Concilium, deren Ansichten hierüber mit den protestanti- schen Meinungen zusammenfielen. Der Erzbischof von Siena, der Bischof della Cava, Giulio Contarini, Bischof zu Belluno, und mit ihnen fünf Theologen schrieben die Rechtfertigung einzig und allein dem Verdienste Christi und dem Glauben zu. Liebe und Hoffnung erklärten sie für die Begleiterinnen, Werke für die Beweise des Glaubens; nichts weiter seyen sie: der Grund der Rechtfertigung aber allein der Glaube.
Wie war es zu denken, daß in einem Moment, in welchem Papst und Kaiser die Protestanten mit Gewalt der Waffen angriffen, sich die Grundansicht, von der sich deren ganzes Wesen herleitete, auf einem Concilium unter den Auspicien des Papstes und des Kaisers geltend machen sollte? Vergebens ermahnte Poole, nicht etwa eine Mei- nung nur deshalb zu verwerfen, weil sie von Luther be- hauptet worden. Allzuviel persönliche Erbitterungen knüpf- ten sich daran. Der Bischof della Cava und ein griechi- scher Mönch geriethen thätlich an einander. Ueber einen so unzweifelhaften Ausdruck einer protestantischen Meinung konnte es auf dem Concilium gar nicht einmal zu bedeutenden Discussionen kommen; diese galten, und schon dieß ist wichtig genug, nur der vermittelnden Meinung, wie sie Gaspar Contarini und seine Freunde aufgestellt.
Der Augustinergeneral, Seripando trug sie, doch nicht ohne die ausdrückliche Verwahrung vor, daß es nicht die Meinungen Luthers seyen, die er verfechte, vielmehr die Lehren der berühmtesten Gegner desselben, z. B. eines Pflug und Gropper. Er nahm eine doppelte Gerechtig-
Erſte Sitzungen d. tridentiniſchen Conciliums.
Concilium, deren Anſichten hieruͤber mit den proteſtanti- ſchen Meinungen zuſammenfielen. Der Erzbiſchof von Siena, der Biſchof della Cava, Giulio Contarini, Biſchof zu Belluno, und mit ihnen fuͤnf Theologen ſchrieben die Rechtfertigung einzig und allein dem Verdienſte Chriſti und dem Glauben zu. Liebe und Hoffnung erklaͤrten ſie fuͤr die Begleiterinnen, Werke fuͤr die Beweiſe des Glaubens; nichts weiter ſeyen ſie: der Grund der Rechtfertigung aber allein der Glaube.
Wie war es zu denken, daß in einem Moment, in welchem Papſt und Kaiſer die Proteſtanten mit Gewalt der Waffen angriffen, ſich die Grundanſicht, von der ſich deren ganzes Weſen herleitete, auf einem Concilium unter den Auſpicien des Papſtes und des Kaiſers geltend machen ſollte? Vergebens ermahnte Poole, nicht etwa eine Mei- nung nur deshalb zu verwerfen, weil ſie von Luther be- hauptet worden. Allzuviel perſoͤnliche Erbitterungen knuͤpf- ten ſich daran. Der Biſchof della Cava und ein griechi- ſcher Moͤnch geriethen thaͤtlich an einander. Ueber einen ſo unzweifelhaften Ausdruck einer proteſtantiſchen Meinung konnte es auf dem Concilium gar nicht einmal zu bedeutenden Discuſſionen kommen; dieſe galten, und ſchon dieß iſt wichtig genug, nur der vermittelnden Meinung, wie ſie Gaspar Contarini und ſeine Freunde aufgeſtellt.
