resten unsere Aufmerksamkeit auf sich zieht, ist der Ausdruck der Affekte.
Der Vater, der in dem Augenblicke der Cur den Sohn mit der ängstlichen Unruhe hält, welche die Folge eines heftigen aber zärtlichen Wunsches ist: die Mutter, die mit gläubiger Zuversicht die ersten Symptome der Besserung ausspähet: die älteren Brüder, die mit Staunen und Furcht der Dinge warten, die da kommen werden: das jüngste Kind, das sich bange hinter die Mutter verkriecht: der An- verwandte voll des gerührtesten Antheils: endlich der Heilige im inbrünstigen Gebete zum Himmel; alles dies ist so wahr, so sprechend, daß wir keiner Stimme bedürfen, um die ganze Lage einer jeden dieser hier versammelten Personen deutlich zu verstehen und zu fühlen. Edel kann man den Ausdruck nicht nennen, aber treu. Die Zeichnung ist sehr fein, in den Ex- tremitäten dürfte man sie correkter wünschen. Die Stellung der Mutter ist reizend. Für Fresco ist das Bild ziemlich kräftig colorirt.
+ Der heilige Nilus wird vom Kaiser Otto dem Dritten umarmt.
Das
A a 2
Nachtrag.
Eine ſeitwaͤrts von der Kirche liegende Capelle hat Domenichino mit Mahlereien ge-Mahlereien von Dome- nichino. ziert. Sie machen das weitlaͤuftigſte Werk aus, das man von dieſem Meiſter kennt; die Suͤjets ſind aus der Geſchichte des heil. Nilus genommen.
† Der heilige Nilus heilet einen Befeſ- ſenen mit dem Oel aus einer Kirchenlampe.
Der Gedanke des Bildes iſt gut, und die An- ordnung vernuͤnftig. Aber der Theil, der am meh- reſten unſere Aufmerkſamkeit auf ſich zieht, iſt der Ausdruck der Affekte.
Der Vater, der in dem Augenblicke der Cur den Sohn mit der aͤngſtlichen Unruhe haͤlt, welche die Folge eines heftigen aber zaͤrtlichen Wunſches iſt: die Mutter, die mit glaͤubiger Zuverſicht die erſten Symptome der Beſſerung ausſpaͤhet: die aͤlteren Bruͤder, die mit Staunen und Furcht der Dinge warten, die da kommen werden: das juͤngſte Kind, das ſich bange hinter die Mutter verkriecht: der An- verwandte voll des geruͤhrteſten Antheils: endlich der Heilige im inbruͤnſtigen Gebete zum Himmel; alles dies iſt ſo wahr, ſo ſprechend, daß wir keiner Stimme beduͤrfen, um die ganze Lage einer jeden dieſer hier verſammelten Perſonen deutlich zu verſtehen und zu fuͤhlen. Edel kann man den Ausdruck nicht nennen, aber treu. Die Zeichnung iſt ſehr fein, in den Ex- tremitaͤten duͤrfte man ſie correkter wuͤnſchen. Die Stellung der Mutter iſt reizend. Fuͤr Freſco iſt das Bild ziemlich kraͤftig colorirt.
† Der heilige Nilus wird vom Kaiſer Otto dem Dritten umarmt.
