Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.sie bloß einer zufälligen Verirrung der Imagination, oder der Verderbtheit und Rohheit der Sitten zuschreiben sollte. In Ländern, wo religiöse und bürgerliche Erziehung den unnennbaren Trieb zum Zweck der Bevölkerung von früher Kindheit an zu leiten suchen, werden sich nur selten gröbere Symptome desselben gegen solche Körper melden, welche die Zwecke der immer fortbildenden Natur nicht erfüllen können. Aber Ueppigkeit, Lüsternheit, als die untern Stufen der Geschlechtssympathie, werden auch hier bey Menschen von reitzbaren Nerven den lebhafteren Eindruck begleiten, den die zartgebauete Schönheit, selbst im todten Bilde auf sie macht. Diese Mitwirkung der körperlichen Geschlechtssympathie bey der Begeisterung für jugendlich männliche Schönheit kann den Kunstliebhabern, bey denen sie am häufigsten angetroffen wird, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Sie ist keinesweges schändlich, denn sie sind sich dieser Mitwirkung oft selbst nicht bewußt. Sie wirkt wie eine geheime Ahndung, und die Art, wie sie nach den Vorschriften der Religion und der Sittlichkeit geleitet wird, veredelt sie in den Augen jedes billigen Beurtheilers. Ich halte mich überzeugt, daß einer der Hauptgründe, warum der Enthusiasmus für jugendliche Männerschönheit, und noch mehr die Kunst, sie im Bilde darzustellen, in unsern Gegenden nie so allgemein und so hoch getrieben werden kann, als bey den Griechen, mit daran liegt, daß der lüsterne Eindruck, welchen die Zartheit männlicher Formen auf uns macht, nach der heutigen Denkungsart den Anstand beleidigt. Ohne jenen hohen Grad der Begeisterung, der bis zur Besessenheit geht, werden nicht leicht Meisterwerke in irgend einer Kunst hervorgebracht, sie bloß einer zufälligen Verirrung der Imagination, oder der Verderbtheit und Rohheit der Sitten zuschreiben sollte. In Ländern, wo religiöse und bürgerliche Erziehung den unnennbaren Trieb zum Zweck der Bevölkerung von früher Kindheit an zu leiten suchen, werden sich nur selten gröbere Symptome desselben gegen solche Körper melden, welche die Zwecke der immer fortbildenden Natur nicht erfüllen können. Aber Ueppigkeit, Lüsternheit, als die untern Stufen der Geschlechtssympathie, werden auch hier bey Menschen von reitzbaren Nerven den lebhafteren Eindruck begleiten, den die zartgebauete Schönheit, selbst im todten Bilde auf sie macht. Diese Mitwirkung der körperlichen Geschlechtssympathie bey der Begeisterung für jugendlich männliche Schönheit kann den Kunstliebhabern, bey denen sie am häufigsten angetroffen wird, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Sie ist keinesweges schändlich, denn sie sind sich dieser Mitwirkung oft selbst nicht bewußt. Sie wirkt wie eine geheime Ahndung, und die Art, wie sie nach den Vorschriften der Religion und der Sittlichkeit geleitet wird, veredelt sie in den Augen jedes billigen Beurtheilers. Ich halte mich überzeugt, daß einer der Hauptgründe, warum der Enthusiasmus für jugendliche Männerschönheit, und noch mehr die Kunst, sie im Bilde darzustellen, in unsern Gegenden nie so allgemein und so hoch getrieben werden kann, als bey den Griechen, mit daran liegt, daß der lüsterne Eindruck, welchen die Zartheit männlicher Formen auf uns macht, nach der heutigen Denkungsart den Anstand beleidigt. Ohne jenen hohen Grad der Begeisterung, der bis zur Besessenheit geht, werden nicht leicht Meisterwerke in irgend einer Kunst hervorgebracht, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0133" n="133"/> sie