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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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und die Eintracht der Herzen gehörten mit zum Begriff des häuslichen Glücks.

Besonders merkwürdig ist der Umstand, daß Homer nicht nur einzelne Weiber sich im Kriege durch Heldenmuth auszeichnen, sondern auch einige an der Länderregierung Antheil nehmen läßt. Ein Beweis, daß er die Weiber einer Veredlung nach den damahligen Begriffen von Vollkommenheit fähig hielt, die höher ging, als diejenige war, wozu sie ihrer gewöhnlichen Erziehung nach ausgebildet wurden.

Neben diesen und andern Spuren einer Kultur der Begriffe über das Verhältniß der beyden Geschlechter zu einander, die ungefähr so weit reicht, als es irgend eine Nation unter den alten gebracht hat, zeigen sich andere, die auf eine große Rohheit schließen lassen. Dahin gehören die Heyrathen unter den Mitgliedern einer Familie, und besonders das Abkaufen und Abverdienen der Töchter, welche die Helden zu Gattinnen wählten. Selbst die heldenmüthigen Unternehmungen der Freyer, den Schwiegereltern Rinder zu erbeuten, oder sie von ihren Feinden zu befreyen, und dafür die Töchter zum Lohne zu erhalten, deuten mehr auf eine Aehnlichkeit mit den Sitten der Kamtschadalen, als mit denen der Ritterzeiten hin, wenn gleich diese letzten eine ähnliche Entstehungsart gehabt haben können. Zwar ward oft ein Heyrathsgut mitgegeben, aber dieß scheint nur eine Ausnahme gewesen zu seyn. Aus Wahl, aus Neigung wurden die Ehen der Regel nach nicht geschlossen, und die Braut kam oft zugleich in die erste Bekanntschaft und in den Besitz des Bräutigams. Selbst die Söhne hatten das Recht, ihre Mütter wieder zu verheyrathen, und nur der gute

und die Eintracht der Herzen gehörten mit zum Begriff des häuslichen Glücks.

Besonders merkwürdig ist der Umstand, daß Homer nicht nur einzelne Weiber sich im Kriege durch Heldenmuth auszeichnen, sondern auch einige an der Länderregierung Antheil nehmen läßt. Ein Beweis, daß er die Weiber einer Veredlung nach den damahligen Begriffen von Vollkommenheit fähig hielt, die höher ging, als diejenige war, wozu sie ihrer gewöhnlichen Erziehung nach ausgebildet wurden.

Neben diesen und andern Spuren einer Kultur der Begriffe über das Verhältniß der beyden Geschlechter zu einander, die ungefähr so weit reicht, als es irgend eine Nation unter den alten gebracht hat, zeigen sich andere, die auf eine große Rohheit schließen lassen. Dahin gehören die Heyrathen unter den Mitgliedern einer Familie, und besonders das Abkaufen und Abverdienen der Töchter, welche die Helden zu Gattinnen wählten. Selbst die heldenmüthigen Unternehmungen der Freyer, den Schwiegereltern Rinder zu erbeuten, oder sie von ihren Feinden zu befreyen, und dafür die Töchter zum Lohne zu erhalten, deuten mehr auf eine Aehnlichkeit mit den Sitten der Kamtschadalen, als mit denen der Ritterzeiten hin, wenn gleich diese letzten eine ähnliche Entstehungsart gehabt haben können. Zwar ward oft ein Heyrathsgut mitgegeben, aber dieß scheint nur eine Ausnahme gewesen zu seyn. Aus Wahl, aus Neigung wurden die Ehen der Regel nach nicht geschlossen, und die Braut kam oft zugleich in die erste Bekanntschaft und in den Besitz des Bräutigams. Selbst die Söhne hatten das Recht, ihre Mütter wieder zu verheyrathen, und nur der gute

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[34/0034] und die Eintracht der Herzen gehörten mit zum Begriff des häuslichen Glücks. Besonders merkwürdig ist der Umstand, daß Homer nicht nur einzelne Weiber sich im Kriege durch Heldenmuth auszeichnen, sondern auch einige an der Länderregierung Antheil nehmen läßt. Ein Beweis, daß er die Weiber einer Veredlung nach den damahligen Begriffen von Vollkommenheit fähig hielt, die höher ging, als diejenige war, wozu sie ihrer gewöhnlichen Erziehung nach ausgebildet wurden. Neben diesen und andern Spuren einer Kultur der Begriffe über das Verhältniß der beyden Geschlechter zu einander, die ungefähr so weit reicht, als es irgend eine Nation unter den alten gebracht hat, zeigen sich andere, die auf eine große Rohheit schließen lassen. Dahin gehören die Heyrathen unter den Mitgliedern einer Familie, und besonders das Abkaufen und Abverdienen der Töchter, welche die Helden zu Gattinnen wählten. Selbst die heldenmüthigen Unternehmungen der Freyer, den Schwiegereltern Rinder zu erbeuten, oder sie von ihren Feinden zu befreyen, und dafür die Töchter zum Lohne zu erhalten, deuten mehr auf eine Aehnlichkeit mit den Sitten der Kamtschadalen, als mit denen der Ritterzeiten hin, wenn gleich diese letzten eine ähnliche Entstehungsart gehabt haben können. Zwar ward oft ein Heyrathsgut mitgegeben, aber dieß scheint nur eine Ausnahme gewesen zu seyn. Aus Wahl, aus Neigung wurden die Ehen der Regel nach nicht geschlossen, und die Braut kam oft zugleich in die erste Bekanntschaft und in den Besitz des Bräutigams. Selbst die Söhne hatten das Recht, ihre Mütter wieder zu verheyrathen, und nur der gute

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 34. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/34>, abgerufen am 23.11.2024.