Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Dieß vorausgesetzt, kann man die Begierden nach Verbindung solcher Körper, die äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, ihrer Organisation nach aber wirklich im Wohlverhältnisse der zärteren Organisation zur stärkeren stehen, unter keinem Volke in der Welt für bloße Folge einer Ausartung der Sinnlichkeit, oder für eine Verirrung der Natur erklären. Eine solche Lüsternheit ist nicht so wohl unnatürlich, d. h. den Gesetzen der physischen Natur widersprechend, als vernunftwidrig und unsittlich. Wir bemerken diesen physischen Zug verschieden organisierter Körper, die den äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, bereits bey Thieren; und unter den roheren Völkern, besonders bey den südlichen, ist er noch heut zu Tage so allgemein, daß man gar nicht daran zweifeln kann, daß nur Gründe, die außer den Gesetzen der Physik liegen, gewisse Menschen von dem Andringen ähnlicher Begierden völlig befreyen. Dieß ist der Fall bey den kultivierten Nationen des nördlichen Europa. Bey uns wird der Abscheu gegen die ersten Regungen solcher Lüste, die Religion, Gesetze, Vernunft und Anstand auf gleiche Weise verdammen, der Jugend so früh eingeflößt, daß unsre ohnehin minder reitzbare Natur gegen Anfälle einer solchen, eben so ekelhaften als verbotenen Sinnlichkeit, der Regel nach nicht einmahl anzukämpfen braucht. Wir sind daher berechtigt, die Beyspiele, die man von solchen Verhältnissen zwischen uns antrifft, für Ausschweifungen unsers physischen, durch seine genaue Verbindung mit dem moralischen besonders modificierten Wesens zu betrachten, und sie zu Verirrungen unserer einmahl so gebildeten Natur, oder zu Freveln zu zählen, welche die Verdorbenheit der Sitten nach sich zieht. Dieß vorausgesetzt, kann man die Begierden nach Verbindung solcher Körper, die äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, ihrer Organisation nach aber wirklich im Wohlverhältnisse der zärteren Organisation zur stärkeren stehen, unter keinem Volke in der Welt für bloße Folge einer Ausartung der Sinnlichkeit, oder für eine Verirrung der Natur erklären. Eine solche Lüsternheit ist nicht so wohl unnatürlich, d. h. den Gesetzen der physischen Natur widersprechend, als vernunftwidrig und unsittlich. Wir bemerken diesen physischen Zug verschieden organisierter Körper, die den äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, bereits bey Thieren; und unter den roheren Völkern, besonders bey den südlichen, ist er noch heut zu Tage so allgemein, daß man gar nicht daran zweifeln kann, daß nur Gründe, die außer den Gesetzen der Physik liegen, gewisse Menschen von dem Andringen ähnlicher Begierden völlig befreyen. Dieß ist der Fall bey den kultivierten Nationen des nördlichen Europa. Bey uns wird der Abscheu gegen die ersten Regungen solcher Lüste, die Religion, Gesetze, Vernunft und Anstand auf gleiche Weise verdammen, der Jugend so früh eingeflößt, daß unsre ohnehin minder reitzbare Natur gegen Anfälle einer solchen, eben so ekelhaften als verbotenen Sinnlichkeit, der Regel nach nicht einmahl anzukämpfen braucht. Wir sind daher berechtigt, die Beyspiele, die man von solchen Verhältnissen zwischen uns antrifft, für Ausschweifungen unsers physischen, durch seine genaue Verbindung mit dem moralischen besonders modificierten Wesens zu betrachten, und sie zu Verirrungen unserer einmahl so gebildeten Natur, oder zu Freveln zu zählen, welche die Verdorbenheit der Sitten nach sich zieht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0137" n="137"/> <p>Dieß vorausgesetzt, kann man die Begierden nach Verbindung solcher Körper, die äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, ihrer Organisation nach aber wirklich im Wohlverhältnisse der zärteren Organisation zur stärkeren stehen, unter keinem Volke in der Welt für bloße Folge einer Ausartung der Sinnlichkeit, oder für eine Verirrung der Natur erklären. Eine solche Lüsternheit ist nicht so wohl unnatürlich, d. h. den Gesetzen der physischen Natur widersprechend, als vernunftwidrig und unsittlich. Wir bemerken diesen physischen Zug verschieden organisierter Körper, die den äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, bereits bey Thieren; und unter den roheren Völkern, besonders bey den südlichen, ist er noch heut zu Tage so allgemein, daß man gar nicht daran zweifeln kann, daß nur Gründe, die außer den Gesetzen der Physik liegen, gewisse Menschen von dem Andringen ähnlicher Begierden völlig befreyen.</p> <p>Dieß ist der Fall bey den kultivierten Nationen des nördlichen Europa. Bey uns wird der Abscheu gegen die ersten Regungen solcher Lüste, die Religion, Gesetze, Vernunft und Anstand auf gleiche Weise verdammen, der Jugend so früh eingeflößt, daß unsre ohnehin minder reitzbare Natur gegen Anfälle einer solchen, eben so ekelhaften als verbotenen Sinnlichkeit, <hi rendition="#g">der Regel nach</hi> nicht einmahl anzukämpfen braucht. Wir sind daher berechtigt, die Beyspiele, die man von solchen Verhältnissen zwischen uns antrifft, für Ausschweifungen unsers physischen, durch seine genaue Verbindung mit dem moralischen besonders modificierten Wesens zu betrachten, und sie zu Verirrungen unserer einmahl so gebildeten Natur, oder zu Freveln zu zählen, welche die Verdorbenheit der Sitten nach sich zieht.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [137/0137]
Dieß vorausgesetzt, kann man die Begierden nach Verbindung solcher Körper, die äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, ihrer Organisation nach aber wirklich im Wohlverhältnisse der zärteren Organisation zur stärkeren stehen, unter keinem Volke in der Welt für bloße Folge einer Ausartung der Sinnlichkeit, oder für eine Verirrung der Natur erklären. Eine solche Lüsternheit ist nicht so wohl unnatürlich, d. h. den Gesetzen der physischen Natur widersprechend, als vernunftwidrig und unsittlich. Wir bemerken diesen physischen Zug verschieden organisierter Körper, die den äußern Kennzeichen nach zu einerley Geschlecht gehören, bereits bey Thieren; und unter den roheren Völkern, besonders bey den südlichen, ist er noch heut zu Tage so allgemein, daß man gar nicht daran zweifeln kann, daß nur Gründe, die außer den Gesetzen der Physik liegen, gewisse Menschen von dem Andringen ähnlicher Begierden völlig befreyen.
Dieß ist der Fall bey den kultivierten Nationen des nördlichen Europa. Bey uns wird der Abscheu gegen die ersten Regungen solcher Lüste, die Religion, Gesetze, Vernunft und Anstand auf gleiche Weise verdammen, der Jugend so früh eingeflößt, daß unsre ohnehin minder reitzbare Natur gegen Anfälle einer solchen, eben so ekelhaften als verbotenen Sinnlichkeit, der Regel nach nicht einmahl anzukämpfen braucht. Wir sind daher berechtigt, die Beyspiele, die man von solchen Verhältnissen zwischen uns antrifft, für Ausschweifungen unsers physischen, durch seine genaue Verbindung mit dem moralischen besonders modificierten Wesens zu betrachten, und sie zu Verirrungen unserer einmahl so gebildeten Natur, oder zu Freveln zu zählen, welche die Verdorbenheit der Sitten nach sich zieht.
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