Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Verschiedene Stellen deuten auf einen Unterschied zwischen den Verbindungen mit vornehmern Damen und denen mit Weibern aus einer niedrigern Klasse hin. Guillaume de St. Gregory wirft in der schon angeführten Stelle die Frage auf: welche Personen den Vorzug in der Liebe verdienen, eine vornehme Dame, die gewisse Freuden ausnimmt, oder ein Frauenzimmer von gewöhnlichem Stande, das Alles, ohne Einschränkung hingiebt? Deudes de Prades sagt von sich: er sey in eine Dame verliebt, von einer Person aus dem Mittelstande geliebt, und er finde noch außerdem sein Vergnügen bey den Freudenmädchen. Peyrols rühmt sich seiner Weisheit, seinen Ehrgeitz beschränkt, und sich von einer vornehmen Dame zurückgezogen zu haben. Er findet sich weit behaglicher bey einer Frau von niedrigem Stande, die oft von ihrem Manne Schläge bekommt, und dann Trost in seinen Armen sucht.

Nur unter der eben angenommenen Voraussetzung, daß nehmlich jene edlere Liebe hauptsächlich zur Unterhaltung der Höfe diente, und den Stoff zu denjenigen Gedichten hergab, die unmittelbar an die Fürstinnen und an andere Damen von hohem Stande gerichtet waren, oder wenigstens als an sie gerichtet angesehen werden konnten, läßt sich die außerordentliche Verschiedenheit der Grundsätze in den Gedichten eines und des nehmlichen Troubadours erklären. Es mußte nehmlich in den verliebten Gedichten bald eine eigene Gattung von Situationen ausmachen, wenn der Dichter sich in die Stelle eines Liebhabers von geringem Herkommen setzte, der eine Dame von höherm

Verschiedene Stellen deuten auf einen Unterschied zwischen den Verbindungen mit vornehmern Damen und denen mit Weibern aus einer niedrigern Klasse hin. Guillaume de St. Gregory wirft in der schon angeführten Stelle die Frage auf: welche Personen den Vorzug in der Liebe verdienen, eine vornehme Dame, die gewisse Freuden ausnimmt, oder ein Frauenzimmer von gewöhnlichem Stande, das Alles, ohne Einschränkung hingiebt? Deudes de Prades sagt von sich: er sey in eine Dame verliebt, von einer Person aus dem Mittelstande geliebt, und er finde noch außerdem sein Vergnügen bey den Freudenmädchen. Peyrols rühmt sich seiner Weisheit, seinen Ehrgeitz beschränkt, und sich von einer vornehmen Dame zurückgezogen zu haben. Er findet sich weit behaglicher bey einer Frau von niedrigem Stande, die oft von ihrem Manne Schläge bekommt, und dann Trost in seinen Armen sucht.

Nur unter der eben angenommenen Voraussetzung, daß nehmlich jene edlere Liebe hauptsächlich zur Unterhaltung der Höfe diente, und den Stoff zu denjenigen Gedichten hergab, die unmittelbar an die Fürstinnen und an andere Damen von hohem Stande gerichtet waren, oder wenigstens als an sie gerichtet angesehen werden konnten, läßt sich die außerordentliche Verschiedenheit der Grundsätze in den Gedichten eines und des nehmlichen Troubadours erklären. Es mußte nehmlich in den verliebten Gedichten bald eine eigene Gattung von Situationen ausmachen, wenn der Dichter sich in die Stelle eines Liebhabers von geringem Herkommen setzte, der eine Dame von höherm

