Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Ignatius Loyola. Bewußtseyn derselben, war bei der unergründlichen Tiefeeiner mit sich selber hadernden Seele auf dem gewöhnli- chen Wege, den die Kirche einschlug, niemals zu erfüllen. Auf sehr verschiedene Weise gingen sie aber aus diesem La- byrinth hervor. Luther gelangte zu der Lehre von der Ver- söhnung durch Christum ohne alle Werke; von diesem Punkte aus verstand er erst die Schrift, auf die er sich gewaltig stützte. Von Loyola finden wir nicht, daß er in der Schrift geforscht, daß das Dogma auf ihn Eindruck gemacht habe. Da er nur in inneren Regungen lebte, in Gedanken, die in ihm selbst entsprangen, so glaubte er die Eingebungen bald des guten bald des bösen Geistes zu er- fahren. Endlich ward er sich ihres Unterschiedes bewußt. Er fand ihn darin, daß sich die Seele von jenen erfreut und getröstet, von diesen ermüdet und geängstigt fühle 1). Eines Tages war es ihm als erwache er aus dem Traume. Er glaubte mit Händen zu greifen, daß alle seine Peinen Anfechtungen des Satans seyen. Er entschloß sich von Stunde an, über sein ganzes vergangenes Leben abzuschlie- ßen, diese Wunden nicht weiter aufzureißen, sie niemals wieder zu berühren. Es ist dieß nicht sowohl eine Beruhi- gung als ein Entschluß. Mehr eine Annahme, die man ergreift, weil man will, als eine Ueberzeugung, der man 1) Eine von seinen eigensten und ursprünglichsten Wahrneh-
mungen, deren Anfang er selbst auf seine Phantasien während der Krankheit zurückgeführt hat. In Manresa ward sie ihm zur Gewiß- heit. In den geistlichen Uebungen ist sie sehr ausgebildet. Man findet da ausführliche Regeln: ad motus animae quos diversi ex- citant spiritus discernendos ut boni solum admittantur et pellan- tur mali. Ignatius Loyola. Bewußtſeyn derſelben, war bei der unergruͤndlichen Tiefeeiner mit ſich ſelber hadernden Seele auf dem gewoͤhnli- chen Wege, den die Kirche einſchlug, niemals zu erfuͤllen. Auf ſehr verſchiedene Weiſe gingen ſie aber aus dieſem La- byrinth hervor. Luther gelangte zu der Lehre von der Ver- ſoͤhnung durch Chriſtum ohne alle Werke; von dieſem Punkte aus verſtand er erſt die Schrift, auf die er ſich gewaltig ſtuͤtzte. Von Loyola finden wir nicht, daß er in der Schrift geforſcht, daß das Dogma auf ihn Eindruck gemacht habe. Da er nur in inneren Regungen lebte, in Gedanken, die in ihm ſelbſt entſprangen, ſo glaubte er die Eingebungen bald des guten bald des boͤſen Geiſtes zu er- fahren. Endlich ward er ſich ihres Unterſchiedes bewußt. Er fand ihn darin, daß ſich die Seele von jenen erfreut und getroͤſtet, von dieſen ermuͤdet und geaͤngſtigt fuͤhle 1). Eines Tages war es ihm als erwache er aus dem Traume. Er glaubte mit Haͤnden zu greifen, daß alle ſeine Peinen Anfechtungen des Satans ſeyen. Er entſchloß ſich von Stunde an, uͤber ſein ganzes vergangenes Leben abzuſchlie- ßen, dieſe Wunden nicht weiter aufzureißen, ſie niemals wieder zu beruͤhren. Es iſt dieß nicht ſowohl eine Beruhi- gung als ein Entſchluß. Mehr eine Annahme, die man ergreift, weil man will, als eine Ueberzeugung, der man 1) Eine von ſeinen eigenſten und urſpruͤnglichſten Wahrneh-
