Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils erste Abtheilung: Aeltere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Flöte, die einen angenehmen Ton von sich giebt, wenn die Unschuld des verdächtigen Mädchens bewährt befunden wird. Auch öffnen sich dann die Thüren von selbst, und lassen die Jungfrau unverletzt heraus. Im umgekehrten Falle giebt die Flöte einen traurigen Ton von sich: die Thüren bleiben verschlossen, und wenn man sie einige Zeit darauf wieder öffnet, so ist die Flöte abgefallen, und das schuldige Mädchen verschwunden. Man denkt sich leicht, das Leucippe die Probe besteht. Melite muß auf Verlangen des Mannes sich einer andern Prüfung unterwerfen. Sie soll schwören, daß sie während der Abwesenheit ihres Mannes mit keinem andern zu thun gehabt habe, und dann zur Bestätigung dieses Schwurs in die Quelle des Styxes steigen. Bleibt das Wasser ruhig, so ist sie unschuldig: steigt es bis an den Hals, an dem sie eine Tafel mit der Inschrift des abgelegten Schwures trägt; - so ist sie meineidig. Melite, die sich bewußt ist, nicht während der Abwesenheit ihres Gatten, sondern erst nach seiner Wiederkunft, gegen die eheliche Treue angestoßen zu haben, unterwirft sich der Prüfung, und die Quelle ist gefällig genug, den Gedankenvorbehalt für gültig anzunehmen, und sie nicht zu verrathen. - Die Heirath des Clitophon und der Leucippe wird darauf geschlossen. Hier haben wir eine ganz andre Intrigue, als in den beyden vorher von mir angezeigten Liebesgeschichten: eine Intrigue, die sich mehr dem Gange der Komödie nähert. Das Ziel der Handlung, (gleichsam das Ilium, dessen Eroberung das Sujet der Epopoe ausmacht,) ist die Lösung des jungfräulichen Gürtels, nach geschlossener Ehe zwischen den beyden Liebenden. Sobald sie Flöte, die einen angenehmen Ton von sich giebt, wenn die Unschuld des verdächtigen Mädchens bewährt befunden wird. Auch öffnen sich dann die Thüren von selbst, und lassen die Jungfrau unverletzt heraus. Im umgekehrten Falle giebt die Flöte einen traurigen Ton von sich: die Thüren bleiben verschlossen, und wenn man sie einige Zeit darauf wieder öffnet, so ist die Flöte abgefallen, und das schuldige Mädchen verschwunden. Man denkt sich leicht, das Leucippe die Probe besteht. Melite muß auf Verlangen des Mannes sich einer andern Prüfung unterwerfen. Sie soll schwören, daß sie während der Abwesenheit ihres Mannes mit keinem andern zu thun gehabt habe, und dann zur Bestätigung dieses Schwurs in die Quelle des Styxes steigen. Bleibt das Wasser ruhig, so ist sie unschuldig: steigt es bis an den Hals, an dem sie eine Tafel mit der Inschrift des abgelegten Schwures trägt; – so ist sie meineidig. Melite, die sich bewußt ist, nicht während der Abwesenheit ihres Gatten, sondern erst nach seiner Wiederkunft, gegen die eheliche Treue angestoßen zu haben, unterwirft sich der Prüfung, und die Quelle ist gefällig genug, den Gedankenvorbehalt für gültig anzunehmen, und sie nicht zu verrathen. – Die Heirath des Clitophon und der Leucippe wird darauf geschlossen. Hier haben wir eine ganz andre Intrigue, als in den beyden vorher von mir angezeigten Liebesgeschichten: eine Intrigue, die sich mehr dem Gange der Komödie nähert. Das Ziel der Handlung, (gleichsam das Ilium, dessen Eroberung das Sujet der Epopoe ausmacht,) ist die Lösung des jungfräulichen Gürtels, nach geschlossener Ehe zwischen den beyden Liebenden. Sobald sie <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0398" n="398"/> Flöte, die einen angenehmen Ton von sich giebt, wenn die Unschuld des verdächtigen Mädchens bewährt befunden wird. Auch öffnen sich dann die Thüren von selbst, und lassen die Jungfrau unverletzt heraus. Im umgekehrten Falle giebt die Flöte einen traurigen Ton von sich: die Thüren bleiben verschlossen, und wenn man sie einige Zeit darauf wieder öffnet, so ist die Flöte abgefallen, und das schuldige Mädchen verschwunden. Man denkt sich leicht, das Leucippe die Probe besteht.