Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.einer äußern Nützlichkeit fähig; und nach beyden wird die Prüfung angestellt, ob sie für die Gesellschaft im Ganzen dauernd nutzbar und nützlich seyn können. Wo dieß der Fall ist, da entsteht das Gefühl der Schätzung. Bleiben wir hier zuerst stehen! In wie fern ist diese Schätzung Liebe? In so fern ich wonnevoll strebe, daß das schätzbare Wesen sich durch den schätzbaren Werth, den es vor den Augen anderer hat, glücklich fühle! Diese Empfindung kann mir also bloß der Mensch einflößen; denn alles Uebrige hat kein Bewußtseyn seiner Selbstzufriedenheit; mithin gehört die Schätzung, welche ich der Maschine, dem Kunstwerke, der Naturerscheinung widme, schlechterdings entweder dem Beschauungshange oder der Selbstheit. Aber nicht jede Schätzung, welche mir auch der Mensch einflößt, gehört darum der Liebe. Die Selbstheit, der Beschauungshang, können sich dieser Gesinnung eben so wohl bemeistern, als das Herz. Oft ist die Schätzung des Menschen auch gar keine Wonne, sondern eine bloß genügende Lust am befriedigten Bedürfnisse. Es giebt mehrere Bestimmungen in der Welt, welche ich äußerst nützlich finde, und deren Ausfüllung mich doch bey der Vorstellung des Menschen, der sie übernommen hat, gar nicht mit Wonne rührt. Der Richter z. B. der seine Zeit der Untersuchung von Privatstreitigkeiten widmet, wird sehr geschätzt werden können, ohne uns ein Wonnegefühl bey dieser Gesinnung einzuflößen, weil seine Bestimmung zu wenig Reitz für die Phantasie hat, und das Vergnügen bloß von der Ueberlegung abhängt, daß seine Arbeit die Sicherheit des Lebens und des Eigenthums in der Gesellschaft gründet. Sehr oft müssen bey dieser Schätzung sogar mehrere unserer Lieblingsneigungen einer äußern Nützlichkeit fähig; und nach beyden wird die Prüfung angestellt, ob sie für die Gesellschaft im Ganzen dauernd nutzbar und nützlich seyn können. Wo dieß der Fall ist, da entsteht das Gefühl der Schätzung. Bleiben wir hier zuerst stehen! In wie fern ist diese Schätzung Liebe? In so fern ich wonnevoll strebe, daß das schätzbare Wesen sich durch den schätzbaren Werth, den es vor den Augen anderer hat, glücklich fühle! Diese Empfindung kann mir also bloß der Mensch einflößen; denn alles Uebrige hat kein Bewußtseyn seiner Selbstzufriedenheit; mithin gehört die Schätzung, welche ich der Maschine, dem Kunstwerke, der Naturerscheinung widme, schlechterdings entweder dem Beschauungshange oder der Selbstheit. Aber nicht jede Schätzung, welche mir auch der Mensch einflößt, gehört darum der Liebe. Die Selbstheit, der Beschauungshang, können sich dieser Gesinnung eben so wohl bemeistern, als das Herz. Oft ist die Schätzung des Menschen auch gar keine Wonne, sondern eine bloß genügende Lust am befriedigten Bedürfnisse. Es giebt mehrere Bestimmungen in der Welt, welche ich äußerst nützlich finde, und deren Ausfüllung mich doch bey der Vorstellung des Menschen, der sie übernommen hat, gar nicht mit Wonne rührt. Der Richter z. B. der seine Zeit der Untersuchung von Privatstreitigkeiten widmet, wird sehr geschätzt werden können, ohne uns ein Wonnegefühl bey dieser Gesinnung einzuflößen, weil seine Bestimmung zu wenig Reitz für die Phantasie hat, und das Vergnügen bloß von der Ueberlegung abhängt, daß seine Arbeit die Sicherheit des Lebens und des Eigenthums in der Gesellschaft gründet. Sehr oft müssen bey dieser Schätzung sogar mehrere unserer Lieblingsneigungen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0295" n="295"/> einer äußern Nützlichkeit fähig; und nach beyden wird die Prüfung angestellt, ob sie für die Gesellschaft im Ganzen dauernd nutzbar und nützlich seyn können. Wo dieß der Fall ist, da entsteht das Gefühl der <hi rendition="#g">Schätzung</hi>.