Das
A a 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0395"n="371"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Nachtrag.</hi></fw><lb/><p><hirendition="#fr">Eine ſeitwaͤrts von der Kirche liegende<lb/>
Capelle hat Domenichino mit Mahlereien ge-</hi><noteplace="right">Mahlereien<lb/>
von Dome-<lb/>
nichino.</note><lb/><hirendition="#fr">ziert.</hi> Sie machen das weitlaͤuftigſte Werk aus,<lb/>
das man von dieſem Meiſter kennt; die Suͤjets ſind<lb/>
aus der Geſchichte des heil. Nilus genommen.</p><lb/><p>†<hirendition="#fr">Der heilige Nilus heilet einen Befeſ-<lb/>ſenen mit dem Oel aus einer Kirchenlampe.</hi></p><lb/><p>Der Gedanke des Bildes iſt gut, und die An-<lb/>
ordnung vernuͤnftig. Aber der Theil, der am meh-<lb/>
reſten unſere Aufmerkſamkeit auf ſich zieht, iſt der<lb/>
Ausdruck der Affekte.</p><lb/><p>Der Vater, der in dem Augenblicke der Cur den<lb/>
Sohn mit der aͤngſtlichen Unruhe haͤlt, welche die<lb/>
Folge eines heftigen aber zaͤrtlichen Wunſches iſt:<lb/>
die Mutter, die mit glaͤubiger Zuverſicht die erſten<lb/>
Symptome der Beſſerung ausſpaͤhet: die aͤlteren<lb/>
Bruͤder, die mit Staunen und Furcht der Dinge<lb/>
warten, die da kommen werden: das juͤngſte Kind,<lb/>
das ſich bange hinter die Mutter verkriecht: der An-<lb/>
verwandte voll des geruͤhrteſten Antheils: endlich der<lb/>
Heilige im inbruͤnſtigen Gebete zum Himmel; alles<lb/>
dies iſt ſo wahr, ſo ſprechend, daß wir keiner Stimme<lb/>
beduͤrfen, um die ganze Lage einer jeden dieſer hier<lb/>
verſammelten Perſonen deutlich zu verſtehen und zu<lb/>
fuͤhlen. Edel kann man den Ausdruck nicht nennen,<lb/>
aber treu. Die Zeichnung iſt ſehr fein, in den Ex-<lb/>
tremitaͤten duͤrfte man ſie correkter wuͤnſchen. Die<lb/>
Stellung der Mutter iſt reizend. Fuͤr Freſco iſt das<lb/>
Bild ziemlich kraͤftig colorirt.</p><lb/><p>†<hirendition="#fr">Der heilige Nilus wird vom Kaiſer<lb/>
Otto dem Dritten umarmt.</hi></p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">A a 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Das</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[371/0395]
Nachtrag.
Eine ſeitwaͤrts von der Kirche liegende
Capelle hat Domenichino mit Mahlereien ge-
ziert. Sie machen das weitlaͤuftigſte Werk aus,
das man von dieſem Meiſter kennt; die Suͤjets ſind
aus der Geſchichte des heil. Nilus genommen.
Mahlereien
von Dome-
nichino.
† Der heilige Nilus heilet einen Befeſ-
ſenen mit dem Oel aus einer Kirchenlampe.
Der Gedanke des Bildes iſt gut, und die An-
ordnung vernuͤnftig. Aber der Theil, der am meh-
reſten unſere Aufmerkſamkeit auf ſich zieht, iſt der
Ausdruck der Affekte.
Der Vater, der in dem Augenblicke der Cur den
Sohn mit der aͤngſtlichen Unruhe haͤlt, welche die
Folge eines heftigen aber zaͤrtlichen Wunſches iſt:
die Mutter, die mit glaͤubiger Zuverſicht die erſten
Symptome der Beſſerung ausſpaͤhet: die aͤlteren
Bruͤder, die mit Staunen und Furcht der Dinge
warten, die da kommen werden: das juͤngſte Kind,
das ſich bange hinter die Mutter verkriecht: der An-
verwandte voll des geruͤhrteſten Antheils: endlich der
Heilige im inbruͤnſtigen Gebete zum Himmel; alles
dies iſt ſo wahr, ſo ſprechend, daß wir keiner Stimme
beduͤrfen, um die ganze Lage einer jeden dieſer hier
verſammelten Perſonen deutlich zu verſtehen und zu
fuͤhlen. Edel kann man den Ausdruck nicht nennen,
aber treu. Die Zeichnung iſt ſehr fein, in den Ex-
tremitaͤten duͤrfte man ſie correkter wuͤnſchen. Die
Stellung der Mutter iſt reizend. Fuͤr Freſco iſt das
Bild ziemlich kraͤftig colorirt.
† Der heilige Nilus wird vom Kaiſer
Otto dem Dritten umarmt.
Das
A a 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787, S. 371. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_mahlerei03_1787/395>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.