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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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von dem Liebhaber unterschieden, und worin auch Weibern diese Liebe beygelegt wird. Noch mehr erhellet dieß aus dem Ende der Rede, welche den Geliebten dem Liebhaber entgegenstellt, und ersterem zwar ein höheres Verdienst beylegt, weil seine Liebe nicht so wie die des Liebhabers durch gröbere Triebe unterstützt wird, diesem aber doch nicht allen Werth abspricht. Es folgt aber hieraus zugleich, daß Phädrus allerdings einen höhern Werth auf diejenige Liebe legt, die frey von der Ausgelassenheit der Sinne ist. 17)

17) Mehrere Ausleger haben sich daran gestoßen, daß Alceste gegen das Ende dieser Rede dem Achilles entgegengesetzt, und als Liebhaberin von ihm, als Geliebten, unterschieden wird. Einige haben geglaubt, die Worte: tes Alkesidos wären ein ungeschicktes Einschiebsel, das ganz weggestrichen werden müsse. Andere haben ihnen den Nahmen Orpheus substituirt; Allein mich dünkt, der Nahme Alceste muß stehen bleiben. Sie ist offenbar eine Liebhaberin in Vergleichung mit dem Achilles, welcher der Geliebte, der Begeisterte, war. Der Liebhaber heißt bey den Griechen offenbar derjenige, qui particeps est rei venereae voluptatum: bey dessen Anhänglichkeit gröbere Triebe zum Grunde liegen; und da dieß auf die Frau sowohl als auf den Mann zutrifft, so paßt dieser Nahme auch auf die erste. (Vergl. Xenophon im Gastmahle c. VIII. Nro. 21. den Phädrus des Plato, und dasjenige, was ich oben über den höhern Werth der Bruderliebe in Vergleichung mit der Gattenliebe, selbst bey dem Frauenzimmer, gesagt habe.) Alceste wird hier nicht im Gegensatze gegen den Admet die Liebhaberin genannt, sondern im Gegensatze gegen den Achilles. Dieser theilte die körperlichen Begierden nicht; bey ihm war die Aufopferung Folge reiner Begeisterung. Bey Alcesten war dieß der Fall keinesweges: ihre Aufopferung konnte mit auf Rechnung der Sinnlichkeit gesetzt werden. Es kann seyn, daß die Stelle auch ohne diesen Zusatz verständlich bleibt; aber sie

von dem Liebhaber unterschieden, und worin auch Weibern diese Liebe beygelegt wird. Noch mehr erhellet dieß aus dem Ende der Rede, welche den Geliebten dem Liebhaber entgegenstellt, und ersterem zwar ein höheres Verdienst beylegt, weil seine Liebe nicht so wie die des Liebhabers durch gröbere Triebe unterstützt wird, diesem aber doch nicht allen Werth abspricht. Es folgt aber hieraus zugleich, daß Phädrus allerdings einen höhern Werth auf diejenige Liebe legt, die frey von der Ausgelassenheit der Sinne ist. 17)

