Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Und dann tritt so leicht die Begeisterung hinzu, die aus dem Geliebten ein verkörpertes Bild der Vollkommenheit schafft! Wer kann vor seinen Augen schlecht handeln! Sein Beyfall ist eine hinreichende Belohnung für alle Aufopferungen, die wir der Tugend bringen, die Krone des Sieges, die wir über unsere Sinnlichkeit davon tragen! Endlich giebt die Achtung, welche die zusammengesetzte Person durch den vereinigten Adel der Denkungsart beyder Verbündeten bey allen Edeln im Volke erweckt, einen neuen Anreitz, nur dem Lobenswerthen nachzustreben!

Wer wird nicht gern mit Yorick ausrufen: "nie war meine Seele so sehr im Einklange mit der Tugend, als wenn ich liebte! Nach einer genauen Prüfung, die ich mit mir selbst angestellt habe, sind alle meine schlechten Handlungen in die Zeiten gefallen, worin mein Herz über Leere seufzte!" *)

Nicht mit Unrecht sagt Rousseau: **) "jene Begeisterung, welche die Liebe in ihrem Gefolge führt, bildet sich ein chimärisches Wesen aus dem geliebten Gegenstande. Aber opfern wir diesem Bilde nicht eben so wohl unsere Lieblingsschwächen auf? Füllen die Vorzüge, womit wir den Geliebten schmücken, darum weniger unser Herz? Suchen wir uns darum minder von unserm niedrigen Selbst loszuwickeln?"

Aber ach! meine Freunde! meine Freundinnen! ihr, die ihr so gern an Tugend glaubt, hütet euch, daß euch keine ränkevolle Buhlerin, kein listiger Wüstling, mit ihrem Scheine täusche! Worte, einzelne Handlungen,

*) Alexander's History of Woman T II. p. 142.
**) Emile L. V.

Und dann tritt so leicht die Begeisterung hinzu, die aus dem Geliebten ein verkörpertes Bild der Vollkommenheit schafft! Wer kann vor seinen Augen schlecht handeln! Sein Beyfall ist eine hinreichende Belohnung für alle Aufopferungen, die wir der Tugend bringen, die Krone des Sieges, die wir über unsere Sinnlichkeit davon tragen! Endlich giebt die Achtung, welche die zusammengesetzte Person durch den vereinigten Adel der Denkungsart beyder Verbündeten bey allen Edeln im Volke erweckt, einen neuen Anreitz, nur dem Lobenswerthen nachzustreben!

Wer wird nicht gern mit Yorick ausrufen: „nie war meine Seele so sehr im Einklange mit der Tugend, als wenn ich liebte! Nach einer genauen Prüfung, die ich mit mir selbst angestellt habe, sind alle meine schlechten Handlungen in die Zeiten gefallen, worin mein Herz über Leere seufzte!“ *)

Nicht mit Unrecht sagt Rousseau: **) „jene Begeisterung, welche die Liebe in ihrem Gefolge führt, bildet sich ein chimärisches Wesen aus dem geliebten Gegenstande. Aber opfern wir diesem Bilde nicht eben so wohl unsere Lieblingsschwächen auf? Füllen die Vorzüge, womit wir den Geliebten schmücken, darum weniger unser Herz? Suchen wir uns darum minder von unserm niedrigen Selbst loszuwickeln?“

Aber ach! meine Freunde! meine Freundinnen! ihr, die ihr so gern an Tugend glaubt, hütet euch, daß euch keine ränkevolle Buhlerin, kein listiger Wüstling, mit ihrem Scheine täusche! Worte, einzelne Handlungen,

*) Alexander’s History of Woman T II. p. 142.
**) Emile L. V.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0334" n="334"/>
          <p>Und dann tritt so leicht die Begeisterung hinzu, die aus dem Geliebten ein verkörpertes Bild der Vollkommenheit schafft! Wer kann vor seinen Augen schlecht handeln! Sein Beyfall ist eine hinreichende Belohnung für alle Aufopferungen, die wir der Tugend bringen, die Krone des Sieges, die wir über unsere Sinnlichkeit davon tragen! Endlich giebt die Achtung, welche die zusammengesetzte Person durch den vereinigten Adel der Denkungsart beyder Verbündeten bey allen Edeln im Volke erweckt, einen neuen Anreitz, nur dem Lobenswerthen nachzustreben!</p>
          <p>Wer wird nicht gern mit Yorick ausrufen: &#x201E;nie war meine Seele so sehr im Einklange mit der Tugend, als wenn ich liebte! Nach einer genauen Prüfung, die ich mit mir selbst angestellt habe, sind alle meine schlechten Handlungen in die Zeiten gefallen, worin mein Herz über Leere seufzte!&#x201C; <note place="foot" n="*)"><hi rendition="#aq">Alexander&#x2019;s History of Woman T II. p. 142.</hi></note></p>
          <p>Nicht mit Unrecht sagt Rousseau: <note place="foot" n="**)"><hi rendition="#aq">Emile L. V.</hi></note> &#x201E;jene Begeisterung, welche die Liebe in ihrem Gefolge führt, bildet sich ein chimärisches Wesen aus dem geliebten Gegenstande. Aber opfern wir diesem Bilde nicht eben so wohl unsere Lieblingsschwächen auf? Füllen die Vorzüge, womit wir den Geliebten schmücken, darum weniger unser Herz? Suchen wir uns darum minder von unserm niedrigen Selbst loszuwickeln?&#x201C;</p>
          <p>Aber ach! meine Freunde! meine Freundinnen! ihr, die ihr so gern an Tugend glaubt, hütet euch, daß euch keine ränkevolle Buhlerin, kein listiger Wüstling, mit ihrem Scheine täusche! Worte, einzelne Handlungen,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0334] Und dann tritt so leicht die Begeisterung hinzu, die aus dem Geliebten ein verkörpertes Bild der Vollkommenheit schafft! Wer kann vor seinen Augen schlecht handeln! Sein Beyfall ist eine hinreichende Belohnung für alle Aufopferungen, die wir der Tugend bringen, die Krone des Sieges, die wir über unsere Sinnlichkeit davon tragen! Endlich giebt die Achtung, welche die zusammengesetzte Person durch den vereinigten Adel der Denkungsart beyder Verbündeten bey allen Edeln im Volke erweckt, einen neuen Anreitz, nur dem Lobenswerthen nachzustreben! Wer wird nicht gern mit Yorick ausrufen: „nie war meine Seele so sehr im Einklange mit der Tugend, als wenn ich liebte! Nach einer genauen Prüfung, die ich mit mir selbst angestellt habe, sind alle meine schlechten Handlungen in die Zeiten gefallen, worin mein Herz über Leere seufzte!“ *) Nicht mit Unrecht sagt Rousseau: **) „jene Begeisterung, welche die Liebe in ihrem Gefolge führt, bildet sich ein chimärisches Wesen aus dem geliebten Gegenstande. Aber opfern wir diesem Bilde nicht eben so wohl unsere Lieblingsschwächen auf? Füllen die Vorzüge, womit wir den Geliebten schmücken, darum weniger unser Herz? Suchen wir uns darum minder von unserm niedrigen Selbst loszuwickeln?“ Aber ach! meine Freunde! meine Freundinnen! ihr, die ihr so gern an Tugend glaubt, hütet euch, daß euch keine ränkevolle Buhlerin, kein listiger Wüstling, mit ihrem Scheine täusche! Worte, einzelne Handlungen, *) Alexander’s History of Woman T II. p. 142. **) Emile L. V.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/334
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus02_1798/334>, abgerufen am 20.05.2024.