Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.allmähliges hingebendes Aneignen, es ist ein auflösendes Einnehmen in dem Zustande des Auges, während daß es sich den wallenden Umrissen anschmiegt, die versteckte Ordnung austastet, an der unmerklich abgestuften Ründung hingleitet, den Duft und den Schmelz des harmonischen Farben- und Lichterspiels einathmet und auskostet! Wie ähnlich ist dieser Zustand demjenigen, in welchen Tastungsorgane, Nase und Gaumen, bey den wollüstigen Gefühlen kommen, die ihnen unmittelbar zugeführt werden! Wie treffend die Ausdrücke der technischen Mahlersprache, der Sprache der Dichter und selbst des gemeinen Lebens, wenn wir die Wirkung bezeichnen, welche gewisse spielende Bewegungen und zärtelnde Eigenschaften todter Körper auf uns machen, um ihren Einfluß auf unsere übrigen Sinne selbst bey der Anschauung zu fühlen! So sagen wir, daß das Gewand den Körper üppig umflattert, daß das Haar üppig um den Nacken spielet, daß der Kohl in zwanglosen abwechselnden Schüssen schwelgt, und daß die Flamme die Gegenstände, die sie berührt, leckt! Wir sprechen von dem süßen Schmelz der farbigen Rose, von dem Sanften der Himmelsbläue und von dem Markigen und dem Duft eines Gemähldes. Das Auge setzt sich hier an die Stelle der übrigen Sinne, und eignet sich dunkel den Genuß an, den unser Wesen nur mittelst ihrer besondern Organe vollständig einnimmt. Eben dadurch wird nun auch heimlich die Geschlechtssympathie des Körpers mit aufgeregt: wir werden üppig. Das Zarte und zugleich Hebende, welches den Charakter dieses allmähligen Spieles der Eindrücke auf unsere Sinne ausmacht, kommt sehr leicht mit unserer geschmeidig starken Organisation in das Wohlverhältniß gezärtelter Spannung. allmähliges hingebendes Aneignen, es ist ein auflösendes Einnehmen in dem Zustande des Auges, während daß es sich den wallenden Umrissen anschmiegt, die versteckte Ordnung austastet, an der unmerklich abgestuften Ründung hingleitet, den Duft und den Schmelz des harmonischen Farben- und Lichterspiels einathmet und auskostet! Wie ähnlich ist dieser Zustand demjenigen, in welchen Tastungsorgane, Nase und Gaumen, bey den wollüstigen Gefühlen kommen, die ihnen unmittelbar zugeführt werden! Wie treffend die Ausdrücke der technischen Mahlersprache, der Sprache der Dichter und selbst des gemeinen Lebens, wenn wir die Wirkung bezeichnen, welche gewisse spielende Bewegungen und zärtelnde Eigenschaften todter Körper auf uns machen, um ihren Einfluß auf unsere übrigen Sinne selbst bey der Anschauung zu fühlen! So sagen wir, daß das Gewand den Körper üppig umflattert, daß das Haar üppig um den Nacken spielet, daß der Kohl in zwanglosen abwechselnden Schüssen schwelgt, und daß die Flamme die Gegenstände, die sie berührt, leckt! Wir sprechen von dem süßen Schmelz der farbigen Rose, von dem Sanften der Himmelsbläue und von dem Markigen und dem Duft eines Gemähldes. Das Auge setzt sich hier an die Stelle der übrigen Sinne, und eignet sich dunkel den Genuß an, den unser Wesen nur mittelst ihrer besondern Organe vollständig einnimmt. Eben dadurch wird nun auch heimlich die Geschlechtssympathie des Körpers mit aufgeregt: wir werden üppig. Das Zarte und zugleich Hebende, welches den Charakter dieses allmähligen Spieles der Eindrücke auf unsere Sinne ausmacht, kommt sehr leicht mit unserer geschmeidig starken Organisation in das Wohlverhältniß gezärtelter Spannung. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0123" n="123"/> allmähliges hingebendes Aneignen, es ist ein auflösendes Einnehmen in dem Zustande des Auges, während daß es sich den wallenden Umrissen anschmiegt, die versteckte Ordnung austastet, an der unmerklich abgestuften Ründung hingleitet, den Duft und den Schmelz des harmonischen Farben- und Lichterspiels einathmet und auskostet! Wie ähnlich ist dieser Zustand demjenigen, in welchen Tastungsorgane, Nase und Gaumen, bey den wollüstigen Gefühlen kommen, die ihnen unmittelbar zugeführt werden! Wie treffend die Ausdrücke der technischen Mahlersprache, der Sprache der Dichter und selbst des gemeinen Lebens, wenn wir die Wirkung bezeichnen, welche gewisse spielende Bewegungen und zärtelnde Eigenschaften todter Körper auf uns machen, um ihren Einfluß auf unsere übrigen Sinne selbst bey der Anschauung zu fühlen! So sagen wir, daß das Gewand den Körper üppig umflattert, daß das Haar üppig um den Nacken spielet, daß der Kohl in zwanglosen abwechselnden Schüssen schwelgt, und daß die Flamme die Gegenstände, die sie berührt, leckt! Wir sprechen von dem süßen Schmelz der farbigen Rose, von dem Sanften der Himmelsbläue und von dem Markigen und dem Duft eines Gemähldes. Das Auge setzt sich hier an die Stelle der übrigen Sinne, und eignet sich dunkel den Genuß an, den unser Wesen nur mittelst ihrer besondern Organe vollständig einnimmt. Eben dadurch wird nun auch heimlich die Geschlechtssympathie des Körpers mit aufgeregt: wir werden üppig. 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allmähliges hingebendes Aneignen, es ist ein auflösendes Einnehmen in dem Zustande des Auges, während daß es sich den wallenden Umrissen anschmiegt, die versteckte Ordnung austastet, an der unmerklich abgestuften Ründung hingleitet, den Duft und den Schmelz des harmonischen Farben- und Lichterspiels einathmet und auskostet! Wie ähnlich ist dieser Zustand demjenigen, in welchen Tastungsorgane, Nase und Gaumen, bey den wollüstigen Gefühlen kommen, die ihnen unmittelbar zugeführt werden! Wie treffend die Ausdrücke der technischen Mahlersprache, der Sprache der Dichter und selbst des gemeinen Lebens, wenn wir die Wirkung bezeichnen, welche gewisse spielende Bewegungen und zärtelnde Eigenschaften todter Körper auf uns machen, um ihren Einfluß auf unsere übrigen Sinne selbst bey der Anschauung zu fühlen! So sagen wir, daß das Gewand den Körper üppig umflattert, daß das Haar üppig um den Nacken spielet, daß der Kohl in zwanglosen abwechselnden Schüssen schwelgt, und daß die Flamme die Gegenstände, die sie berührt, leckt! Wir sprechen von dem süßen Schmelz der farbigen Rose, von dem Sanften der Himmelsbläue und von dem Markigen und dem Duft eines Gemähldes. Das Auge setzt sich hier an die Stelle der übrigen Sinne, und eignet sich dunkel den Genuß an, den unser Wesen nur mittelst ihrer besondern Organe vollständig einnimmt. Eben dadurch wird nun auch heimlich die Geschlechtssympathie des Körpers mit aufgeregt: wir werden üppig. Das Zarte und zugleich Hebende, welches den Charakter dieses allmähligen Spieles der Eindrücke auf unsere Sinne ausmacht, kommt sehr leicht mit unserer geschmeidig starken Organisation in das Wohlverhältniß gezärtelter Spannung.
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