Der Auguſtinergeneral, Seripando trug ſie, doch nicht ohne die ausdruͤckliche Verwahrung vor, daß es nicht die Meinungen Luthers ſeyen, die er verfechte, vielmehr die Lehren der beruͤhmteſten Gegner deſſelben, z. B. eines Pflug und Gropper. Er nahm eine doppelte Gerechtig-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0225"n="199"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Erſte Sitzungen d. tridentiniſchen Conciliums</hi>.</fw><lb/>
Concilium, deren Anſichten hieruͤber mit den proteſtanti-<lb/>ſchen Meinungen zuſammenfielen. Der Erzbiſchof von<lb/>
Siena, der Biſchof della Cava, Giulio Contarini, Biſchof<lb/>
zu Belluno, und mit ihnen fuͤnf Theologen ſchrieben die<lb/>
Rechtfertigung einzig und allein dem Verdienſte Chriſti und<lb/>
dem Glauben zu. Liebe und Hoffnung erklaͤrten ſie fuͤr die<lb/>
Begleiterinnen, Werke fuͤr die Beweiſe des Glaubens; nichts<lb/>
weiter ſeyen ſie: der Grund der Rechtfertigung aber allein<lb/>
der Glaube.</p><lb/><p>Wie war es zu denken, daß in einem Moment, in<lb/>
welchem Papſt und Kaiſer die Proteſtanten mit Gewalt<lb/>
der Waffen angriffen, ſich die Grundanſicht, von der ſich<lb/>
deren ganzes Weſen herleitete, auf einem Concilium unter<lb/>
den Auſpicien des Papſtes und des Kaiſers geltend machen<lb/>ſollte? Vergebens ermahnte Poole, nicht etwa eine Mei-<lb/>
nung nur deshalb zu verwerfen, weil ſie von Luther be-<lb/>
hauptet worden. Allzuviel perſoͤnliche Erbitterungen knuͤpf-<lb/>
ten ſich daran. Der Biſchof della Cava und ein griechi-<lb/>ſcher Moͤnch geriethen thaͤtlich an einander. Ueber einen<lb/>ſo unzweifelhaften Ausdruck einer proteſtantiſchen Meinung<lb/>
konnte es auf dem Concilium gar nicht einmal zu bedeutenden<lb/>
Discuſſionen kommen; dieſe galten, und ſchon dieß iſt<lb/>
wichtig genug, nur der vermittelnden Meinung, wie ſie<lb/>
Gaspar Contarini und ſeine Freunde aufgeſtellt.</p><lb/><p>Der Auguſtinergeneral, Seripando trug ſie, doch<lb/>
nicht ohne die ausdruͤckliche Verwahrung vor, daß es nicht<lb/>
die Meinungen Luthers ſeyen, die er verfechte, vielmehr<lb/>
die Lehren der beruͤhmteſten Gegner deſſelben, z. B. eines<lb/>
Pflug und Gropper. Er nahm eine doppelte Gerechtig-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[199/0225]
Erſte Sitzungen d. tridentiniſchen Conciliums.
Concilium, deren Anſichten hieruͤber mit den proteſtanti-
ſchen Meinungen zuſammenfielen. Der Erzbiſchof von
Siena, der Biſchof della Cava, Giulio Contarini, Biſchof
zu Belluno, und mit ihnen fuͤnf Theologen ſchrieben die
Rechtfertigung einzig und allein dem Verdienſte Chriſti und
dem Glauben zu. Liebe und Hoffnung erklaͤrten ſie fuͤr die
Begleiterinnen, Werke fuͤr die Beweiſe des Glaubens; nichts
weiter ſeyen ſie: der Grund der Rechtfertigung aber allein
der Glaube.
Wie war es zu denken, daß in einem Moment, in
welchem Papſt und Kaiſer die Proteſtanten mit Gewalt
der Waffen angriffen, ſich die Grundanſicht, von der ſich
deren ganzes Weſen herleitete, auf einem Concilium unter
den Auſpicien des Papſtes und des Kaiſers geltend machen
ſollte? Vergebens ermahnte Poole, nicht etwa eine Mei-
nung nur deshalb zu verwerfen, weil ſie von Luther be-
hauptet worden. Allzuviel perſoͤnliche Erbitterungen knuͤpf-
ten ſich daran. Der Biſchof della Cava und ein griechi-
ſcher Moͤnch geriethen thaͤtlich an einander. Ueber einen
ſo unzweifelhaften Ausdruck einer proteſtantiſchen Meinung
konnte es auf dem Concilium gar nicht einmal zu bedeutenden
Discuſſionen kommen; dieſe galten, und ſchon dieß iſt
wichtig genug, nur der vermittelnden Meinung, wie ſie
Gaspar Contarini und ſeine Freunde aufgeſtellt.
Der Auguſtinergeneral, Seripando trug ſie, doch
nicht ohne die ausdruͤckliche Verwahrung vor, daß es nicht
die Meinungen Luthers ſeyen, die er verfechte, vielmehr
die Lehren der beruͤhmteſten Gegner deſſelben, z. B. eines
Pflug und Gropper. Er nahm eine doppelte Gerechtig-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/225>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.