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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Kap. I. Epochen des Papstthums.

In einer Nation ward Christus geboren, die den Mo-
notheismus, den sie bekannte, zwar eben auch nur als ei-
nen nationalen Dienst dachte und mit einem abstoßenden
einseitigen Ritualgesetz umgeben hielt, die sich aber das
unermeßliche Verdienst erworben, ihn festzuhalten, sich ihn
nie entreißen zu lassen. Nun erst bekam derselbe seine volle
Bedeutung. Christus löste das Gesetz auf, indem er es
erfüllte; der Menschensohn erwies sich nach seinem Aus-
spruch als Herr auch des Sabbaths; er entfesselte den
ewigen Inhalt der von einem engen Verstand unbegriffe-
nen Formen. Aus dem Volke, das sich bisher von allen
andern abgesondert, erhob sich dann mit der Kraft der
Wahrheit ein Glaube, der sie alle einlud und aufnahm.
Es ward der allgemeine Gott verkündigt, der, wie Paulus
den Athenern predigte, der Menschen Geschlechter von Ei-
nem Blut über den Erdboden wohnen lassen. -- Für diese
erhabene Lehre war, wie wir sahen, eben der Zeitpunct
eingetreten: es gab ein Menschengeschlecht, sie zu fassen.
Wie ein Sonnenblick, sagt Eusebius 1), leuchtete sie über
die Erde dahin. In der That sehen wir sie in kurzer Zeit
von dem Euphrat bis an den Ebro, bis an den Rhein
und die Donau, über die gesammten Grenzen des Reiches
ausgebreitet.

So harmlos und unschuldig sie aber auch war, so
mußte sie doch der Natur der Sache nach in den bestehen-
den Diensten, die mit so vielen Interessen des Lebens ver-
bunden waren, den stärksten Widerstand finden. Ich will nur
Ein Moment anführen, das mir besonders wichtig scheint.


1) Hist. eccl. II, 3.
Kap. I. Epochen des Papſtthums.

In einer Nation ward Chriſtus geboren, die den Mo-
notheismus, den ſie bekannte, zwar eben auch nur als ei-
nen nationalen Dienſt dachte und mit einem abſtoßenden
einſeitigen Ritualgeſetz umgeben hielt, die ſich aber das
unermeßliche Verdienſt erworben, ihn feſtzuhalten, ſich ihn
nie entreißen zu laſſen. Nun erſt bekam derſelbe ſeine volle
Bedeutung. Chriſtus loͤſte das Geſetz auf, indem er es
erfuͤllte; der Menſchenſohn erwies ſich nach ſeinem Aus-
ſpruch als Herr auch des Sabbaths; er entfeſſelte den
ewigen Inhalt der von einem engen Verſtand unbegriffe-
nen Formen. Aus dem Volke, das ſich bisher von allen
andern abgeſondert, erhob ſich dann mit der Kraft der
Wahrheit ein Glaube, der ſie alle einlud und aufnahm.
Es ward der allgemeine Gott verkuͤndigt, der, wie Paulus
den Athenern predigte, der Menſchen Geſchlechter von Ei-
nem Blut uͤber den Erdboden wohnen laſſen. — Fuͤr dieſe
erhabene Lehre war, wie wir ſahen, eben der Zeitpunct
eingetreten: es gab ein Menſchengeſchlecht, ſie zu faſſen.
Wie ein Sonnenblick, ſagt Euſebius 1), leuchtete ſie uͤber
die Erde dahin. In der That ſehen wir ſie in kurzer Zeit
von dem Euphrat bis an den Ebro, bis an den Rhein
und die Donau, uͤber die geſammten Grenzen des Reiches
ausgebreitet.

So harmlos und unſchuldig ſie aber auch war, ſo
mußte ſie doch der Natur der Sache nach in den beſtehen-
den Dienſten, die mit ſo vielen Intereſſen des Lebens ver-
bunden waren, den ſtaͤrkſten Widerſtand finden. Ich will nur
Ein Moment anfuͤhren, das mir beſonders wichtig ſcheint.


1) Hist. eccl. II, 3.
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[6/0032] Kap. I. Epochen des Papſtthums. In einer Nation ward Chriſtus geboren, die den Mo- notheismus, den ſie bekannte, zwar eben auch nur als ei- nen nationalen Dienſt dachte und mit einem abſtoßenden einſeitigen Ritualgeſetz umgeben hielt, die ſich aber das unermeßliche Verdienſt erworben, ihn feſtzuhalten, ſich ihn nie entreißen zu laſſen. Nun erſt bekam derſelbe ſeine volle Bedeutung. Chriſtus loͤſte das Geſetz auf, indem er es erfuͤllte; der Menſchenſohn erwies ſich nach ſeinem Aus- ſpruch als Herr auch des Sabbaths; er entfeſſelte den ewigen Inhalt der von einem engen Verſtand unbegriffe- nen Formen. Aus dem Volke, das ſich bisher von allen andern abgeſondert, erhob ſich dann mit der Kraft der Wahrheit ein Glaube, der ſie alle einlud und aufnahm. Es ward der allgemeine Gott verkuͤndigt, der, wie Paulus den Athenern predigte, der Menſchen Geſchlechter von Ei- nem Blut uͤber den Erdboden wohnen laſſen. — Fuͤr dieſe erhabene Lehre war, wie wir ſahen, eben der Zeitpunct eingetreten: es gab ein Menſchengeſchlecht, ſie zu faſſen. Wie ein Sonnenblick, ſagt Euſebius 1), leuchtete ſie uͤber die Erde dahin. In der That ſehen wir ſie in kurzer Zeit von dem Euphrat bis an den Ebro, bis an den Rhein und die Donau, uͤber die geſammten Grenzen des Reiches ausgebreitet. So harmlos und unſchuldig ſie aber auch war, ſo mußte ſie doch der Natur der Sache nach in den beſtehen- den Dienſten, die mit ſo vielen Intereſſen des Lebens ver- bunden waren, den ſtaͤrkſten Widerſtand finden. Ich will nur Ein Moment anfuͤhren, das mir beſonders wichtig ſcheint. 1) Hist. eccl. II, 3.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/32>, abgerufen am 23.11.2024.