Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Erster Theil: Naturkunde der Liebe. Leipzig, 1798.die unter den beschwerlichsten Lagen ihre stillen Pflichten treu erfüllet, mit mehr Zufriedenheit betrachten, als die einzelne glänzende That der Römerin. Und der Gatte, der die Folgen dieser Gefälligkeit seines Weibes unmittelbar empfindet, wird die Wonne, die ihm sein Umgang einflößt, für die Wonne, die verstorbene Heldin zu bewundern, keinesweges aufopfern wollen. Aber nicht genug, daß ich den Gegenstand, der mich zur Beschauungswonne reitzt, weder nach Rücksichten desjenigen prüfen darf, was für mich besonders, noch was für alle Menschen mit mir nützlich und nothwendig ist; ich darf mich nicht einmahl in seine Lage und in seine Nähe hinein versetzen, ohne jene Wonne gestört zu sehen. Wenn ich mir denke, ich muß mich wie eine Arria durch einen freywilligen Tod den Bedrückungen der Tyranney entziehen; oder diese Arria ersticht sich an meiner Seite; gewiß! die Wonne macht den Empfindungen einer traurigen Nothwendigkeit und des Mitleidens Platz. So muß ich also das Bild, das ich mit Wonne beschauen soll, nothwendig in demjenigen Grade von Entfernung betrachten, der hinreichend ist, das Außerordentliche, welches dieß Bild von andern Vorstellungen unterscheidet, zu erkennen, und nicht stark genug, um dieß Bild auf meinen eigenen wahren Zustand zu beziehen, oder auch mich in den Zustand des Gegenstandes dieses Bildes ganz hinein zu versetzen. Mit einem Worte: ich muß den Gegenstand seinem Wesen und seiner Lage nach von mir selbst und von andern Gegenständen, die ihm zunächst erscheinen, in meinem Kopfe isolieren. die unter den beschwerlichsten Lagen ihre stillen Pflichten treu erfüllet, mit mehr Zufriedenheit betrachten, als die einzelne glänzende That der Römerin. Und der Gatte, der die Folgen dieser Gefälligkeit seines Weibes unmittelbar empfindet, wird die Wonne, die ihm sein Umgang einflößt, für die Wonne, die verstorbene Heldin zu bewundern, keinesweges aufopfern wollen. Aber nicht genug, daß ich den Gegenstand, der mich zur Beschauungswonne reitzt, weder nach Rücksichten desjenigen prüfen darf, was für mich besonders, noch was für alle Menschen mit mir nützlich und nothwendig ist; ich darf mich nicht einmahl in seine Lage und in seine Nähe hinein versetzen, ohne jene Wonne gestört zu sehen. Wenn ich mir denke, ich muß mich wie eine Arria durch einen freywilligen Tod den Bedrückungen der Tyranney entziehen; oder diese Arria ersticht sich an meiner Seite; gewiß! die Wonne macht den Empfindungen einer traurigen Nothwendigkeit und des Mitleidens Platz. So muß ich also das Bild, das ich mit Wonne beschauen soll, nothwendig in demjenigen Grade von Entfernung betrachten, der hinreichend ist, das Außerordentliche, welches dieß Bild von andern Vorstellungen unterscheidet, zu erkennen, und nicht stark genug, um dieß Bild auf meinen eigenen wahren Zustand zu beziehen, oder auch mich in den Zustand des Gegenstandes dieses Bildes ganz hinein zu versetzen. Mit einem Worte: ich muß den Gegenstand seinem Wesen und seiner Lage nach von mir selbst und von andern Gegenständen, die ihm zunächst erscheinen, in meinem Kopfe isolieren. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0038" n="38"/> die unter den beschwerlichsten Lagen ihre stillen Pflichten treu erfüllet, mit mehr Zufriedenheit betrachten, als die einzelne glänzende That der Römerin. Und der Gatte, der die Folgen dieser Gefälligkeit seines Weibes unmittelbar empfindet, wird die Wonne, die ihm sein Umgang einflößt, für die Wonne, die verstorbene Heldin zu bewundern, keinesweges aufopfern wollen.</p> <p>Aber nicht genug, daß ich den Gegenstand, der mich zur Beschauungswonne reitzt, weder nach Rücksichten desjenigen prüfen darf, was für mich besonders, noch was für alle Menschen mit mir nützlich und nothwendig ist; ich darf mich nicht einmahl in seine Lage und in seine Nähe hinein versetzen, ohne jene Wonne gestört zu sehen. Wenn ich mir denke, ich muß mich wie eine Arria durch einen freywilligen Tod den Bedrückungen der Tyranney entziehen; oder diese Arria ersticht sich an meiner Seite; gewiß! die Wonne macht den Empfindungen einer traurigen Nothwendigkeit und des Mitleidens Platz.</p> <p>So muß ich also das Bild, das ich mit Wonne beschauen soll, nothwendig in demjenigen Grade von Entfernung betrachten, der hinreichend ist, das Außerordentliche, welches dieß Bild von andern Vorstellungen unterscheidet, zu erkennen, und nicht stark genug, um dieß Bild auf meinen eigenen wahren Zustand zu beziehen, oder auch mich in den Zustand des Gegenstandes dieses Bildes ganz hinein zu versetzen. Mit einem Worte: ich muß den Gegenstand seinem Wesen und seiner Lage nach von mir selbst und von andern Gegenständen, die ihm zunächst erscheinen, in meinem Kopfe isolieren.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [38/0038]
die unter den beschwerlichsten Lagen ihre stillen Pflichten treu erfüllet, mit mehr Zufriedenheit betrachten, als die einzelne glänzende That der Römerin. Und der Gatte, der die Folgen dieser Gefälligkeit seines Weibes unmittelbar empfindet, wird die Wonne, die ihm sein Umgang einflößt, für die Wonne, die verstorbene Heldin zu bewundern, keinesweges aufopfern wollen.
Aber nicht genug, daß ich den Gegenstand, der mich zur Beschauungswonne reitzt, weder nach Rücksichten desjenigen prüfen darf, was für mich besonders, noch was für alle Menschen mit mir nützlich und nothwendig ist; ich darf mich nicht einmahl in seine Lage und in seine Nähe hinein versetzen, ohne jene Wonne gestört zu sehen. Wenn ich mir denke, ich muß mich wie eine Arria durch einen freywilligen Tod den Bedrückungen der Tyranney entziehen; oder diese Arria ersticht sich an meiner Seite; gewiß! die Wonne macht den Empfindungen einer traurigen Nothwendigkeit und des Mitleidens Platz.
So muß ich also das Bild, das ich mit Wonne beschauen soll, nothwendig in demjenigen Grade von Entfernung betrachten, der hinreichend ist, das Außerordentliche, welches dieß Bild von andern Vorstellungen unterscheidet, zu erkennen, und nicht stark genug, um dieß Bild auf meinen eigenen wahren Zustand zu beziehen, oder auch mich in den Zustand des Gegenstandes dieses Bildes ganz hinein zu versetzen. Mit einem Worte: ich muß den Gegenstand seinem Wesen und seiner Lage nach von mir selbst und von andern Gegenständen, die ihm zunächst erscheinen, in meinem Kopfe isolieren.
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