Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Zweyter Theil: Aesthetik der Liebe. Leipzig, 1798.gemeinschaftliche und doppelte Bund geschlossen wird, der Liebe und der Tugend ewig treu zu bleiben! Himmlischer Ausdruck des weiblichen Mundes, der euch unter Thränen beschwört, das Herz vor dem Vorwurfe zu retten, daß es einen Unwürdigen liebt! Heiliger Schwur des Mannes, der das Leben eher als die Tugend verlassen, und die erste lasterhafte Handlung als eine stillschweigende Entsagung auf das Recht geliebt zu werden, betrachtet wissen will! Wer mag die stolzen süßen Gefühle beschreiben, die den Liebenden das Bewußtseyn einflößt: sie sind tugendhafter durch Liebe, als sie es ohnedem seyn würden! Und gewiß, sie steht mit der Tugend in naher Verwandschaft! Durch sie wird das Herz weich und geöffnet für alle sympathetischen und geselligen Empfindungen, ohne deren freye Wirksamkeit sich keine Tugend denken läßt. Sie erweckt Mitleiden, Sanftheit, Duldung, Mittheilung, Uneigennützigkeit. Wenn wir lieben, sind wir überhaupt reitzbarer und empfindlicher gegen das Schicksal anderer. Es scheint, als ob wir besser fühlten, was der Antheil, das Wohlwollen des einen Menschen dem andern werth seyn könne. Ausgefüllt durch einen einzigen Gegenstand, auf dessen Beyfall wir den Werth unsers Wesens und Handelns beynahe allein zurückführen, legen wir weniger Gewicht auf die Befriedigung der Eitelkeit, des Ehrgeitzes und der Habsucht. Die Versagung dieser eigennützigen Neigungen macht uns minder bitter. Der Liebende ist genügsam in allem, was nicht die Vereinigung der Wesen befördert. So lange wir noch in einem Herzen herrschen, so lange scheint uns das Regiment der Welt, so wie ihr Besitz, ein entbehrlicher Vorzug. gemeinschaftliche und doppelte Bund geschlossen wird, der Liebe und der Tugend ewig treu zu bleiben! Himmlischer Ausdruck des weiblichen Mundes, der euch unter Thränen beschwört, das Herz vor dem Vorwurfe zu retten, daß es einen Unwürdigen liebt! Heiliger Schwur des Mannes, der das Leben eher als die Tugend verlassen, und die erste lasterhafte Handlung als eine stillschweigende Entsagung auf das Recht geliebt zu werden, betrachtet wissen will! Wer mag die stolzen süßen Gefühle beschreiben, die den Liebenden das Bewußtseyn einflößt: sie sind tugendhafter durch Liebe, als sie es ohnedem seyn würden! Und gewiß, sie steht mit der Tugend in naher Verwandschaft! Durch sie wird das Herz weich und geöffnet für alle sympathetischen und geselligen Empfindungen, ohne deren freye Wirksamkeit sich keine Tugend denken läßt. Sie erweckt Mitleiden, Sanftheit, Duldung, Mittheilung, Uneigennützigkeit. Wenn wir lieben, sind wir überhaupt reitzbarer und empfindlicher gegen das Schicksal anderer. Es scheint, als ob wir besser fühlten, was der Antheil, das Wohlwollen des einen Menschen dem andern werth seyn könne. Ausgefüllt durch einen einzigen Gegenstand, auf dessen Beyfall wir den Werth unsers Wesens und Handelns beynahe allein zurückführen, legen wir weniger Gewicht auf die Befriedigung der Eitelkeit, des Ehrgeitzes und der Habsucht. Die Versagung dieser eigennützigen Neigungen macht uns minder bitter. Der Liebende ist genügsam in allem, was nicht die Vereinigung der Wesen befördert. So lange wir noch in einem Herzen herrschen, so lange scheint uns das Regiment der Welt, so wie ihr Besitz, ein entbehrlicher Vorzug. