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Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

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"Laß mich nur ein Haar von deinem Kopfe nehmen. Dann wirst du mir Rosen geschenkt haben, die immer duften und nie ersterben." 9)

"Verlangst du meinen Tod, Grausamer! So nimm dein Schwert! Ich weigre mich nicht! Stoß zu. Ich bitte dich nur um eine Wunde." 10)

Der 50ste Brief übertrifft alle übrigen an abentheuerlichem und spielendem Witze.

"Vögel setzen sich in Nester, Fische in Felsenhöhlen, schöne Gestalten in Augen. Aber jene hausen nur auf kurze Zeit in dem eingenommenen Aufenthalte; die schöne Gestalt weicht niemahls aus dem ihrigen. So habe ich dich gleichfalls aufgenommen, und führe dich in dem Netze meiner Augen allenthalben mit mir herum. Gehe ich über Gras, so scheinst du daselbst zu weiden, und selbst die Steine, auf denen du sitzest, zu bewegen. Bin ich auf dem Meere, so steigst du wie eine Venus daraus hervor. Bin ich auf der Wiese, so ragst du über alle Blumen weg. Kein Gewächs ist dir ähnlich: denn so schön es erscheint, so dauert es doch nur einen Tag. Steh' ich am Flusse, so verschwindet er; du fließest an seiner Statt dahin: groß, schön, ansehnlicher als selbst das Meer! Seh' ich den Himmel an, so scheint mir die Sonne herabgefallen zu seyn, unter dir zu schweben, und du an ihrer Stelle zu leuchten. Kommt endlich die Nacht heran, so seh' ich zwey Sterne: den Hesperus und dich."

Ungefehr mit gleichen Ideen über die Verfeinerung der Liebe angefüllt, aber gezüchtigter in den Reitzen, die er von der Einbildungskraft und dem Witze für sie

9) 38ster Brief.
10) 41ster Brief.

„Laß mich nur ein Haar von deinem Kopfe nehmen. Dann wirst du mir Rosen geschenkt haben, die immer duften und nie ersterben.“ 9)

„Verlangst du meinen Tod, Grausamer! So nimm dein Schwert! Ich weigre mich nicht! Stoß zu. Ich bitte dich nur um eine Wunde.“ 10)

Der 50ste Brief übertrifft alle übrigen an abentheuerlichem und spielendem Witze.

„Vögel setzen sich in Nester, Fische in Felsenhöhlen, schöne Gestalten in Augen. Aber jene hausen nur auf kurze Zeit in dem eingenommenen Aufenthalte; die schöne Gestalt weicht niemahls aus dem ihrigen. So habe ich dich gleichfalls aufgenommen, und führe dich in dem Netze meiner Augen allenthalben mit mir herum. Gehe ich über Gras, so scheinst du daselbst zu weiden, und selbst die Steine, auf denen du sitzest, zu bewegen. Bin ich auf dem Meere, so steigst du wie eine Venus daraus hervor. Bin ich auf der Wiese, so ragst du über alle Blumen weg. Kein Gewächs ist dir ähnlich: denn so schön es erscheint, so dauert es doch nur einen Tag. Steh’ ich am Flusse, so verschwindet er; du fließest an seiner Statt dahin: groß, schön, ansehnlicher als selbst das Meer! Seh’ ich den Himmel an, so scheint mir die Sonne herabgefallen zu seyn, unter dir zu schweben, und du an ihrer Stelle zu leuchten. Kommt endlich die Nacht heran, so seh’ ich zwey Sterne: den Hesperus und dich.“

Ungefehr mit gleichen Ideen über die Verfeinerung der Liebe angefüllt, aber gezüchtigter in den Reitzen, die er von der Einbildungskraft und dem Witze für sie

9) 38ster Brief.
10) 41ster Brief.
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[358/0358] „Laß mich nur ein Haar von deinem Kopfe nehmen. Dann wirst du mir Rosen geschenkt haben, die immer duften und nie ersterben.“ 9) „Verlangst du meinen Tod, Grausamer! So nimm dein Schwert! Ich weigre mich nicht! Stoß zu. Ich bitte dich nur um eine Wunde.“ 10) Der 50ste Brief übertrifft alle übrigen an abentheuerlichem und spielendem Witze. „Vögel setzen sich in Nester, Fische in Felsenhöhlen, schöne Gestalten in Augen. Aber jene hausen nur auf kurze Zeit in dem eingenommenen Aufenthalte; die schöne Gestalt weicht niemahls aus dem ihrigen. So habe ich dich gleichfalls aufgenommen, und führe dich in dem Netze meiner Augen allenthalben mit mir herum. Gehe ich über Gras, so scheinst du daselbst zu weiden, und selbst die Steine, auf denen du sitzest, zu bewegen. Bin ich auf dem Meere, so steigst du wie eine Venus daraus hervor. Bin ich auf der Wiese, so ragst du über alle Blumen weg. Kein Gewächs ist dir ähnlich: denn so schön es erscheint, so dauert es doch nur einen Tag. Steh’ ich am Flusse, so verschwindet er; du fließest an seiner Statt dahin: groß, schön, ansehnlicher als selbst das Meer! Seh’ ich den Himmel an, so scheint mir die Sonne herabgefallen zu seyn, unter dir zu schweben, und du an ihrer Stelle zu leuchten. Kommt endlich die Nacht heran, so seh’ ich zwey Sterne: den Hesperus und dich.“ Ungefehr mit gleichen Ideen über die Verfeinerung der Liebe angefüllt, aber gezüchtigter in den Reitzen, die er von der Einbildungskraft und dem Witze für sie 9) 38ster Brief. 10) 41ster Brief.

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Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0301_1798/358>, abgerufen am 22.11.2024.