</p> <p>Melite muß auf Verlangen des Mannes sich einer andern Prüfung unterwerfen. Sie soll schwören, daß sie während der Abwesenheit ihres Mannes mit keinem andern zu thun gehabt habe, und dann zur Bestätigung dieses Schwurs in die Quelle des Styxes steigen. Bleibt das Wasser ruhig, so ist sie unschuldig: steigt es bis an den Hals, an dem sie eine Tafel mit der Inschrift des abgelegten Schwures trägt; – so ist sie meineidig. Melite, die sich bewußt ist, nicht während der Abwesenheit ihres Gatten, sondern erst nach seiner Wiederkunft, gegen die eheliche Treue angestoßen zu haben, unterwirft sich der Prüfung, und die Quelle ist gefällig genug, den Gedankenvorbehalt für gültig anzunehmen, und sie nicht zu verrathen. –</p> <p>Die Heirath des Clitophon und der Leucippe wird darauf geschlossen.</p> <p>Hier haben wir eine ganz andre Intrigue, als in den beyden vorher von mir angezeigten Liebesgeschichten: eine Intrigue, die sich mehr dem Gange der Komödie nähert. Das Ziel der Handlung, (gleichsam das Ilium, dessen Eroberung das Sujet der Epopoe ausmacht,) ist die Lösung des jungfräulichen Gürtels, nach geschlossener Ehe zwischen den beyden Liebenden. Sobald sie </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [398/0398]
Flöte, die einen angenehmen Ton von sich giebt, wenn die Unschuld des verdächtigen Mädchens bewährt befunden wird. Auch öffnen sich dann die Thüren von selbst, und lassen die Jungfrau unverletzt heraus. Im umgekehrten Falle giebt die Flöte einen traurigen Ton von sich: die Thüren bleiben verschlossen, und wenn man sie einige Zeit darauf wieder öffnet, so ist die Flöte abgefallen, und das schuldige Mädchen verschwunden. Man denkt sich leicht, das Leucippe die Probe besteht.
Melite muß auf Verlangen des Mannes sich einer andern Prüfung unterwerfen. Sie soll schwören, daß sie während der Abwesenheit ihres Mannes mit keinem andern zu thun gehabt habe, und dann zur Bestätigung dieses Schwurs in die Quelle des Styxes steigen. Bleibt das Wasser ruhig, so ist sie unschuldig: steigt es bis an den Hals, an dem sie eine Tafel mit der Inschrift des abgelegten Schwures trägt; – so ist sie meineidig. Melite, die sich bewußt ist, nicht während der Abwesenheit ihres Gatten, sondern erst nach seiner Wiederkunft, gegen die eheliche Treue angestoßen zu haben, unterwirft sich der Prüfung, und die Quelle ist gefällig genug, den Gedankenvorbehalt für gültig anzunehmen, und sie nicht zu verrathen. –
Die Heirath des Clitophon und der Leucippe wird darauf geschlossen.
Hier haben wir eine ganz andre Intrigue, als in den beyden vorher von mir angezeigten Liebesgeschichten: eine Intrigue, die sich mehr dem Gange der Komödie nähert. Das Ziel der Handlung, (gleichsam das Ilium, dessen Eroberung das Sujet der Epopoe ausmacht,) ist die Lösung des jungfräulichen Gürtels, nach geschlossener Ehe zwischen den beyden Liebenden. Sobald sie
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-11-20T10:30:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |