Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Kap. III. Politisch-kirchliche Verwickelungen. er ließ ihn dem Churfürsten von Sachsen noch besondersempfehlen: "man möchte seiner einmal bedürfen." Und seit- dem war die Wirkung Luthers von Tage zu Tage gewach- sen. Der Papst hatte ihn weder zu überzeugen noch zu schrek- ken, noch in seine Hände zu bekommen vermocht. Man glaube nicht, daß Leo die Gefahr mißkannte. Wie oft hat er die Talente, von denen er zu Rom umgeben war, auf diesen Kampfplatz zu ziehen versucht. Noch gab es aber auch ein anderes Mittel. So wie er, wenn er sich wider den Kaiser erklärte, zu fürchten hatte, eine so gefährliche Op- position beschützt und gefördert zu sehn, so konnte er hof- fen, wenn er sich mit ihm verbinde, mit seiner Hülfe auch die religiöse Neuerung zu unterdrücken. Auf dem Reichstag von Worms im J. 1521 ward Und nicht lange ließ sich der doppelseitige Erfolg die- Luther ward auf der Wartburg gefangen und verbor- 1) Man hielt Luther für todt; man erzählte, wie er von den
Päpstlichen ermordet worden sey. Pallavicini (Istoria del concilio di Trento I, c. 28) entnimmt aus den Briefen des Aleander, daß die Nuncien darüber in Lebensgefahr gerathen seyen. Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen. er ließ ihn dem Churfuͤrſten von Sachſen noch beſondersempfehlen: „man moͤchte ſeiner einmal beduͤrfen.“ Und ſeit- dem war die Wirkung Luthers von Tage zu Tage gewach- ſen. Der Papſt hatte ihn weder zu uͤberzeugen noch zu ſchrek- ken, noch in ſeine Haͤnde zu bekommen vermocht. Man glaube nicht, daß Leo die Gefahr mißkannte. Wie oft hat er die Talente, von denen er zu Rom umgeben war, auf dieſen Kampfplatz zu ziehen verſucht. Noch gab es aber auch ein anderes Mittel. So wie er, wenn er ſich wider den Kaiſer erklaͤrte, zu fuͤrchten hatte, eine ſo gefaͤhrliche Op- poſition beſchuͤtzt und gefoͤrdert zu ſehn, ſo konnte er hof- fen, wenn er ſich mit ihm verbinde, mit ſeiner Huͤlfe auch die religioͤſe Neuerung zu unterdruͤcken. Auf dem Reichstag von Worms im J. 1521 ward Und nicht lange ließ ſich der doppelſeitige Erfolg die- Luther ward auf der Wartburg gefangen und verbor- 1) Man hielt Luther fuͤr todt; man erzaͤhlte, wie er von den
Paͤpſtlichen ermordet worden ſey. Pallavicini (Istoria del concilio di Trento I, c. 28) entnimmt aus den Briefen des Aleander, daß die Nuncien daruͤber in Lebensgefahr gerathen ſeyen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0112" n="86"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Kap</hi>. <hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Politiſch-kirchliche Verwickelungen</hi>.</fw><lb/> er ließ ihn dem Churfuͤrſten von Sachſen noch beſonders<lb/> empfehlen: „man moͤchte ſeiner einmal beduͤrfen.“ Und ſeit-<lb/> dem war die Wirkung Luthers von Tage zu Tage gewach-<lb/> ſen. Der Papſt hatte ihn weder zu uͤberzeugen noch zu ſchrek-<lb/> ken, noch in ſeine Haͤnde zu bekommen vermocht. Man<lb/> glaube nicht, daß Leo die Gefahr mißkannte. Wie oft hat<lb/> er die Talente, von denen er zu Rom umgeben war, auf<lb/> dieſen Kampfplatz zu ziehen verſucht. Noch gab es aber auch<lb/> ein anderes Mittel. So wie er, wenn er ſich wider den<lb/> Kaiſer erklaͤrte, zu fuͤrchten hatte, eine ſo gefaͤhrliche Op-<lb/> poſition beſchuͤtzt und gefoͤrdert zu ſehn, ſo konnte er hof-<lb/> fen, wenn er ſich mit ihm verbinde, mit ſeiner Huͤlfe auch<lb/> die religioͤſe Neuerung zu unterdruͤcken.