bloß einer zufälligen Verirrung der Imagination, oder der Verderbtheit und Rohheit der Sitten zuschreiben sollte. In Ländern, wo religiöse und bürgerliche Erziehung den unnennbaren Trieb zum Zweck der Bevölkerung von früher Kindheit an zu leiten suchen, werden sich nur selten gröbere Symptome desselben gegen solche Körper melden, welche die Zwecke der immer fortbildenden Natur nicht erfüllen können. Aber Ueppigkeit, Lüsternheit, als die untern Stufen der Geschlechtssympathie, werden auch hier bey Menschen von reitzbaren Nerven den lebhafteren Eindruck begleiten, den die zartgebauete Schönheit, selbst im todten Bilde auf sie macht.</p> <p>Diese Mitwirkung der körperlichen Geschlechtssympathie bey der Begeisterung für jugendlich männliche Schönheit kann den Kunstliebhabern, bey denen sie am häufigsten angetroffen wird, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Sie ist keinesweges schändlich, denn sie sind sich dieser Mitwirkung oft selbst nicht bewußt. Sie wirkt wie eine geheime Ahndung, und die Art, wie sie nach den Vorschriften der Religion und der Sittlichkeit geleitet wird, veredelt sie in den Augen jedes billigen Beurtheilers.</p> <p>Ich halte mich überzeugt, daß einer der Hauptgründe, warum der Enthusiasmus für jugendliche Männerschönheit, und noch mehr die Kunst, sie im Bilde darzustellen, in unsern Gegenden nie so allgemein und so hoch getrieben werden kann, als bey den Griechen, mit daran liegt, daß der lüsterne Eindruck, welchen die Zartheit männlicher Formen auf uns macht, nach der heutigen Denkungsart den Anstand beleidigt. Ohne jenen hohen Grad der Begeisterung, der bis zur Besessenheit geht, werden nicht leicht Meisterwerke in irgend einer Kunst hervorgebracht, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [133/0133]
sie bloß einer zufälligen Verirrung der Imagination, oder der Verderbtheit und Rohheit der Sitten zuschreiben sollte. In Ländern, wo religiöse und bürgerliche Erziehung den unnennbaren Trieb zum Zweck der Bevölkerung von früher Kindheit an zu leiten suchen, werden sich nur selten gröbere Symptome desselben gegen solche Körper melden, welche die Zwecke der immer fortbildenden Natur nicht erfüllen können. Aber Ueppigkeit, Lüsternheit, als die untern Stufen der Geschlechtssympathie, werden auch hier bey Menschen von reitzbaren Nerven den lebhafteren Eindruck begleiten, den die zartgebauete Schönheit, selbst im todten Bilde auf sie macht.
Diese Mitwirkung der körperlichen Geschlechtssympathie bey der Begeisterung für jugendlich männliche Schönheit kann den Kunstliebhabern, bey denen sie am häufigsten angetroffen wird, nicht zum Vorwurf gemacht werden. Sie ist keinesweges schändlich, denn sie sind sich dieser Mitwirkung oft selbst nicht bewußt. Sie wirkt wie eine geheime Ahndung, und die Art, wie sie nach den Vorschriften der Religion und der Sittlichkeit geleitet wird, veredelt sie in den Augen jedes billigen Beurtheilers.
Ich halte mich überzeugt, daß einer der Hauptgründe, warum der Enthusiasmus für jugendliche Männerschönheit, und noch mehr die Kunst, sie im Bilde darzustellen, in unsern Gegenden nie so allgemein und so hoch getrieben werden kann, als bey den Griechen, mit daran liegt, daß der lüsterne Eindruck, welchen die Zartheit männlicher Formen auf uns macht, nach der heutigen Denkungsart den Anstand beleidigt. Ohne jenen hohen Grad der Begeisterung, der bis zur Besessenheit geht, werden nicht leicht Meisterwerke in irgend einer Kunst hervorgebracht,
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