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0096" n="96"/>
          <p>Verschiedene Stellen deuten auf einen Unterschied zwischen den Verbindungen mit vornehmern Damen und denen mit Weibern aus einer niedrigern Klasse hin. <hi rendition="#aq">Guillaume de St. Gregory</hi> wirft in der schon angeführten Stelle die Frage auf: welche Personen den Vorzug in der Liebe verdienen, eine vornehme Dame, die gewisse Freuden ausnimmt, oder ein Frauenzimmer von gewöhnlichem Stande, das Alles, ohne Einschränkung hingiebt? <hi rendition="#aq">Deudes de Prades</hi> sagt von sich: er sey in eine Dame verliebt, von einer Person aus dem Mittelstande geliebt, und er finde noch außerdem sein Vergnügen bey den Freudenmädchen. <hi rendition="#aq">Peyrols</hi> rühmt sich seiner Weisheit, seinen Ehrgeitz beschränkt, und sich von einer vornehmen Dame zurückgezogen zu haben. Er findet sich weit behaglicher bey einer Frau von niedrigem Stande, die oft von ihrem Manne Schläge bekommt, und dann Trost in seinen Armen sucht.</p>
          <p>Nur unter der eben angenommenen Voraussetzung, daß nehmlich jene edlere Liebe hauptsächlich zur Unterhaltung der Höfe diente, und den Stoff zu denjenigen Gedichten hergab, die unmittelbar an die Fürstinnen und an andere Damen von hohem Stande gerichtet waren, oder wenigstens als an sie gerichtet angesehen werden konnten, läßt sich die außerordentliche Verschiedenheit der Grundsätze in den Gedichten eines und des nehmlichen Troubadours erklären. Es mußte nehmlich in den verliebten Gedichten bald eine eigene Gattung von Situationen ausmachen, wenn der Dichter sich in die Stelle eines Liebhabers von geringem Herkommen setzte, der eine Dame von höherm
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0096] Verschiedene Stellen deuten auf einen Unterschied zwischen den Verbindungen mit vornehmern Damen und denen mit Weibern aus einer niedrigern Klasse hin. Guillaume de St. Gregory wirft in der schon angeführten Stelle die Frage auf: welche Personen den Vorzug in der Liebe verdienen, eine vornehme Dame, die gewisse Freuden ausnimmt, oder ein Frauenzimmer von gewöhnlichem Stande, das Alles, ohne Einschränkung hingiebt? Deudes de Prades sagt von sich: er sey in eine Dame verliebt, von einer Person aus dem Mittelstande geliebt, und er finde noch außerdem sein Vergnügen bey den Freudenmädchen. Peyrols rühmt sich seiner Weisheit, seinen Ehrgeitz beschränkt, und sich von einer vornehmen Dame zurückgezogen zu haben. Er findet sich weit behaglicher bey einer Frau von niedrigem Stande, die oft von ihrem Manne Schläge bekommt, und dann Trost in seinen Armen sucht. Nur unter der eben angenommenen Voraussetzung, daß nehmlich jene edlere Liebe hauptsächlich zur Unterhaltung der Höfe diente, und den Stoff zu denjenigen Gedichten hergab, die unmittelbar an die Fürstinnen und an andere Damen von hohem Stande gerichtet waren, oder wenigstens als an sie gerichtet angesehen werden konnten, läßt sich die außerordentliche Verschiedenheit der Grundsätze in den Gedichten eines und des nehmlichen Troubadours erklären. Es mußte nehmlich in den verliebten Gedichten bald eine eigene Gattung von Situationen ausmachen, wenn der Dichter sich in die Stelle eines Liebhabers von geringem Herkommen setzte, der eine Dame von höherm

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-20T10:30:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-20T10:30:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-11-20T10:30:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.
  • Geviertstriche (—) wurden durch Halbgeviertstriche ersetzt (–).
  • Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als moderner Umlaut (ä, ö, ü) transkribiert.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/96
Zitationshilfe: Ramdohr, Basilius von: Venus Urania. Ueber die Natur der Liebe, über ihre Veredlung und Verschönerung. Dritten Theils zweyte Abtheilung: Neuere Geschichte der Geschlechtsverbindung und Liebe. Leipzig, 1798, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ramdohr_venus0302_1798/96>, abgerufen am 22.11.2024.