Kampf zu Ende zu bringen. Sie waren sämmtlich lutherisch gesinnt, er und seine Leute. Sie kamen den Kaiser am Papst zu rächen. Dessen Bundesbrüchigkeit hatte man ihnen als die Ursache alles Unheils, des fortdauernden Krieges der Christenheit, und des Glückes der Osmanen, die ebenda- mals Ungarn überwanden, dargestellt. "Komm' ich nach Rom," sagte Frundsberg, "so will ich den Papst henken."
Mit Besorgniß sieht man das Ungewitter aufsteigen, den Horizont einnehmen und heranziehen. Dieses Rom, so voll es mag seyn von Lastern, aber nicht minder von edlem Bestreben, Geist und Bildung, productiv, geschmückt mit unübertrefflichen Kunstwerken, wie sie die Welt nicht wieder hervorgebracht, einem Reichthum, durch das Ge- präge des Geistes geadelt, und von lebendiger Fortwir- kung, ist von dem Verderben bedroht. Wie sich die Mas- sen der Kaiserlichen gesammelt, zerstieben vor ihnen die ita- lienischen Schaaren: die einzige Armee, die es noch giebt, folgt ihnen von ferne. Der Kaiser, der sein Heer schon lange nicht bezahlen können, vermag ihm, wenn er auch will, keine andere Richtung zu geben. Es zieht einher unter den kaiserlichen Fahnen, doch folgt es seinem eige- nen stürmischen Antriebe. Der Papst hofft noch, unter- handelt, fügt sich, schließt ab: aber das einzige Mittel, das ihn retten kann -- das Heer mit dem Gelde zu befriedi- gen, das es fordern zu dürfen glaubt -- will er oder kann er nicht ergreifen. Wird man sich dann wenigstens mit den Waffen, die man hat, dem Feinde ernstlich entgegen- setzen? Viertausend Mann hätten hingereicht, die Pässe von Toscana zu schließen; jedoch macht man nicht ein-
Unter ClemensVII.
Kampf zu Ende zu bringen. Sie waren ſaͤmmtlich lutheriſch geſinnt, er und ſeine Leute. Sie kamen den Kaiſer am Papſt zu raͤchen. Deſſen Bundesbruͤchigkeit hatte man ihnen als die Urſache alles Unheils, des fortdauernden Krieges der Chriſtenheit, und des Gluͤckes der Osmanen, die ebenda- mals Ungarn uͤberwanden, dargeſtellt. „Komm’ ich nach Rom,“ ſagte Frundsberg, „ſo will ich den Papſt henken.“
Mit Beſorgniß ſieht man das Ungewitter aufſteigen, den Horizont einnehmen und heranziehen. Dieſes Rom, ſo voll es mag ſeyn von Laſtern, aber nicht minder von edlem Beſtreben, Geiſt und Bildung, productiv, geſchmuͤckt mit unuͤbertrefflichen Kunſtwerken, wie ſie die Welt nicht wieder hervorgebracht, einem Reichthum, durch das Ge- praͤge des Geiſtes geadelt, und von lebendiger Fortwir- kung, iſt von dem Verderben bedroht. Wie ſich die Maſ- ſen der Kaiſerlichen geſammelt, zerſtieben vor ihnen die ita- lieniſchen Schaaren: die einzige Armee, die es noch giebt, folgt ihnen von ferne. Der Kaiſer, der ſein Heer ſchon lange nicht bezahlen koͤnnen, vermag ihm, wenn er auch will, keine andere Richtung zu geben. Es zieht einher unter den kaiſerlichen Fahnen, doch folgt es ſeinem eige- nen ſtuͤrmiſchen Antriebe. Der Papſt hofft noch, unter- handelt, fuͤgt ſich, ſchließt ab: aber das einzige Mittel, das ihn retten kann — das Heer mit dem Gelde zu befriedi- gen, das es fordern zu duͤrfen glaubt — will er oder kann er nicht ergreifen. Wird man ſich dann wenigſtens mit den Waffen, die man hat, dem Feinde ernſtlich entgegen- ſetzen? Viertauſend Mann haͤtten hingereicht, die Paͤſſe von Toscana zu ſchließen; jedoch macht man nicht ein-
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Unter Clemens VII.
Kampf zu Ende zu bringen. Sie waren ſaͤmmtlich lutheriſch
geſinnt, er und ſeine Leute. Sie kamen den Kaiſer am Papſt
zu raͤchen. Deſſen Bundesbruͤchigkeit hatte man ihnen als
die Urſache alles Unheils, des fortdauernden Krieges der
Chriſtenheit, und des Gluͤckes der Osmanen, die ebenda-
mals Ungarn uͤberwanden, dargeſtellt. „Komm’ ich nach
Rom,“ ſagte Frundsberg, „ſo will ich den Papſt henken.“
Mit Beſorgniß ſieht man das Ungewitter aufſteigen,
den Horizont einnehmen und heranziehen. Dieſes Rom,
ſo voll es mag ſeyn von Laſtern, aber nicht minder von
edlem Beſtreben, Geiſt und Bildung, productiv, geſchmuͤckt
mit unuͤbertrefflichen Kunſtwerken, wie ſie die Welt nicht
wieder hervorgebracht, einem Reichthum, durch das Ge-
praͤge des Geiſtes geadelt, und von lebendiger Fortwir-
kung, iſt von dem Verderben bedroht. Wie ſich die Maſ-
ſen der Kaiſerlichen geſammelt, zerſtieben vor ihnen die ita-
lieniſchen Schaaren: die einzige Armee, die es noch giebt,
folgt ihnen von ferne. Der Kaiſer, der ſein Heer ſchon
lange nicht bezahlen koͤnnen, vermag ihm, wenn er auch
will, keine andere Richtung zu geben. Es zieht einher
unter den kaiſerlichen Fahnen, doch folgt es ſeinem eige-
nen ſtuͤrmiſchen Antriebe. Der Papſt hofft noch, unter-
handelt, fuͤgt ſich, ſchließt ab: aber das einzige Mittel, das
ihn retten kann — das Heer mit dem Gelde zu befriedi-
gen, das es fordern zu duͤrfen glaubt — will er oder kann
er nicht ergreifen. Wird man ſich dann wenigſtens mit
den Waffen, die man hat, dem Feinde ernſtlich entgegen-
ſetzen? Viertauſend Mann haͤtten hingereicht, die Paͤſſe
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/133>, abgerufen am 04.12.2024.
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