Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.und zu der Schwärmerey für Ideale zarter Schönheiten trägt die verhaltene Lüsternheit sehr viel bey. Unsere neueren Künstler liefern daher bey uns verhältnißmäßig viel schönere Weiber- als Männerformen. In Griechenland war es der umgekehrte Fall, und selbst ihre jugendlich zarten Weiber haben viel von der Form schöner Jünglinge an sich. Es ist schon oft gesagt, daß der verewigte Winkelmann bey seiner enthusiastischen Anhänglichkeit von zarten männlichen Schönheiten den Einfluß der körperlichen Geschlechtssympathie dunkel empfunden habe. Man vergleiche die Art, wie er an seinen schönen, jugendlichen Freund schreibt, oder die Schönheit einer jugendlich männlichen Statue des Alterthums darstellt, mit derjenigen, womit er sich über eine männliche Figur von reiferen Alter ausdruckt. Er erscheint wie Pigmalion in den verschiedenen Situationen, worin dieser Künstler sein Werk als Marmorblock und als empfindendes Wesen betrachtet. Aehnliche Bemerkungen sind denjenigen nicht entgangen, die als ruhige Beobachter Augenzeugen des Umgangs dieses edeln Mannes mit seinem schönen Freunde gewesen sind. Ein mehr als himmlisches Feuer ergriff den Lobredner des Apollo bey dem Anblick eines schön gewölbten Knies, welches ein Zufall auf einer gemeinschaftlichen Reise nach Frascati entblößte. Schande über den, der hier schändlich muthmaßet! Es geschah unbefangen, es geschah öffentlich, zum Beweise der unwillkührlichen, und höchst wahrscheinlich dem Begeisterten selbst unbekannten Regung der Geschlechtssympathie. und zu der Schwärmerey für Ideale zarter Schönheiten trägt die verhaltene Lüsternheit sehr viel bey. Unsere neueren Künstler liefern daher bey uns verhältnißmäßig viel schönere Weiber- als Männerformen. In Griechenland war es der umgekehrte Fall, und selbst ihre jugendlich zarten Weiber haben viel von der Form schöner Jünglinge an sich. Es ist schon oft gesagt, daß der verewigte Winkelmann bey seiner enthusiastischen Anhänglichkeit von zarten männlichen Schönheiten den Einfluß der körperlichen Geschlechtssympathie dunkel empfunden habe. Man vergleiche die Art, wie er an seinen schönen, jugendlichen Freund schreibt, oder die Schönheit einer jugendlich männlichen Statue des Alterthums darstellt, mit derjenigen, womit er sich über eine männliche Figur von reiferen Alter ausdruckt. Er erscheint wie Pigmalion in den verschiedenen Situationen, worin dieser Künstler sein Werk als Marmorblock und als empfindendes Wesen betrachtet. Aehnliche Bemerkungen sind denjenigen nicht entgangen, die als ruhige Beobachter Augenzeugen des Umgangs dieses edeln Mannes mit seinem schönen Freunde gewesen sind. Ein mehr als himmlisches Feuer ergriff den Lobredner des Apollo bey dem Anblick eines schön gewölbten Knies, welches ein Zufall auf einer gemeinschaftlichen Reise nach Frascati entblößte. Schande über den, der hier schändlich muthmaßet! Es geschah unbefangen, es geschah öffentlich, zum Beweise der unwillkührlichen, und höchst wahrscheinlich dem Begeisterten selbst unbekannten Regung der Geschlechtssympathie. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0134" n="134"/> und zu der Schwärmerey für Ideale zarter Schönheiten trägt die verhaltene Lüsternheit sehr viel bey. Unsere neueren Künstler liefern daher bey uns verhältnißmäßig viel schönere Weiber- als Männerformen. In Griechenland war es der umgekehrte Fall, und selbst ihre jugendlich zarten Weiber haben viel von der Form schöner Jünglinge an sich.</p> <p>Es ist schon oft gesagt, daß der verewigte Winkelmann bey seiner enthusiastischen Anhänglichkeit von zarten männlichen Schönheiten den Einfluß der körperlichen Geschlechtssympathie dunkel empfunden habe. Man vergleiche die Art, wie er an seinen schönen, jugendlichen Freund schreibt, oder die Schönheit einer jugendlich männlichen Statue des Alterthums darstellt, mit derjenigen, womit er sich über eine männliche Figur von reiferen Alter ausdruckt. Er erscheint wie Pigmalion in den verschiedenen Situationen, worin dieser Künstler sein Werk als Marmorblock und als empfindendes Wesen betrachtet. Aehnliche Bemerkungen sind denjenigen nicht entgangen, die als ruhige Beobachter Augenzeugen des Umgangs dieses edeln Mannes mit seinem schönen Freunde gewesen sind. Ein mehr als himmlisches Feuer ergriff den Lobredner des Apollo bey dem Anblick eines schön gewölbten Knies, welches ein Zufall auf einer gemeinschaftlichen Reise nach Frascati entblößte.</p> <p>Schande über den, der hier schändlich muthmaßet! Es geschah unbefangen, es geschah öffentlich, zum Beweise der unwillkührlichen, und höchst wahrscheinlich dem Begeisterten selbst unbekannten Regung der Geschlechtssympathie.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [134/0134]
und zu der Schwärmerey für Ideale zarter Schönheiten trägt die verhaltene Lüsternheit sehr viel bey. Unsere neueren Künstler liefern daher bey uns verhältnißmäßig viel schönere Weiber- als Männerformen. In Griechenland war es der umgekehrte Fall, und selbst ihre jugendlich zarten Weiber haben viel von der Form schöner Jünglinge an sich.
Es ist schon oft gesagt, daß der verewigte Winkelmann bey seiner enthusiastischen Anhänglichkeit von zarten männlichen Schönheiten den Einfluß der körperlichen Geschlechtssympathie dunkel empfunden habe. Man vergleiche die Art, wie er an seinen schönen, jugendlichen Freund schreibt, oder die Schönheit einer jugendlich männlichen Statue des Alterthums darstellt, mit derjenigen, womit er sich über eine männliche Figur von reiferen Alter ausdruckt. Er erscheint wie Pigmalion in den verschiedenen Situationen, worin dieser Künstler sein Werk als Marmorblock und als empfindendes Wesen betrachtet. Aehnliche Bemerkungen sind denjenigen nicht entgangen, die als ruhige Beobachter Augenzeugen des Umgangs dieses edeln Mannes mit seinem schönen Freunde gewesen sind. Ein mehr als himmlisches Feuer ergriff den Lobredner des Apollo bey dem Anblick eines schön gewölbten Knies, welches ein Zufall auf einer gemeinschaftlichen Reise nach Frascati entblößte.
Schande über den, der hier schändlich muthmaßet! Es geschah unbefangen, es geschah öffentlich, zum Beweise der unwillkührlichen, und höchst wahrscheinlich dem Begeisterten selbst unbekannten Regung der Geschlechtssympathie.
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