Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Der Grieche war hingegen den Anfällen dieser Art von Lüsternheit sehr ausgesetzt. Man hat ihr erstes Erwachen in den Gymnasien aufgesucht. Cicero und Plutarch, beyde Schriftsteller aus spätern Zeiten, und mit Römischen Begriffen über Sittlichkeit und Anstand angefüllt, sind die Urheber dieser Meinung gewesen. Aber so sicher die gymnastischen Uebungen, wobey sich die entblößte Jugend unvorsichtigen Annäherungen aussetzte, zur Beförderung dieser Ausgelassenheit beygetragen haben mag; ihr erstes Entstehen liegt gewiß viel tiefer in der ursprünglichen Organisation dieses höchst reitzbaren und sinnlichen Volks, dessen älteste Sagen vor Gründung der Gymnastik bereits auf Knabenraub hinweisen. Ohnehin waren ja diese Ausschweifungen im südlichen Asien, wie uns die Bibel belehrt, von den ältesten Zeiten her im Schwange, obgleich hier an keine Gymnastik gedacht wurde. Und wenn auch dieser Grund das Entstehen der Männerliebe erklären könnte, wie würde er auf den Ursprung einer ähnlichen Ausgelassenheit unter den Weibern, weshalb besonders die Lesbischen bekannt waren, passen? So übereinstimmend diese Lüste mit der thierischen Natur des Menschen besonders in heißen Himmelsstrichen von jeher, nach meiner Ueberzeugung, gewesen sind; so früh haben doch gewiß diejenigen, die sich um die Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft und die sittliche Bildung des Menschen verdient gemacht haben, das Nachtheilige für die Population des Staats, das Verderbliche für das Wohl des einzelnen Menschen, und das Hinderliche eingesehen, welches aus solchen Ausschweifungen für das Glück der Ehen zu besorgen war. Unstreitig haben sie also sehr früh die Mißbilligung der Vernunft und des moralischen Gefühls auf sich gezogen. Aber nicht bey allen Der Grieche war hingegen den Anfällen dieser Art von Lüsternheit sehr ausgesetzt. Man hat ihr erstes Erwachen in den Gymnasien aufgesucht. Cicero und Plutarch, beyde Schriftsteller aus spätern Zeiten, und mit Römischen Begriffen über Sittlichkeit und Anstand angefüllt, sind die Urheber dieser Meinung gewesen. Aber so sicher die gymnastischen Uebungen, wobey sich die entblößte Jugend unvorsichtigen Annäherungen aussetzte, zur Beförderung dieser Ausgelassenheit beygetragen haben mag; ihr erstes Entstehen liegt gewiß viel tiefer in der ursprünglichen Organisation dieses höchst reitzbaren und sinnlichen Volks, dessen älteste Sagen vor Gründung der Gymnastik bereits auf Knabenraub hinweisen. Ohnehin waren ja diese Ausschweifungen im südlichen Asien, wie uns die Bibel belehrt, von den ältesten Zeiten her im Schwange, obgleich hier an keine Gymnastik gedacht wurde. Und wenn auch dieser Grund das Entstehen der Männerliebe erklären könnte, wie würde er auf den Ursprung einer ähnlichen Ausgelassenheit unter den Weibern, weshalb besonders die Lesbischen bekannt waren, passen? So übereinstimmend diese Lüste mit der thierischen Natur des Menschen besonders in heißen Himmelsstrichen von jeher, nach meiner Ueberzeugung, gewesen sind; so früh haben doch gewiß diejenigen, die sich um die Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft und die sittliche Bildung des Menschen verdient gemacht haben, das Nachtheilige für die Population des Staats, das Verderbliche für das Wohl des einzelnen Menschen, und das Hinderliche eingesehen, welches aus solchen Ausschweifungen für das Glück der Ehen zu besorgen war. 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Ohnehin waren ja diese Ausschweifungen im südlichen Asien, wie uns die Bibel belehrt, von den ältesten Zeiten her im Schwange, obgleich hier an keine Gymnastik gedacht wurde. Und wenn auch dieser Grund das Entstehen der Männerliebe erklären könnte, wie würde er auf den Ursprung einer ähnlichen Ausgelassenheit unter den Weibern, weshalb besonders die Lesbischen bekannt waren, passen?</p> <p>So übereinstimmend diese Lüste mit der thierischen Natur des Menschen besonders in heißen Himmelsstrichen von jeher, nach meiner Ueberzeugung, gewesen sind; so früh haben doch gewiß diejenigen, die sich um die Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft und die sittliche Bildung des Menschen verdient gemacht haben, das Nachtheilige für die Population des Staats, das Verderbliche für das Wohl des einzelnen Menschen, und das Hinderliche eingesehen, welches aus solchen Ausschweifungen für das Glück der Ehen zu besorgen war. 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Der Grieche war hingegen den Anfällen dieser Art von Lüsternheit sehr ausgesetzt. Man hat ihr erstes Erwachen in den Gymnasien aufgesucht. Cicero und Plutarch, beyde Schriftsteller aus spätern Zeiten, und mit Römischen Begriffen über Sittlichkeit und Anstand angefüllt, sind die Urheber dieser Meinung gewesen. Aber so sicher die gymnastischen Uebungen, wobey sich die entblößte Jugend unvorsichtigen Annäherungen aussetzte, zur Beförderung dieser Ausgelassenheit beygetragen haben mag; ihr erstes Entstehen liegt gewiß viel tiefer in der ursprünglichen Organisation dieses höchst reitzbaren und sinnlichen Volks, dessen älteste Sagen vor Gründung der Gymnastik bereits auf Knabenraub hinweisen. Ohnehin waren ja diese Ausschweifungen im südlichen Asien, wie uns die Bibel belehrt, von den ältesten Zeiten her im Schwange, obgleich hier an keine Gymnastik gedacht wurde. Und wenn auch dieser Grund das Entstehen der Männerliebe erklären könnte, wie würde er auf den Ursprung einer ähnlichen Ausgelassenheit unter den Weibern, weshalb besonders die Lesbischen bekannt waren, passen?
So übereinstimmend diese Lüste mit der thierischen Natur des Menschen besonders in heißen Himmelsstrichen von jeher, nach meiner Ueberzeugung, gewesen sind; so früh haben doch gewiß diejenigen, die sich um die Einrichtung der bürgerlichen Gesellschaft und die sittliche Bildung des Menschen verdient gemacht haben, das Nachtheilige für die Population des Staats, das Verderbliche für das Wohl des einzelnen Menschen, und das Hinderliche eingesehen, welches aus solchen Ausschweifungen für das Glück der Ehen zu besorgen war. Unstreitig haben sie also sehr früh die Mißbilligung der Vernunft und des moralischen Gefühls auf sich gezogen. Aber nicht bey allen
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