Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.Daß aber dennoch der Sinn des Edeln über diesen Ausdruck vollkommener Liebe im Ganzen wache! Hütet euch, keinen Lucretz *) zu berechtigen, euern Liebkosungen den Vorwurf thierischer Wuth und eigennütziger Vorliebe für euer einseitiges Vergnügen zu machen. Der edlere Mensch wird auch hier aus seinem Charakter nicht heraus treten, und Wahrheit mit Würde zu vereinigen wissen! Der ernste Mann darf sich nicht wie das Kind geberden: das sanfte Weib nicht wie das muthwillige Mädchen. Förmlichkeit ist der wahren Liebe zuwider, aber eben so sehr widerspricht ihr Ausgelassenheit und Empfindeley. Harmonie, Schicklichkeit, Ordnung, Angemessenheit, Uebereinstimmung mit uns selbst, kann auch der kosende Ausdruck der Liebe zeigen. Ach! und wenn nun gar der Sinn des Schönen hinzu tritt! Doch! um diesen befriedigt zu fühlen, müssen die Liebenden selbst Formen an sich tragen, die der sichtbaren Anmuth fähig sind. Aber wenn sie diesen Vorzug wirklich besitzen; - o! des seltenen und vielleicht einzigen Genusses in seiner Art, sich mit der Geliebten zu einer Gruppe vereinigt anzuschauen, die von des Künstlers Hand in Marmor gebildet, schon jedem fremden Zuschauer Gefühle der Schönheit einflößen würde! Und nun gar diese Gruppe lebend; - und sich selbst in dieser Gruppe; - und liebend, und wiedergeliebt! - O Gedanke ohne Ausdruck! Doch! wo Ziererey hinzu tritt, die Anmaßung schöne Formen zu zeichnen hervorsticht, Eitelkeit überherrschend wird über Liebe; - fort mit dem widerlichen Anblick! *) Et stimuli subsunt, qui instigant laedere id ipsum,
Quodcunque est, rabies unde illae germina surgunt. Daß aber dennoch der Sinn des Edeln über diesen Ausdruck vollkommener Liebe im Ganzen wache! Hütet euch, keinen Lucretz *) zu berechtigen, euern Liebkosungen den Vorwurf thierischer Wuth und eigennütziger Vorliebe für euer einseitiges Vergnügen zu machen. Der edlere Mensch wird auch hier aus seinem Charakter nicht heraus treten, und Wahrheit mit Würde zu vereinigen wissen! Der ernste Mann darf sich nicht wie das Kind geberden: das sanfte Weib nicht wie das muthwillige Mädchen. Förmlichkeit ist der wahren Liebe zuwider, aber eben so sehr widerspricht ihr Ausgelassenheit und Empfindeley. Harmonie, Schicklichkeit, Ordnung, Angemessenheit, Uebereinstimmung mit uns selbst, kann auch der kosende Ausdruck der Liebe zeigen. Ach! und wenn nun gar der Sinn des Schönen hinzu tritt! Doch! um diesen befriedigt zu fühlen, müssen die Liebenden selbst Formen an sich tragen, die der sichtbaren Anmuth fähig sind. Aber wenn sie diesen Vorzug wirklich besitzen; – o! des seltenen und vielleicht einzigen Genusses in seiner Art, sich mit der Geliebten zu einer Gruppe vereinigt anzuschauen, die von des Künstlers Hand in Marmor gebildet, schon jedem fremden Zuschauer Gefühle der Schönheit einflößen würde! Und nun gar diese Gruppe lebend; – und sich selbst in dieser Gruppe; – und liebend, und wiedergeliebt! – O Gedanke ohne Ausdruck! Doch! wo Ziererey hinzu tritt, die Anmaßung schöne Formen zu zeichnen hervorsticht, Eitelkeit überherrschend wird über Liebe; – fort mit dem widerlichen Anblick! *) Et stimuli subsunt, qui instigant laedere id ipsum,