</p><lb/> <p>Auf dem Reichstag von Worms im J. 1521 ward<lb/> uͤber die politiſchen und religioͤſen Verhaͤltniſſe unterhan-<lb/> delt. Leo ſchloß mit Carl <hi rendition="#aq">V.</hi> einen Bund zur Wiederer-<lb/> oberung Mailands. Von dem nehmlichen Datum, von<lb/> welchem dieß Buͤndniß, iſt auch die Achtserklaͤrung, welche<lb/> uͤber Luther erging. Es moͤgen zu dieſer immerhin auch<lb/> noch andere Beweggruͤnde mitgewirkt haben: doch wird ſich<lb/> Niemand uͤberreden wollen, daß ſie nicht mit dem politi-<lb/> ſchen Tractat im naͤchſten Zuſammenhang geſtanden habe.</p><lb/> <p>Und nicht lange ließ ſich der doppelſeitige Erfolg die-<lb/> ſes Bundes erwarten.</p><lb/> <p>Luther ward auf der Wartburg gefangen und verbor-<lb/> gen gehalten <note place="foot" n="1)">Man hielt Luther fuͤr todt; man erzaͤhlte, wie er von den<lb/> Paͤpſtlichen ermordet worden ſey. Pallavicini (<hi rendition="#aq">Istoria del concilio<lb/> di Trento I, c.</hi> 28) entnimmt aus den Briefen des Aleander, daß<lb/> die Nuncien daruͤber in Lebensgefahr gerathen ſeyen.</note>. Die Italiener wollten ſogleich nicht glau-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [86/0112]
Kap. III. Politiſch-kirchliche Verwickelungen.
er ließ ihn dem Churfuͤrſten von Sachſen noch beſonders
empfehlen: „man moͤchte ſeiner einmal beduͤrfen.“ Und ſeit-
dem war die Wirkung Luthers von Tage zu Tage gewach-
ſen. Der Papſt hatte ihn weder zu uͤberzeugen noch zu ſchrek-
ken, noch in ſeine Haͤnde zu bekommen vermocht. Man
glaube nicht, daß Leo die Gefahr mißkannte. Wie oft hat
er die Talente, von denen er zu Rom umgeben war, auf
dieſen Kampfplatz zu ziehen verſucht. Noch gab es aber auch
ein anderes Mittel. So wie er, wenn er ſich wider den
Kaiſer erklaͤrte, zu fuͤrchten hatte, eine ſo gefaͤhrliche Op-
poſition beſchuͤtzt und gefoͤrdert zu ſehn, ſo konnte er hof-
fen, wenn er ſich mit ihm verbinde, mit ſeiner Huͤlfe auch
die religioͤſe Neuerung zu unterdruͤcken.
Auf dem Reichstag von Worms im J. 1521 ward
uͤber die politiſchen und religioͤſen Verhaͤltniſſe unterhan-
delt. Leo ſchloß mit Carl V. einen Bund zur Wiederer-
oberung Mailands. Von dem nehmlichen Datum, von
welchem dieß Buͤndniß, iſt auch die Achtserklaͤrung, welche
uͤber Luther erging. Es moͤgen zu dieſer immerhin auch
noch andere Beweggruͤnde mitgewirkt haben: doch wird ſich
Niemand uͤberreden wollen, daß ſie nicht mit dem politi-
ſchen Tractat im naͤchſten Zuſammenhang geſtanden habe.
Und nicht lange ließ ſich der doppelſeitige Erfolg die-
ſes Bundes erwarten.
Luther ward auf der Wartburg gefangen und verbor-
gen gehalten 1). Die Italiener wollten ſogleich nicht glau-
1) Man hielt Luther fuͤr todt; man erzaͤhlte, wie er von den
Paͤpſtlichen ermordet worden ſey. Pallavicini (Istoria del concilio
di Trento I, c. 28) entnimmt aus den Briefen des Aleander, daß
die Nuncien daruͤber in Lebensgefahr gerathen ſeyen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |