Ramdohr, Friedrich Wilhelm Basilius von: Über Mahlerei und Bildhauerarbeit in Rom für Liebhaber des Schönen in der Kunst. T. 3. Leipzig, 1787.Pallast Giustiniani. dann einen schlafenden Hymen, den der lose Amorgebunden mit sich wegführte: Wie dann? Wollen wir behaupten, daß hier Gefahr für unsere Seele sey; daß der Ehebruch höchst sinnlich angerathen werde; und daß man mit Aufopferung alles Ver- gnügens, dem Bilde denselben Weg müsse nehmen lassen, den einmal die Ritterromane des Ritters de la Manche genommen haben? Was wir bloß sehen, was wir mit dem Auge Alles kömmt auf die leidenschaftliche Disposition Das Schlimmste ist, daß dergleichen ascetische als Dritter Theil. B
Pallaſt Giuſtiniani. dann einen ſchlafenden Hymen, den der loſe Amorgebunden mit ſich wegfuͤhrte: Wie dann? Wollen wir behaupten, daß hier Gefahr fuͤr unſere Seele ſey; daß der Ehebruch hoͤchſt ſinnlich angerathen werde; und daß man mit Aufopferung alles Ver- gnuͤgens, dem Bilde denſelben Weg muͤſſe nehmen laſſen, den einmal die Ritterromane des Ritters de la Manche genommen haben? Was wir bloß ſehen, was wir mit dem Auge Alles koͤmmt auf die leidenſchaftliche Diſpoſition Das Schlimmſte iſt, daß dergleichen aſcetiſche als Dritter Theil. B
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Pallaſt Giuſtiniani.
dann einen ſchlafenden Hymen, den der loſe Amor
gebunden mit ſich wegfuͤhrte: Wie dann? Wollen
wir behaupten, daß hier Gefahr fuͤr unſere Seele
ſey; daß der Ehebruch hoͤchſt ſinnlich angerathen
werde; und daß man mit Aufopferung alles Ver-
gnuͤgens, dem Bilde denſelben Weg muͤſſe nehmen
laſſen, den einmal die Ritterromane des Ritters de
la Manche genommen haben?
Was wir bloß ſehen, was wir mit dem Auge
ohne Zuthun des Verſtandes, ohne hinzutretende
Auslegung percipiren, was mithin unmittelbar auf
unſere groͤberen Sinne wuͤrkt, kann zuweilen unſerm
ſittlichen Gefuͤhle ſchaͤdlich werden. Die nackenden
Formen, die der Kuͤnſtler zur Darſtellung der recht-
maͤßigen Liebe unſerer erſten Eltern braucht, ver-
moͤgen unſere Sinne in Aufruhr zu bringen; nicht
die Darſtellung der Entfuͤhrung eines Eheweibes,
die das Auge als ſittſame Schoͤne ſieht.
Alles koͤmmt auf die leidenſchaftliche Diſpoſition
der Seele des particulairen Beſchauers an, ob er in
einem Bilde mehr als das bloße Bild, die ſittliche
Idee ſehe, und darauf kann der Kuͤnſtler bei der
Wahl ſeiner Suͤjets nicht rechnen. Er rechnet auf
den ruhigen Beſchauer. Le Brun der die buͤßende
la Valliere gemahlt hat, durfte bei der Wahl des
Suͤjets nicht daran denken, daß der Anblick dieſes
Gemaͤhldes dereinſt eine Buhlerin zur Bekehrung auf-
fordern wuͤrde.
Das Schlimmſte iſt, daß dergleichen aſcetiſche
Mittel, ſo lange ſie in den Graͤnzen der Schoͤnheit
bleiben, fuͤr die beiden erſten Tage Wuͤrkung thun,
als
Dritter Theil. B
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