Quodcunque est, rabies unde illae germina surgunt. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0286" n="286"/> <p>Daß aber dennoch der Sinn des Edeln über diesen Ausdruck vollkommener Liebe im Ganzen wache! Hütet euch, keinen Lucretz <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Et stimuli subsunt, qui instigant laedere id ipsum,<lb/> Quodcunque est, rabies unde illae germina surgunt.</hi></note> zu berechtigen, euern Liebkosungen den Vorwurf thierischer Wuth und eigennütziger Vorliebe für euer einseitiges Vergnügen zu machen. Der edlere Mensch wird auch hier aus seinem Charakter nicht heraus treten, und Wahrheit mit Würde zu vereinigen wissen! Der ernste Mann darf sich nicht wie das Kind geberden: das sanfte Weib nicht wie das muthwillige Mädchen. Förmlichkeit ist der wahren Liebe zuwider, aber eben so sehr widerspricht ihr Ausgelassenheit und Empfindeley. Harmonie, Schicklichkeit, Ordnung, Angemessenheit, Uebereinstimmung mit uns selbst, kann auch der kosende Ausdruck der Liebe zeigen.</p> <p>Ach! und wenn nun gar der Sinn des Schönen hinzu tritt! Doch! um diesen befriedigt zu fühlen, müssen die Liebenden selbst Formen an sich tragen, die der sichtbaren Anmuth fähig sind. Aber wenn sie diesen Vorzug wirklich besitzen; – o! des seltenen und vielleicht einzigen Genusses in seiner Art, sich mit der Geliebten zu einer Gruppe vereinigt anzuschauen, die von des Künstlers Hand in Marmor gebildet, schon jedem fremden Zuschauer Gefühle der Schönheit einflößen würde! Und nun gar diese Gruppe lebend; – und sich selbst in dieser Gruppe; – und liebend, und wiedergeliebt! – O Gedanke ohne Ausdruck!</p> <p>Doch! wo Ziererey hinzu tritt, die Anmaßung schöne Formen zu zeichnen hervorsticht, Eitelkeit überherrschend wird über Liebe; – fort mit dem widerlichen Anblick!</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [286/0286]
Daß aber dennoch der Sinn des Edeln über diesen Ausdruck vollkommener Liebe im Ganzen wache! Hütet euch, keinen Lucretz *) zu berechtigen, euern Liebkosungen den Vorwurf thierischer Wuth und eigennütziger Vorliebe für euer einseitiges Vergnügen zu machen. Der edlere Mensch wird auch hier aus seinem Charakter nicht heraus treten, und Wahrheit mit Würde zu vereinigen wissen! Der ernste Mann darf sich nicht wie das Kind geberden: das sanfte Weib nicht wie das muthwillige Mädchen. Förmlichkeit ist der wahren Liebe zuwider, aber eben so sehr widerspricht ihr Ausgelassenheit und Empfindeley. Harmonie, Schicklichkeit, Ordnung, Angemessenheit, Uebereinstimmung mit uns selbst, kann auch der kosende Ausdruck der Liebe zeigen.
Ach! und wenn nun gar der Sinn des Schönen hinzu tritt! Doch! um diesen befriedigt zu fühlen, müssen die Liebenden selbst Formen an sich tragen, die der sichtbaren Anmuth fähig sind. Aber wenn sie diesen Vorzug wirklich besitzen; – o! des seltenen und vielleicht einzigen Genusses in seiner Art, sich mit der Geliebten zu einer Gruppe vereinigt anzuschauen, die von des Künstlers Hand in Marmor gebildet, schon jedem fremden Zuschauer Gefühle der Schönheit einflößen würde! Und nun gar diese Gruppe lebend; – und sich selbst in dieser Gruppe; – und liebend, und wiedergeliebt! – O Gedanke ohne Ausdruck!
Doch! wo Ziererey hinzu tritt, die Anmaßung schöne Formen zu zeichnen hervorsticht, Eitelkeit überherrschend wird über Liebe; – fort mit dem widerlichen Anblick!
*) Et stimuli subsunt, qui instigant laedere id ipsum,
Quodcunque est, rabies unde illae germina surgunt.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |