Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

auch hier die ästhetische Veredlung der Liebe, auf die ich schon in den Gedichten des Tibulls aufmerksam gemacht habe, durch den vollkommensten Ausdruck eines für das Wohl des Andern sich aufopfernden Herzens! Ein Beyspiel dieser Art finde ich in dem Wunsche der Sulpicia, die Herstellung ihrer Gesundheit nicht wieder erhalten zu wollen, wenn sie dem Cerinth gleichgültig seyn sollte: 43) noch auffallender in der Bitte, die sie an die Götter richtet, den Jüngling wegen ihrer Krankheit zu beruhigen: 44) und in dem schönen Zuge von Reue, wenn sie ihrem Geliebten das Recht giebt, sie durch Kälte zu bestrafen, weil sie die Heftigkeit ihrer Leidenschaft durch willkührliche Trennung habe verbergen wollen. 45)

Es ist nicht möglich, Gefühle dieser Art zu lesen, ohne in unserer Seele Bilder ihres vollkommenen inneren Gehalts, mithin auch begeisternde Bilder aufsteigen zu sehen, welche dieser Liebe den Charakter des ästhetisch Edeln geben. Wie reitzend sind aber zugleich die Formen, worin diese ästhetisch edle Liebe eingekleidet, und dadurch zugleich verschönert wird! Ich führe statt aller Beyspiele nur eines nach der Uebersetzung des Herrn Manso an, obgleich die Schönheit des Originals nicht völlig erreicht ist:

Schutzgöttin Juno, nimm vom heiligen Altare
Des Weihrauchs süßen Duft aus deiner Freundin Hand!
Dein ist sie, dein: dir hat sie Stirn und Haare
So schön gekränzt, dir wallt ihr rosiges Gewand.
43) Carm. XI.
44) Carm. IV.
45) Carm. XII.

auch hier die ästhetische Veredlung der Liebe, auf die ich schon in den Gedichten des Tibulls aufmerksam gemacht habe, durch den vollkommensten Ausdruck eines für das Wohl des Andern sich aufopfernden Herzens! Ein Beyspiel dieser Art finde ich in dem Wunsche der Sulpicia, die Herstellung ihrer Gesundheit nicht wieder erhalten zu wollen, wenn sie dem Cerinth gleichgültig seyn sollte: 43) noch auffallender in der Bitte, die sie an die Götter richtet, den Jüngling wegen ihrer Krankheit zu beruhigen: 44) und in dem schönen Zuge von Reue, wenn sie ihrem Geliebten das Recht giebt, sie durch Kälte zu bestrafen, weil sie die Heftigkeit ihrer Leidenschaft durch willkührliche Trennung habe verbergen wollen. 45)

Es ist nicht möglich, Gefühle dieser Art zu lesen, ohne in unserer Seele Bilder ihres vollkommenen inneren Gehalts, mithin auch begeisternde Bilder aufsteigen zu sehen, welche dieser Liebe den Charakter des ästhetisch Edeln geben. Wie reitzend sind aber zugleich die Formen, worin diese ästhetisch edle Liebe eingekleidet, und dadurch zugleich verschönert wird! Ich führe statt aller Beyspiele nur eines nach der Uebersetzung des Herrn Manso an, obgleich die Schönheit des Originals nicht völlig erreicht ist:

Schutzgöttin Juno, nimm vom heiligen Altare
Des Weihrauchs süßen Duft aus deiner Freundin Hand!
Dein ist sie, dein: dir hat sie Stirn und Haare
So schön gekränzt, dir wallt ihr rosiges Gewand.
43) Carm. XI.
44) Carm. IV.
45) Carm. XII.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0329" n="329"/>
auch hier die ästhetische Veredlung der Liebe, auf die ich schon in den Gedichten des Tibulls aufmerksam gemacht habe, durch den vollkommensten Ausdruck eines für das Wohl des Andern sich aufopfernden Herzens! Ein Beyspiel dieser Art finde ich in dem Wunsche der Sulpicia, die Herstellung ihrer Gesundheit nicht wieder erhalten zu wollen, wenn sie dem Cerinth gleichgültig seyn sollte: <note place="foot" n="43)"><hi rendition="#aq">Carm. XI.</hi></note> noch auffallender in der Bitte, die sie an die Götter richtet, den Jüngling wegen ihrer Krankheit zu beruhigen: <note place="foot" n="44)"><hi rendition="#aq">Carm. IV.</hi></note> und in dem schönen Zuge von Reue, wenn sie ihrem Geliebten das Recht giebt, sie durch Kälte zu bestrafen, weil sie die Heftigkeit ihrer Leidenschaft durch willkührliche Trennung habe verbergen wollen. <note place="foot" n="45)"><hi rendition="#aq">Carm. XII.</hi></note></p>
          <p>Es ist nicht möglich, Gefühle dieser Art zu lesen, ohne in unserer Seele Bilder ihres vollkommenen inneren Gehalts, mithin auch begeisternde Bilder aufsteigen zu sehen, welche dieser Liebe den Charakter des ästhetisch Edeln geben. Wie reitzend sind aber zugleich die Formen, worin diese ästhetisch edle Liebe eingekleidet, und dadurch zugleich verschönert wird! Ich führe statt aller Beyspiele nur eines nach der Uebersetzung des Herrn Manso an, obgleich die Schönheit des Originals nicht völlig erreicht ist:</p>
          <lg type="poem">
            <l>Schutzgöttin Juno, nimm vom heiligen Altare<lb/></l>
            <l>Des Weihrauchs süßen Duft aus deiner Freundin Hand!<lb/></l>
            <l>Dein ist sie, dein: dir hat sie Stirn und Haare<lb/></l>
            <l>So schön gekränzt, dir wallt ihr rosiges Gewand.<lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0329] auch hier die ästhetische Veredlung der Liebe, auf die ich schon in den Gedichten des Tibulls aufmerksam gemacht habe, durch den vollkommensten Ausdruck eines für das Wohl des Andern sich aufopfernden Herzens! Ein Beyspiel dieser Art finde ich in dem Wunsche der Sulpicia, die Herstellung ihrer Gesundheit nicht wieder erhalten zu wollen, wenn sie dem Cerinth gleichgültig seyn sollte: 43) noch auffallender in der Bitte, die sie an die Götter richtet, den Jüngling wegen ihrer Krankheit zu beruhigen: 44) und in dem schönen Zuge von Reue, wenn sie ihrem Geliebten das Recht giebt, sie durch Kälte zu bestrafen, weil sie die Heftigkeit ihrer Leidenschaft durch willkührliche Trennung habe verbergen wollen. 45) Es ist nicht möglich, Gefühle dieser Art zu lesen, ohne in unserer Seele Bilder ihres vollkommenen inneren Gehalts, mithin auch begeisternde Bilder aufsteigen zu sehen, welche dieser Liebe den Charakter des ästhetisch Edeln geben. Wie reitzend sind aber zugleich die Formen, worin diese ästhetisch edle Liebe eingekleidet, und dadurch zugleich verschönert wird! Ich führe statt aller Beyspiele nur eines nach der Uebersetzung des Herrn Manso an, obgleich die Schönheit des Originals nicht völlig erreicht ist: Schutzgöttin Juno, nimm vom heiligen Altare Des Weihrauchs süßen Duft aus deiner Freundin Hand! Dein ist sie, dein: dir hat sie Stirn und Haare So schön gekränzt, dir wallt ihr rosiges Gewand. 43) Carm. XI. 44) Carm. IV. 45) Carm. XII.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/329
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/329>, abgerufen am 24.11.2024.