</p> <p>Bleiben wir hier zuerst stehen! In wie fern ist diese Schätzung Liebe? In so fern ich wonnevoll strebe, daß das schätzbare Wesen sich durch den schätzbaren Werth, den es vor den Augen anderer hat, glücklich fühle! Diese Empfindung kann mir also bloß der Mensch einflößen; denn alles Uebrige hat kein Bewußtseyn seiner Selbstzufriedenheit; mithin gehört die Schätzung, welche ich der Maschine, dem Kunstwerke, der Naturerscheinung widme, schlechterdings entweder dem Beschauungshange oder der Selbstheit.</p> <p>Aber nicht jede Schätzung, welche mir auch der <hi rendition="#g">Mensch</hi> einflößt, gehört darum der Liebe. Die Selbstheit, der Beschauungshang, können sich dieser Gesinnung eben so wohl bemeistern, als das Herz. Oft ist die Schätzung des Menschen auch gar keine Wonne, sondern eine bloß genügende Lust am befriedigten Bedürfnisse. Es giebt mehrere Bestimmungen in der Welt, welche ich äußerst nützlich finde, und deren Ausfüllung mich doch bey der Vorstellung des Menschen, der sie übernommen hat, gar nicht mit Wonne rührt. Der Richter z. B. der seine Zeit der Untersuchung von Privatstreitigkeiten widmet, wird sehr geschätzt werden können, ohne uns ein Wonnegefühl bey dieser Gesinnung einzuflößen, weil seine Bestimmung zu wenig Reitz für die Phantasie hat, und das Vergnügen bloß von der Ueberlegung abhängt, daß seine Arbeit die Sicherheit des Lebens und des Eigenthums in der Gesellschaft gründet. Sehr oft müssen bey dieser Schätzung sogar mehrere unserer Lieblingsneigungen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [295/0295]
einer äußern Nützlichkeit fähig; und nach beyden wird die Prüfung angestellt, ob sie für die Gesellschaft im Ganzen dauernd nutzbar und nützlich seyn können. Wo dieß der Fall ist, da entsteht das Gefühl der Schätzung.
Bleiben wir hier zuerst stehen! In wie fern ist diese Schätzung Liebe? In so fern ich wonnevoll strebe, daß das schätzbare Wesen sich durch den schätzbaren Werth, den es vor den Augen anderer hat, glücklich fühle! Diese Empfindung kann mir also bloß der Mensch einflößen; denn alles Uebrige hat kein Bewußtseyn seiner Selbstzufriedenheit; mithin gehört die Schätzung, welche ich der Maschine, dem Kunstwerke, der Naturerscheinung widme, schlechterdings entweder dem Beschauungshange oder der Selbstheit.
Aber nicht jede Schätzung, welche mir auch der Mensch einflößt, gehört darum der Liebe. Die Selbstheit, der Beschauungshang, können sich dieser Gesinnung eben so wohl bemeistern, als das Herz. Oft ist die Schätzung des Menschen auch gar keine Wonne, sondern eine bloß genügende Lust am befriedigten Bedürfnisse. Es giebt mehrere Bestimmungen in der Welt, welche ich äußerst nützlich finde, und deren Ausfüllung mich doch bey der Vorstellung des Menschen, der sie übernommen hat, gar nicht mit Wonne rührt. Der Richter z. B. der seine Zeit der Untersuchung von Privatstreitigkeiten widmet, wird sehr geschätzt werden können, ohne uns ein Wonnegefühl bey dieser Gesinnung einzuflößen, weil seine Bestimmung zu wenig Reitz für die Phantasie hat, und das Vergnügen bloß von der Ueberlegung abhängt, daß seine Arbeit die Sicherheit des Lebens und des Eigenthums in der Gesellschaft gründet. Sehr oft müssen bey dieser Schätzung sogar mehrere unserer Lieblingsneigungen
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |