Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.Wer erkennt hierin nicht jene Lüsternheit der Seele, die ich schon oft berührt habe, bey der die Lüsternheit des Körpers unstreitig mit wirksam ist, aber ohne daß diese sich durch gröbere Symptome und deutliche, bestimmte Begierden ankündigt! Diese Lüsternheit, vermischt mit dem Geschmack am traulichem Zusammenleben, und an der Verzärtelung von Seiten einer an Einsicht, Jahren und Stande über den Jüngling erhabenen Frau, erklärt das ganze Räthsel. Rousseau hat hier Leidenschaft empfunden. Aber freylich, keine Herzensliebe! Es war Begeisterung, Rausch der Imagination, der bald verschwand, und sich von einem ähnlichen späteren Zustande, in den ihm Madame d' H. versetzte, dadurch unterschied, daß in dem letzten Falle der Aufruhr der physischen Lüsternheit in deutliche Begierde nach Körpervereinigung überging, der in dem ersten nur seine Lebensgeister überhaupt erhöht hatte. Warum aber verhallete diese leidenschaftliche Stimmung so bald? Weil die Frau von Warens die Sache zu natürlich, zu gleichgültig, zu tändelnd nahm. Sie hätte dieser Leidenschaft nur Schwierigkeiten in den Weg legen mögen, oder sie wichtig behandeln können; sie würde zu einer dauernderen Flamme Nahrung gegeben haben. Aber sie betrachtete ihn als ein Kind, und seine Neigung als eine Kinderey. Rousseau ward bald zur Vernunft zurückgebracht, und eine Abwesenheit that das Uebrige. Jene arglose, unbefangene, tändelnde Behandlung, welche Rousseau von Madame de Warens erfuhr, verbunden mit dem Respekt, worin sie ihn demungeachtet zu halten wußte, schlug nun zugleich seine Begierden nach dem unnennbaren Genusse um so mehr nieder, als Wer erkennt hierin nicht jene Lüsternheit der Seele, die ich schon oft berührt habe, bey der die Lüsternheit des Körpers unstreitig mit wirksam ist, aber ohne daß diese sich durch gröbere Symptome und deutliche, bestimmte Begierden ankündigt! Diese Lüsternheit, vermischt mit dem Geschmack am traulichem Zusammenleben, und an der Verzärtelung von Seiten einer an Einsicht, Jahren und Stande über den Jüngling erhabenen Frau, erklärt das ganze Räthsel. Rousseau hat hier Leidenschaft empfunden. Aber freylich, keine Herzensliebe! Es war Begeisterung, Rausch der Imagination, der bald verschwand, und sich von einem ähnlichen späteren Zustande, in den ihm Madame d’ H. versetzte, dadurch unterschied, daß in dem letzten Falle der Aufruhr der physischen Lüsternheit in deutliche Begierde nach Körpervereinigung überging, der in dem ersten nur seine Lebensgeister überhaupt erhöht hatte. Warum aber verhallete diese leidenschaftliche Stimmung so bald? Weil die Frau von Warens die Sache zu natürlich, zu gleichgültig, zu tändelnd nahm. Sie hätte dieser Leidenschaft nur Schwierigkeiten in den Weg legen mögen, oder sie wichtig behandeln können; sie würde zu einer dauernderen Flamme Nahrung gegeben haben. Aber sie betrachtete ihn als ein Kind, und seine Neigung als eine Kinderey. Rousseau ward bald zur Vernunft zurückgebracht, und eine Abwesenheit that das Uebrige. Jene arglose, unbefangene, tändelnde Behandlung, welche Rousseau von Madame de Warens erfuhr, verbunden mit dem Respekt, worin sie ihn demungeachtet zu halten wußte, schlug nun zugleich seine Begierden nach dem unnennbaren Genusse um so mehr nieder, als <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0297" n="297"/> <p>Wer erkennt hierin nicht jene Lüsternheit der Seele, die ich schon oft berührt habe, bey der die Lüsternheit des Körpers unstreitig mit wirksam ist, aber ohne daß diese sich durch gröbere Symptome und deutliche, bestimmte Begierden ankündigt! Diese Lüsternheit, vermischt mit dem Geschmack am traulichem Zusammenleben, und an der Verzärtelung von Seiten <choice><sic>Verzärtelung einer</sic><corr>einer</corr></choice> an Einsicht, Jahren und Stande über den Jüngling erhabenen Frau, erklärt das ganze Räthsel. Rousseau hat hier Leidenschaft empfunden. Aber freylich, keine Herzensliebe! 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Wer erkennt hierin nicht jene Lüsternheit der Seele, die ich schon oft berührt habe, bey der die Lüsternheit des Körpers unstreitig mit wirksam ist, aber ohne daß diese sich durch gröbere Symptome und deutliche, bestimmte Begierden ankündigt! Diese Lüsternheit, vermischt mit dem Geschmack am traulichem Zusammenleben, und an der Verzärtelung von Seiten einer an Einsicht, Jahren und Stande über den Jüngling erhabenen Frau, erklärt das ganze Räthsel. Rousseau hat hier Leidenschaft empfunden. Aber freylich, keine Herzensliebe! Es war Begeisterung, Rausch der Imagination, der bald verschwand, und sich von einem ähnlichen späteren Zustande, in den ihm Madame d’ H. versetzte, dadurch unterschied, daß in dem letzten Falle der Aufruhr der physischen Lüsternheit in deutliche Begierde nach Körpervereinigung überging, der in dem ersten nur seine Lebensgeister überhaupt erhöht hatte.
Warum aber verhallete diese leidenschaftliche Stimmung so bald? Weil die Frau von Warens die Sache zu natürlich, zu gleichgültig, zu tändelnd nahm. Sie hätte dieser Leidenschaft nur Schwierigkeiten in den Weg legen mögen, oder sie wichtig behandeln können; sie würde zu einer dauernderen Flamme Nahrung gegeben haben. Aber sie betrachtete ihn als ein Kind, und seine Neigung als eine Kinderey. Rousseau ward bald zur Vernunft zurückgebracht, und eine Abwesenheit that das Uebrige.
Jene arglose, unbefangene, tändelnde Behandlung, welche Rousseau von Madame de Warens erfuhr, verbunden mit dem Respekt, worin sie ihn demungeachtet zu halten wußte, schlug nun zugleich seine Begierden nach dem unnennbaren Genusse um so mehr nieder, als
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