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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch II. Regeneration des Katholicismus.
nicht genug gethan zu haben. Er wiederholte sie in Man-
resa; er trug vergessene Sünden nach; auch die geringsten
Kleinigkeiten suchte er auf; allein je mehr er grübelte, um
so peinlicher waren die Zweifel, die ihn befielen. Er meinte,
von Gott nicht angenommen, noch vor ihm gerechtfertigt
zu seyn. In dem Leben der Väter las er, Gott sey wohl
einmal durch Enthaltung von aller Speise erweicht und
gnädig zu seyn bewogen worden. Auch er enthielt sich
einst von einem Sonntag zum andern aller Lebensmittel.
Sein Beichtvater verbot es ihm, und er, der von nichts
in der Welt einen so hohen Begriff hatte wie von dem
Gehorsam, ließ darauf davon ab. Wohl war ihm dann
und wann, als werde seine Melancholie von ihm genom-
men, wie ein schweres Kleid von den Schultern fällt,
aber bald kehrten die alten Qualen zurück. Es schien
ihm, als habe sich sein ganzes Leben Sünde aus Sünde
fortgehend erzeugt. Zuweilen war er in Versuchung, sich
aus der Fenster-Oeffnung zu stürzen 1).

Unwillkührlich erinnert man sich hierbei des peinli-
chen Zustandes, in welchen Luther einige Jahre früher
durch sehr ähnliche Zweifel gerathen war. Die Forderung
der Religion, eine völlige Versöhnung mit Gott bis zum

1) Maffei, Ribadeneira, Orlandino und alle Anderen erzählen
diese Anfechtungen. Am meisten authentisch bleiben immer die Acten
die von Ignaz selbst herrühren: den Zustand, in dem er war, bezeich-
net z. B. folgende Stelle. Cum his cogitationibus agitaretur, ten-
tabatur saepe graviter magno cum impetu, ut magno ex foramine
quod in cellula erat sese dejiceret. Nec aberat foramen ab eo
loco ubi preces fundebat. Sed cum videret esse peccatum se
ipsum occidere rursus clamabat: domine non faciam quod te
offendat.

Buch II. Regeneration des Katholicismus.
nicht genug gethan zu haben. Er wiederholte ſie in Man-
reſa; er trug vergeſſene Suͤnden nach; auch die geringſten
Kleinigkeiten ſuchte er auf; allein je mehr er gruͤbelte, um
ſo peinlicher waren die Zweifel, die ihn befielen. Er meinte,
von Gott nicht angenommen, noch vor ihm gerechtfertigt
zu ſeyn. In dem Leben der Vaͤter las er, Gott ſey wohl
einmal durch Enthaltung von aller Speiſe erweicht und
gnaͤdig zu ſeyn bewogen worden. Auch er enthielt ſich
einſt von einem Sonntag zum andern aller Lebensmittel.
Sein Beichtvater verbot es ihm, und er, der von nichts
in der Welt einen ſo hohen Begriff hatte wie von dem
Gehorſam, ließ darauf davon ab. Wohl war ihm dann
und wann, als werde ſeine Melancholie von ihm genom-
men, wie ein ſchweres Kleid von den Schultern faͤllt,
aber bald kehrten die alten Qualen zuruͤck. Es ſchien
ihm, als habe ſich ſein ganzes Leben Suͤnde aus Suͤnde
fortgehend erzeugt. Zuweilen war er in Verſuchung, ſich
aus der Fenſter-Oeffnung zu ſtuͤrzen 1).

Unwillkuͤhrlich erinnert man ſich hierbei des peinli-
chen Zuſtandes, in welchen Luther einige Jahre fruͤher
durch ſehr aͤhnliche Zweifel gerathen war. Die Forderung
der Religion, eine voͤllige Verſoͤhnung mit Gott bis zum

1) Maffei, Ribadeneira, Orlandino und alle Anderen erzaͤhlen
dieſe Anfechtungen. Am meiſten authentiſch bleiben immer die Acten
die von Ignaz ſelbſt herruͤhren: den Zuſtand, in dem er war, bezeich-
net z. B. folgende Stelle. Cum his cogitationibus agitaretur, ten-
tabatur saepe graviter magno cum impetu, ut magno ex foramine
quod in cellula erat sese dejiceret. Nec aberat foramen ab eo
loco ubi preces fundebat. Sed cum videret esse peccatum se
ipsum occidere rursus clamabat: domine non faciam quod te
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[182/0208] Buch II. Regeneration des Katholicismus. nicht genug gethan zu haben. Er wiederholte ſie in Man- reſa; er trug vergeſſene Suͤnden nach; auch die geringſten Kleinigkeiten ſuchte er auf; allein je mehr er gruͤbelte, um ſo peinlicher waren die Zweifel, die ihn befielen. Er meinte, von Gott nicht angenommen, noch vor ihm gerechtfertigt zu ſeyn. In dem Leben der Vaͤter las er, Gott ſey wohl einmal durch Enthaltung von aller Speiſe erweicht und gnaͤdig zu ſeyn bewogen worden. Auch er enthielt ſich einſt von einem Sonntag zum andern aller Lebensmittel. Sein Beichtvater verbot es ihm, und er, der von nichts in der Welt einen ſo hohen Begriff hatte wie von dem Gehorſam, ließ darauf davon ab. Wohl war ihm dann und wann, als werde ſeine Melancholie von ihm genom- men, wie ein ſchweres Kleid von den Schultern faͤllt, aber bald kehrten die alten Qualen zuruͤck. Es ſchien ihm, als habe ſich ſein ganzes Leben Suͤnde aus Suͤnde fortgehend erzeugt. Zuweilen war er in Verſuchung, ſich aus der Fenſter-Oeffnung zu ſtuͤrzen 1). Unwillkuͤhrlich erinnert man ſich hierbei des peinli- chen Zuſtandes, in welchen Luther einige Jahre fruͤher durch ſehr aͤhnliche Zweifel gerathen war. Die Forderung der Religion, eine voͤllige Verſoͤhnung mit Gott bis zum 1) Maffei, Ribadeneira, Orlandino und alle Anderen erzaͤhlen dieſe Anfechtungen. Am meiſten authentiſch bleiben immer die Acten die von Ignaz ſelbſt herruͤhren: den Zuſtand, in dem er war, bezeich- net z. B. folgende Stelle. Cum his cogitationibus agitaretur, ten- tabatur saepe graviter magno cum impetu, ut magno ex foramine quod in cellula erat sese dejiceret. Nec aberat foramen ab eo loco ubi preces fundebat. Sed cum videret esse peccatum se ipsum occidere rursus clamabat: domine non faciam quod te offendat.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/208>, abgerufen am 24.11.2024.