wie wir sehen, das Wesen der protestantischen Lehre beste- hen, und konnte von Anhängern derselben gebilligt werden -- fand diese Meinung lebhaften Widerspruch.
Caraffa, der sich ihr schon damals opponirt hatte, als sie in Regensburg verhandelt ward, saß auch jetzt un- ter den Cardinälen, welchen die Beaufsichtigung des triden- tinischen Conciliums anvertraut war. Er kam mit einer eignen Abhandlung über die Rechtfertigung hervor, in der er allen Meinungen dieser Art lebhaft widersprach 1). Ihm zur Seite erhoben sich bereits die Jesuiten. Salmeron und Lainez hatten sich das wohl ausgesonnene Vorrecht ver- schafft, daß jener zuerst, dieser zuletzt seine Meinung vor- zutragen hatte. Sie waren gelehrt, kräftig, in der Blüthe ihrer Jahre, voller Eifer. Von Ignatius angewiesen, nie einer Meinung beizupflichten, die sich im mindesten einer Neuerung nähere 2), widersetzten sie sich aus allen Kräften der Lehre Seripando's. Lainez erschien mehr mit einem Werke als mit einer Widerrede auf dem Kampfplatz. Er hatte den größten Theil der Theologen auf seiner Seite.
Jene Unterscheidung der Gerechtigkeiten ließen diese Gegner allenfalls gelten. Allein sie behaupteten, die im- putative Gerechtigkeit gehe in der inhärirenden auf; oder das Verdienst Christi werde den Menschen durch den Glau- ben unmittelbar zugewendet und mitgetheilt; man habe al- lerdings auf die Gerechtigkeit Christi zu bauen, aber nicht weil sie die unsere ergänze, sondern weil sie dieselbe her- vorbringe. Eben hierauf kam alles an. Bei den Ansich-
1)Bromato Vita di Paolo IV. Tom. II, p. 131.
2)Orlandinus VI, p. 127.
Erſte Sitzungen d. tridentiniſchen Conciliums.
wie wir ſehen, das Weſen der proteſtantiſchen Lehre beſte- hen, und konnte von Anhaͤngern derſelben gebilligt werden — fand dieſe Meinung lebhaften Widerſpruch.
Caraffa, der ſich ihr ſchon damals opponirt hatte, als ſie in Regensburg verhandelt ward, ſaß auch jetzt un- ter den Cardinaͤlen, welchen die Beaufſichtigung des triden- tiniſchen Conciliums anvertraut war. Er kam mit einer eignen Abhandlung uͤber die Rechtfertigung hervor, in der er allen Meinungen dieſer Art lebhaft widerſprach 1). Ihm zur Seite erhoben ſich bereits die Jeſuiten. Salmeron und Lainez hatten ſich das wohl ausgeſonnene Vorrecht ver- ſchafft, daß jener zuerſt, dieſer zuletzt ſeine Meinung vor- zutragen hatte. Sie waren gelehrt, kraͤftig, in der Bluͤthe ihrer Jahre, voller Eifer. Von Ignatius angewieſen, nie einer Meinung beizupflichten, die ſich im mindeſten einer Neuerung naͤhere 2), widerſetzten ſie ſich aus allen Kraͤften der Lehre Seripando’s. Lainez erſchien mehr mit einem Werke als mit einer Widerrede auf dem Kampfplatz. Er hatte den groͤßten Theil der Theologen auf ſeiner Seite.
Jene Unterſcheidung der Gerechtigkeiten ließen dieſe Gegner allenfalls gelten. Allein ſie behaupteten, die im- putative Gerechtigkeit gehe in der inhaͤrirenden auf; oder das Verdienſt Chriſti werde den Menſchen durch den Glau- ben unmittelbar zugewendet und mitgetheilt; man habe al- lerdings auf die Gerechtigkeit Chriſti zu bauen, aber nicht weil ſie die unſere ergaͤnze, ſondern weil ſie dieſelbe her- vorbringe. Eben hierauf kam alles an. Bei den Anſich-
1)Bromato Vita di Paolo IV. Tom. II, p. 131.
2)Orlandinus VI, p. 127.
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Erſte Sitzungen d. tridentiniſchen Conciliums.
wie wir ſehen, das Weſen der proteſtantiſchen Lehre beſte-
hen, und konnte von Anhaͤngern derſelben gebilligt werden
— fand dieſe Meinung lebhaften Widerſpruch.
Caraffa, der ſich ihr ſchon damals opponirt hatte,
als ſie in Regensburg verhandelt ward, ſaß auch jetzt un-
ter den Cardinaͤlen, welchen die Beaufſichtigung des triden-
tiniſchen Conciliums anvertraut war. Er kam mit einer
eignen Abhandlung uͤber die Rechtfertigung hervor, in der
er allen Meinungen dieſer Art lebhaft widerſprach 1). Ihm
zur Seite erhoben ſich bereits die Jeſuiten. Salmeron
und Lainez hatten ſich das wohl ausgeſonnene Vorrecht ver-
ſchafft, daß jener zuerſt, dieſer zuletzt ſeine Meinung vor-
zutragen hatte. Sie waren gelehrt, kraͤftig, in der Bluͤthe
ihrer Jahre, voller Eifer. Von Ignatius angewieſen, nie
einer Meinung beizupflichten, die ſich im mindeſten einer
Neuerung naͤhere 2), widerſetzten ſie ſich aus allen Kraͤften
der Lehre Seripando’s. Lainez erſchien mehr mit einem
Werke als mit einer Widerrede auf dem Kampfplatz. Er
hatte den groͤßten Theil der Theologen auf ſeiner Seite.
Jene Unterſcheidung der Gerechtigkeiten ließen dieſe
Gegner allenfalls gelten. Allein ſie behaupteten, die im-
putative Gerechtigkeit gehe in der inhaͤrirenden auf; oder
das Verdienſt Chriſti werde den Menſchen durch den Glau-
ben unmittelbar zugewendet und mitgetheilt; man habe al-
lerdings auf die Gerechtigkeit Chriſti zu bauen, aber nicht
weil ſie die unſere ergaͤnze, ſondern weil ſie dieſelbe her-
vorbringe. Eben hierauf kam alles an. Bei den Anſich-
1) Bromato Vita di Paolo IV. Tom. II, p. 131.
2) Orlandinus VI, p. 127.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/227>, abgerufen am 24.11.2024.
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