Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.ernsten Schönheit die Direction der Linien des Umrisses durch mehrere Halbflächen an der Ründung gehindert wird, zeigt sie sich bey der zärteren Schönheit viel wallender und geschlängelter. Anstatt daß bey jener möglichst auf ein geometrisches Wohlverhältniß Rücksicht genommen wird, sucht hingegen die zärtere Schönheit das Ebenmaß und die Ordnung - welche allerdings in der Lage ihrer Theile gegen und unter einander herrschen muß, um ihr den Anspruch auf das ästhetisch Schöne zu sichern - möglichst zu verstecken. Sie ist da, aber man wird nicht so unmittelbar darauf geführt. Endlich, während daß die ernste Schönheit in den Biegungen ihrer Ründung möglichst die Ecken des Quadrats beyzubehalten sucht, sucht dagegen die zärtere in ihren Biegungen sich möglichst der Wölbung des Zirkels zu nähern. Dieß Spiel der Gestalten wird nun gemeiniglich am menschlichen Körper zugleich durch das Spiel der Farben und des Helldunkeln unterstützt. Der leichte Uebergang der Farben in einander, welche die jugendliche und weibliche Carnation ausmachen, die Mischung des Roths, Paille und Blau; die harmonische Abwechselung der Lichter und Schatten, bringen alle Nerven unsers Auges in eine wollüstige Bewegung, welche sehr geschickt ist, unsere übrigen Sinne zugleich in eine dunkle Reitzung zu versetzen. Dieß Spiel der Gestalten, der Farben und des Helldunkeln führt das Auge zu einer spielenden, anschmiegenden, eben darum auch strebenden Bewegung des Nachblickens und Blinzelns, die mit derjenigen Wirksamkeit in welche der Gaumen und die Tastungsorgane beym Einnehmen des ihnen angehörenden Genusses gerathen, in einem auffallenden Verhältnisse steht. Es ist ein ernsten Schönheit die Direction der Linien des Umrisses durch mehrere Halbflächen an der Ründung gehindert wird, zeigt sie sich bey der zärteren Schönheit viel wallender und geschlängelter. Anstatt daß bey jener möglichst auf ein geometrisches Wohlverhältniß Rücksicht genommen wird, sucht hingegen die zärtere Schönheit das Ebenmaß und die Ordnung – welche allerdings in der Lage ihrer Theile gegen und unter einander herrschen muß, um ihr den Anspruch auf das ästhetisch Schöne zu sichern – möglichst zu verstecken. Sie ist da, aber man wird nicht so unmittelbar darauf geführt. Endlich, während daß die ernste Schönheit in den Biegungen ihrer Ründung möglichst die Ecken des Quadrats beyzubehalten sucht, sucht dagegen die zärtere in ihren Biegungen sich möglichst der Wölbung des Zirkels zu nähern. Dieß Spiel der Gestalten wird nun gemeiniglich am menschlichen Körper zugleich durch das Spiel der Farben und des Helldunkeln unterstützt. Der leichte Uebergang der Farben in einander, welche die jugendliche und weibliche Carnation ausmachen, die Mischung des Roths, Paille und Blau; die harmonische Abwechselung der Lichter und Schatten, bringen alle Nerven unsers Auges in eine wollüstige Bewegung, welche sehr geschickt ist, unsere übrigen Sinne zugleich in eine dunkle Reitzung zu versetzen. Dieß Spiel der Gestalten, der Farben und des Helldunkeln führt das Auge zu einer spielenden, anschmiegenden, eben darum auch strebenden Bewegung des Nachblickens und Blinzelns, die mit derjenigen Wirksamkeit in welche der Gaumen und die Tastungsorgane beym Einnehmen des ihnen angehörenden Genusses gerathen, in einem auffallenden Verhältnisse steht. Es ist ein <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0122" n="122"/> ernsten Schönheit die Direction der Linien des Umrisses durch mehrere Halbflächen an der Ründung gehindert wird, zeigt sie sich bey der zärteren Schönheit viel wallender und geschlängelter. Anstatt daß bey jener möglichst auf ein geometrisches Wohlverhältniß Rücksicht genommen wird, sucht hingegen die zärtere Schönheit das Ebenmaß und die Ordnung – welche allerdings in der Lage ihrer Theile gegen und unter einander herrschen muß, um ihr den Anspruch auf das ästhetisch Schöne zu sichern – möglichst zu verstecken. Sie ist da, aber man wird nicht so unmittelbar darauf geführt. Endlich, während daß die ernste Schönheit in den Biegungen ihrer Ründung möglichst die Ecken des Quadrats beyzubehalten sucht, sucht dagegen die zärtere in ihren Biegungen sich möglichst der Wölbung des Zirkels zu nähern.</p> <p>Dieß Spiel der Gestalten wird nun gemeiniglich am menschlichen Körper zugleich durch das Spiel der Farben und des Helldunkeln unterstützt. Der leichte Uebergang der Farben in einander, welche die jugendliche und weibliche Carnation ausmachen, die Mischung des Roths, Paille und Blau; die harmonische Abwechselung der Lichter und Schatten, bringen alle Nerven unsers Auges in eine wollüstige Bewegung, welche sehr geschickt ist, unsere übrigen Sinne zugleich in eine dunkle Reitzung zu versetzen.</p> <p>Dieß Spiel der Gestalten, der Farben und des Helldunkeln führt das Auge zu einer spielenden, anschmiegenden, eben darum auch strebenden Bewegung des Nachblickens und Blinzelns, die mit derjenigen Wirksamkeit in welche der Gaumen und die Tastungsorgane beym Einnehmen des ihnen angehörenden Genusses gerathen, in einem auffallenden Verhältnisse steht. Es ist ein </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [122/0122]
ernsten Schönheit die Direction der Linien des Umrisses durch mehrere Halbflächen an der Ründung gehindert wird, zeigt sie sich bey der zärteren Schönheit viel wallender und geschlängelter. Anstatt daß bey jener möglichst auf ein geometrisches Wohlverhältniß Rücksicht genommen wird, sucht hingegen die zärtere Schönheit das Ebenmaß und die Ordnung – welche allerdings in der Lage ihrer Theile gegen und unter einander herrschen muß, um ihr den Anspruch auf das ästhetisch Schöne zu sichern – möglichst zu verstecken. Sie ist da, aber man wird nicht so unmittelbar darauf geführt. Endlich, während daß die ernste Schönheit in den Biegungen ihrer Ründung möglichst die Ecken des Quadrats beyzubehalten sucht, sucht dagegen die zärtere in ihren Biegungen sich möglichst der Wölbung des Zirkels zu nähern.
Dieß Spiel der Gestalten wird nun gemeiniglich am menschlichen Körper zugleich durch das Spiel der Farben und des Helldunkeln unterstützt. Der leichte Uebergang der Farben in einander, welche die jugendliche und weibliche Carnation ausmachen, die Mischung des Roths, Paille und Blau; die harmonische Abwechselung der Lichter und Schatten, bringen alle Nerven unsers Auges in eine wollüstige Bewegung, welche sehr geschickt ist, unsere übrigen Sinne zugleich in eine dunkle Reitzung zu versetzen.
Dieß Spiel der Gestalten, der Farben und des Helldunkeln führt das Auge zu einer spielenden, anschmiegenden, eben darum auch strebenden Bewegung des Nachblickens und Blinzelns, die mit derjenigen Wirksamkeit in welche der Gaumen und die Tastungsorgane beym Einnehmen des ihnen angehörenden Genusses gerathen, in einem auffallenden Verhältnisse steht. Es ist ein
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