17) Mehrere Ausleger haben sich daran gestoßen, daß Alceste gegen das Ende dieser Rede dem Achilles entgegengesetzt, und als Liebhaberin von ihm, als Geliebten, unterschieden wird. Einige haben geglaubt, die Worte: τῆς Αλκήσιδος wären ein ungeschicktes Einschiebsel, das ganz weggestrichen werden müsse. Andere haben ihnen den Nahmen Orpheus substituirt; Allein mich dünkt, der Nahme Alceste muß stehen bleiben. Sie ist offenbar eine Liebhaberin in Vergleichung mit dem Achilles, welcher der Geliebte, der Begeisterte, war. Der Liebhaber heißt bey den Griechen offenbar derjenige, qui particeps est rei venereae voluptatum: bey dessen Anhänglichkeit gröbere Triebe zum Grunde liegen; und da dieß auf die Frau sowohl als auf den Mann zutrifft, so paßt dieser Nahme auch auf die erste. (Vergl. Xenophon im Gastmahle c. VIII. Nro. 21. den Phädrus des Plato, und dasjenige, was ich oben über den höhern Werth der Bruderliebe in Vergleichung mit der Gattenliebe, selbst bey dem Frauenzimmer, gesagt habe.) Alceste wird hier nicht im Gegensatze gegen den Admet die Liebhaberin genannt, sondern im Gegensatze gegen den Achilles. Dieser theilte die körperlichen Begierden nicht; bey ihm war die Aufopferung Folge reiner Begeisterung. Bey Alcesten war dieß der Fall keinesweges: ihre Aufopferung konnte mit auf Rechnung der Sinnlichkeit gesetzt werden. Es kann seyn, daß die Stelle auch ohne diesen Zusatz verständlich bleibt; aber sie
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von dem Liebhaber unterschieden, und worin auch Weibern diese Liebe beygelegt wird. Noch mehr erhellet dieß aus dem Ende der Rede, welche den Geliebten dem Liebhaber entgegenstellt, und ersterem zwar ein höheres Verdienst beylegt, weil seine Liebe nicht so wie die des Liebhabers durch gröbere Triebe unterstützt wird, diesem aber doch nicht allen Werth abspricht. Es folgt aber hieraus zugleich, daß Phädrus allerdings einen höhern Werth auf diejenige Liebe legt, die frey von der Ausgelassenheit der Sinne ist. <note xml:id="note-0191" next="note-0192" place="foot" n="17)">Mehrere Ausleger haben sich daran gestoßen, daß Alceste gegen das Ende dieser Rede dem Achilles entgegengesetzt, und als Liebhaberin von ihm, als Geliebten, unterschieden wird. Einige haben geglaubt, die Worte: <foreign xml:lang="grc">&#x03C4;&#x1FC6;&#x03C2; &#x0391;&#x03BB;&#x03BA;&#x03AE;&#x03C3;&#x03B9;&#x03B4;&#x03BF;&#x03C2;</foreign> wären ein ungeschicktes Einschiebsel, das ganz weggestrichen werden müsse. Andere haben ihnen den Nahmen <hi rendition="#g">Orpheus</hi> substituirt; Allein mich dünkt, der Nahme Alceste muß stehen bleiben. Sie ist offenbar eine Liebhaberin in Vergleichung mit dem Achilles, welcher der Geliebte, der Begeisterte, war. Der Liebhaber heißt bey den Griechen offenbar derjenige, <hi rendition="#aq">qui particeps est rei venereae voluptatum:</hi> bey dessen Anhänglichkeit gröbere Triebe zum Grunde liegen; und da dieß auf die Frau sowohl als auf den Mann zutrifft, so paßt dieser Nahme auch auf die erste. (Vergl. Xenophon im Gastmahle <hi rendition="#aq">c. VIII. Nro. 21.</hi> den Phädrus des Plato, und dasjenige, was ich oben über den höhern Werth der Bruderliebe in Vergleichung mit der Gattenliebe, selbst bey dem Frauenzimmer, gesagt habe.) Alceste wird hier nicht im Gegensatze gegen den Admet die Liebhaberin genannt, sondern im Gegensatze gegen den Achilles. Dieser theilte die körperlichen Begierden nicht; bey ihm war die Aufopferung Folge reiner Begeisterung. Bey Alcesten war dieß der Fall keinesweges: ihre Aufopferung konnte mit auf Rechnung der Sinnlichkeit gesetzt werden. Es kann seyn, daß die Stelle auch ohne diesen Zusatz verständlich bleibt; aber sie</note></p>
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[191/0191] von dem Liebhaber unterschieden, und worin auch Weibern diese Liebe beygelegt wird. Noch mehr erhellet dieß aus dem Ende der Rede, welche den Geliebten dem Liebhaber entgegenstellt, und ersterem zwar ein höheres Verdienst beylegt, weil seine Liebe nicht so wie die des Liebhabers durch gröbere Triebe unterstützt wird, diesem aber doch nicht allen Werth abspricht. Es folgt aber hieraus zugleich, daß Phädrus allerdings einen höhern Werth auf diejenige Liebe legt, die frey von der Ausgelassenheit der Sinne ist.  17) 17) Mehrere Ausleger haben sich daran gestoßen, daß Alceste gegen das Ende dieser Rede dem Achilles entgegengesetzt, und als Liebhaberin von ihm, als Geliebten, unterschieden wird. Einige haben geglaubt, die Worte: τῆς Αλκήσιδος wären ein ungeschicktes Einschiebsel, das ganz weggestrichen werden müsse. Andere haben ihnen den Nahmen Orpheus substituirt; Allein mich dünkt, der Nahme Alceste muß stehen bleiben. Sie ist offenbar eine Liebhaberin in Vergleichung mit dem Achilles, welcher der Geliebte, der Begeisterte, war. Der Liebhaber heißt bey den Griechen offenbar derjenige, qui particeps est rei venereae voluptatum: bey dessen Anhänglichkeit gröbere Triebe zum Grunde liegen; und da dieß auf die Frau sowohl als auf den Mann zutrifft, so paßt dieser Nahme auch auf die erste. (Vergl. Xenophon im Gastmahle c. VIII. Nro. 21. den Phädrus des Plato, und dasjenige, was ich oben über den höhern Werth der Bruderliebe in Vergleichung mit der Gattenliebe, selbst bey dem Frauenzimmer, gesagt habe.) Alceste wird hier nicht im Gegensatze gegen den Admet die Liebhaberin genannt, sondern im Gegensatze gegen den Achilles. Dieser theilte die körperlichen Begierden nicht; bey ihm war die Aufopferung Folge reiner Begeisterung. Bey Alcesten war dieß der Fall keinesweges: ihre Aufopferung konnte mit auf Rechnung der Sinnlichkeit gesetzt werden. Es kann seyn, daß die Stelle auch ohne diesen Zusatz verständlich bleibt; aber sie

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/191>, abgerufen am 26.11.2024.