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0333" n="333"/> gemeinschaftliche und doppelte Bund geschlossen wird, der Liebe und der Tugend ewig treu zu bleiben! Himmlischer Ausdruck des weiblichen Mundes, der euch unter Thränen beschwört, das Herz vor dem Vorwurfe zu retten, daß es einen Unwürdigen liebt! Heiliger Schwur des Mannes, der das Leben eher als die Tugend verlassen, und die erste lasterhafte Handlung als eine stillschweigende Entsagung auf das Recht geliebt zu werden, betrachtet wissen will!</p> <p>Wer mag die stolzen süßen Gefühle beschreiben, die den Liebenden das Bewußtseyn einflößt: sie sind tugendhafter durch Liebe, als sie es ohnedem seyn würden! Und gewiß, sie steht mit der Tugend in naher Verwandschaft! Durch sie wird das Herz weich und geöffnet für alle sympathetischen und geselligen Empfindungen, ohne deren freye Wirksamkeit sich keine Tugend denken läßt. Sie erweckt Mitleiden, Sanftheit, Duldung, Mittheilung, Uneigennützigkeit. Wenn wir lieben, sind wir überhaupt reitzbarer und empfindlicher gegen das Schicksal anderer. Es scheint, als ob wir besser fühlten, was der Antheil, das Wohlwollen des einen Menschen dem andern werth seyn könne. Ausgefüllt durch einen einzigen Gegenstand, auf dessen Beyfall wir den Werth unsers Wesens und Handelns beynahe allein zurückführen, legen wir weniger Gewicht auf die Befriedigung der Eitelkeit, des Ehrgeitzes und der Habsucht. Die Versagung dieser eigennützigen Neigungen macht uns minder bitter. Der Liebende ist genügsam in allem, was nicht die Vereinigung der Wesen befördert. So lange wir noch in einem Herzen herrschen, so lange scheint uns das Regiment der Welt, so wie ihr Besitz, ein entbehrlicher Vorzug.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [333/0333]
gemeinschaftliche und doppelte Bund geschlossen wird, der Liebe und der Tugend ewig treu zu bleiben! Himmlischer Ausdruck des weiblichen Mundes, der euch unter Thränen beschwört, das Herz vor dem Vorwurfe zu retten, daß es einen Unwürdigen liebt! Heiliger Schwur des Mannes, der das Leben eher als die Tugend verlassen, und die erste lasterhafte Handlung als eine stillschweigende Entsagung auf das Recht geliebt zu werden, betrachtet wissen will!
Wer mag die stolzen süßen Gefühle beschreiben, die den Liebenden das Bewußtseyn einflößt: sie sind tugendhafter durch Liebe, als sie es ohnedem seyn würden! Und gewiß, sie steht mit der Tugend in naher Verwandschaft! Durch sie wird das Herz weich und geöffnet für alle sympathetischen und geselligen Empfindungen, ohne deren freye Wirksamkeit sich keine Tugend denken läßt. Sie erweckt Mitleiden, Sanftheit, Duldung, Mittheilung, Uneigennützigkeit. Wenn wir lieben, sind wir überhaupt reitzbarer und empfindlicher gegen das Schicksal anderer. Es scheint, als ob wir besser fühlten, was der Antheil, das Wohlwollen des einen Menschen dem andern werth seyn könne. Ausgefüllt durch einen einzigen Gegenstand, auf dessen Beyfall wir den Werth unsers Wesens und Handelns beynahe allein zurückführen, legen wir weniger Gewicht auf die Befriedigung der Eitelkeit, des Ehrgeitzes und der Habsucht. Die Versagung dieser eigennützigen Neigungen macht uns minder bitter. Der Liebende ist genügsam in allem, was nicht die Vereinigung der Wesen befördert. So lange wir noch in einem Herzen herrschen, so lange scheint uns das Regiment der Welt, so wie ihr Besitz, ein entbehrlicher Vorzug.
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