mungen, deren Anfang er ſelbſt auf ſeine Phantaſien waͤhrend der Krankheit zuruͤckgefuͤhrt hat. In Manreſa ward ſie ihm zur Gewiß- heit. In den geiſtlichen Uebungen iſt ſie ſehr ausgebildet. Man findet da ausfuͤhrliche Regeln: ad motus animae quos diversi ex- citant spiritus discernendos ut boni solum admittantur et pellan- tur mali. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0209" n="183"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Ignatius Loyola</hi>.</fw><lb/> Bewußtſeyn derſelben, war bei der unergruͤndlichen Tiefe<lb/> einer mit ſich ſelber hadernden Seele auf dem gewoͤhnli-<lb/> chen Wege, den die Kirche einſchlug, niemals zu erfuͤllen.<lb/> Auf ſehr verſchiedene Weiſe gingen ſie aber aus dieſem La-<lb/> byrinth hervor. Luther gelangte zu der Lehre von der Ver-<lb/> ſoͤhnung durch Chriſtum ohne alle Werke; von dieſem<lb/> Punkte aus verſtand er erſt die Schrift, auf die er ſich<lb/> gewaltig ſtuͤtzte. Von Loyola finden wir nicht, daß er in<lb/> der Schrift geforſcht, daß das Dogma auf ihn Eindruck<lb/> gemacht habe. Da er nur in inneren Regungen lebte, in<lb/> Gedanken, die in ihm ſelbſt entſprangen, ſo glaubte er die<lb/> Eingebungen bald des guten bald des boͤſen Geiſtes zu er-<lb/> fahren. Endlich ward er ſich ihres Unterſchiedes bewußt.<lb/> Er fand ihn darin, daß ſich die Seele von jenen erfreut<lb/> und getroͤſtet, von dieſen ermuͤdet und geaͤngſtigt fuͤhle <note place="foot" n="1)">Eine von ſeinen eigenſten und urſpruͤnglichſten Wahrneh-<lb/> mungen, deren Anfang er ſelbſt auf ſeine Phantaſien waͤhrend der<lb/> Krankheit zuruͤckgefuͤhrt hat. In Manreſa ward ſie ihm zur Gewiß-<lb/> heit. In den geiſtlichen Uebungen iſt ſie ſehr ausgebildet. Man<lb/> findet da ausfuͤhrliche Regeln: <hi rendition="#aq">ad motus animae quos diversi ex-<lb/> citant spiritus discernendos ut boni solum admittantur et pellan-<lb/> tur mali.</hi></note>.<lb/> Eines Tages war es ihm als erwache er aus dem Traume.<lb/> Er glaubte mit Haͤnden zu greifen, daß alle ſeine Peinen<lb/> Anfechtungen des Satans ſeyen. Er entſchloß ſich von<lb/> Stunde an, uͤber ſein ganzes vergangenes Leben abzuſchlie-<lb/> ßen, dieſe Wunden nicht weiter aufzureißen, ſie niemals<lb/> wieder zu beruͤhren. Es iſt dieß nicht ſowohl eine Beruhi-<lb/> gung als ein Entſchluß. Mehr eine Annahme, die man<lb/> ergreift, weil man will, als eine Ueberzeugung, der man<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [183/0209]
Ignatius Loyola.
Bewußtſeyn derſelben, war bei der unergruͤndlichen Tiefe
einer mit ſich ſelber hadernden Seele auf dem gewoͤhnli-
chen Wege, den die Kirche einſchlug, niemals zu erfuͤllen.
Auf ſehr verſchiedene Weiſe gingen ſie aber aus dieſem La-
byrinth hervor. Luther gelangte zu der Lehre von der Ver-
ſoͤhnung durch Chriſtum ohne alle Werke; von dieſem
Punkte aus verſtand er erſt die Schrift, auf die er ſich
gewaltig ſtuͤtzte. Von Loyola finden wir nicht, daß er in
der Schrift geforſcht, daß das Dogma auf ihn Eindruck
gemacht habe. Da er nur in inneren Regungen lebte, in
Gedanken, die in ihm ſelbſt entſprangen, ſo glaubte er die
Eingebungen bald des guten bald des boͤſen Geiſtes zu er-
fahren. Endlich ward er ſich ihres Unterſchiedes bewußt.
Er fand ihn darin, daß ſich die Seele von jenen erfreut
und getroͤſtet, von dieſen ermuͤdet und geaͤngſtigt fuͤhle 1).
Eines Tages war es ihm als erwache er aus dem Traume.
Er glaubte mit Haͤnden zu greifen, daß alle ſeine Peinen
Anfechtungen des Satans ſeyen. Er entſchloß ſich von
Stunde an, uͤber ſein ganzes vergangenes Leben abzuſchlie-
ßen, dieſe Wunden nicht weiter aufzureißen, ſie niemals
wieder zu beruͤhren. Es iſt dieß nicht ſowohl eine Beruhi-
gung als ein Entſchluß. Mehr eine Annahme, die man
ergreift, weil man will, als eine Ueberzeugung, der man
1) Eine von ſeinen eigenſten und urſpruͤnglichſten Wahrneh-
mungen, deren Anfang er ſelbſt auf ſeine Phantaſien waͤhrend der
Krankheit zuruͤckgefuͤhrt hat. In Manreſa ward ſie ihm zur Gewiß-
heit. In den geiſtlichen Uebungen iſt ſie ſehr ausgebildet. Man
findet da ausfuͤhrliche Regeln: ad motus animae quos diversi ex-
citant spiritus discernendos ut boni solum admittantur et pellan-
tur mali.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |