Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh. man den Papst kälter und kälter gegen ihn werden. Baldwar es dem Cardinal nicht mehr möglich, die Umgebungen seines Oheims zu beherrschen, und wie er bisher gethan, nur den ergebensten Freunden den Zutritt zu gestatten. Auch un- günstige Stimmen kamen dem Papst zu Ohren und moch- ten die widrigen Eindrücke früherer Zeiten wieder erwecken. Der Cardinal erkrankte einmal: der Papst besuchte ihn un- erwartet: er fand ein paar Leute von dem schlechtesten Rufe bei ihm. "Die Alten sind mißtrauisch," sagte er: "ich bin da Dinge gewahr worden, die mir ein weites Feld eröffneten." Wir sehen, es bedurfte nur einen Anlaß, um einen Sturm in ihm zu erregen. Ein übrigens unbedeu- tendes Ereigniß bot einen solchen dar. In der Neujahrs- nacht 1559 war ein Tumult auf der Straße vorgefallen, bei dem auch ein junger Cardinal, jener Liebling Julius III. Cl. Monte, den Degen gezogen hatte. Der Papst erfuhr es gleich am Morgen: er empfand es tief, als sein Neffe ihm kein Wort davon sagte; er wartete ein paar Tage: endlich sprach er seinen Verdruß aus. Der Hof, ohnehin auf jede Veränderung begierig, ergriff dieses Zeichen der Ungunst mit Begierde. Der florentinische Gesandte, der tausend Kränkungen von den Caraffas erfahren hatte, drang jetzt zu dem Papst hindurch und brachte die bittersten Be- schwerden vor. Die Marchesa della Valle, eine Verwandte, der man auch nie freien Zutritt gestatten wollen, fand Mit- tel, einen Zettel in das Brevier des Papstes legen zu lassen, auf dem einige Missethaten der Nepoten verzeichnet waren: "wünsche S. Heiligkeit noch nähere Aufklärung, so möge sie ihren Namen unterschreiben;" Paul unterschrieb und die Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. man den Papſt kaͤlter und kaͤlter gegen ihn werden. Baldwar es dem Cardinal nicht mehr moͤglich, die Umgebungen ſeines Oheims zu beherrſchen, und wie er bisher gethan, nur den ergebenſten Freunden den Zutritt zu geſtatten. Auch un- guͤnſtige Stimmen kamen dem Papſt zu Ohren und moch- ten die widrigen Eindruͤcke fruͤherer Zeiten wieder erwecken. Der Cardinal erkrankte einmal: der Papſt beſuchte ihn un- erwartet: er fand ein paar Leute von dem ſchlechteſten Rufe bei ihm. „Die Alten ſind mißtrauiſch,“ ſagte er: „ich bin da Dinge gewahr worden, die mir ein weites Feld eroͤffneten.“ Wir ſehen, es bedurfte nur einen Anlaß, um einen Sturm in ihm zu erregen. Ein uͤbrigens unbedeu- tendes Ereigniß bot einen ſolchen dar. In der Neujahrs- nacht 1559 war ein Tumult auf der Straße vorgefallen, bei dem auch ein junger Cardinal, jener Liebling Julius III. Cl. Monte, den Degen gezogen hatte. Der Papſt erfuhr es gleich am Morgen: er empfand es tief, als ſein Neffe ihm kein Wort davon ſagte; er wartete ein paar Tage: endlich ſprach er ſeinen Verdruß aus. Der Hof, ohnehin auf jede Veraͤnderung begierig, ergriff dieſes Zeichen der Ungunſt mit Begierde. Der florentiniſche Geſandte, der tauſend Kraͤnkungen von den Caraffas erfahren hatte, drang jetzt zu dem Papſt hindurch und brachte die bitterſten Be- ſchwerden vor. Die Marcheſa della Valle, eine Verwandte, der man auch nie freien Zutritt geſtatten wollen, fand Mit- tel, einen Zettel in das Brevier des Papſtes legen zu laſſen, auf dem einige Miſſethaten der Nepoten verzeichnet waren: „wuͤnſche S. Heiligkeit noch naͤhere Aufklaͤrung, ſo moͤge ſie ihren Namen unterſchreiben;“ Paul unterſchrieb und die <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0324" n="298"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#g">Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh</hi>.</fw><lb/> man den Papſt kaͤlter und kaͤlter gegen ihn werden. Bald<lb/> war es dem Cardinal nicht mehr moͤglich, die Umgebungen<lb/> ſeines Oheims zu beherrſchen, und wie er bisher gethan, nur<lb/> den ergebenſten Freunden den Zutritt zu geſtatten. Auch un-<lb/> guͤnſtige Stimmen kamen dem Papſt zu Ohren und moch-<lb/> ten die widrigen Eindruͤcke fruͤherer Zeiten wieder erwecken.<lb/> Der Cardinal erkrankte einmal: der Papſt beſuchte ihn un-<lb/> erwartet: er fand ein paar Leute von dem ſchlechteſten Rufe<lb/> bei ihm. „Die Alten ſind mißtrauiſch,“ ſagte er: „ich<lb/> bin da Dinge gewahr worden, die mir ein weites Feld<lb/> eroͤffneten.“ Wir ſehen, es bedurfte nur einen Anlaß, um<lb/> einen Sturm in ihm zu erregen. Ein uͤbrigens unbedeu-<lb/> tendes Ereigniß bot einen ſolchen dar. In der Neujahrs-<lb/> nacht 1559 war ein Tumult auf der Straße vorgefallen,<lb/> bei dem auch ein junger Cardinal, jener Liebling Julius <hi rendition="#aq">III.</hi><lb/> Cl. Monte, den Degen gezogen hatte. Der Papſt erfuhr<lb/> es gleich am Morgen: er empfand es tief, als ſein Neffe<lb/> ihm kein Wort davon ſagte; er wartete ein paar Tage:<lb/> endlich ſprach er ſeinen Verdruß aus. Der Hof, ohnehin<lb/> auf jede Veraͤnderung begierig, ergriff dieſes Zeichen der<lb/> Ungunſt mit Begierde. Der florentiniſche Geſandte, der<lb/> tauſend Kraͤnkungen von den Caraffas erfahren hatte, drang<lb/> jetzt zu dem Papſt hindurch und brachte die bitterſten Be-<lb/> ſchwerden vor. Die Marcheſa della Valle, eine Verwandte,<lb/> der man auch nie freien Zutritt geſtatten wollen, fand Mit-<lb/> tel, einen Zettel in das Brevier des Papſtes legen zu laſſen,<lb/> auf dem einige Miſſethaten der Nepoten verzeichnet waren:<lb/> „wuͤnſche S. Heiligkeit noch naͤhere Aufklaͤrung, ſo moͤge<lb/> ſie ihren Namen unterſchreiben;“ Paul unterſchrieb und die<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [298/0324]
Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
man den Papſt kaͤlter und kaͤlter gegen ihn werden. Bald
war es dem Cardinal nicht mehr moͤglich, die Umgebungen
ſeines Oheims zu beherrſchen, und wie er bisher gethan, nur
den ergebenſten Freunden den Zutritt zu geſtatten. Auch un-
guͤnſtige Stimmen kamen dem Papſt zu Ohren und moch-
ten die widrigen Eindruͤcke fruͤherer Zeiten wieder erwecken.
Der Cardinal erkrankte einmal: der Papſt beſuchte ihn un-
erwartet: er fand ein paar Leute von dem ſchlechteſten Rufe
bei ihm. „Die Alten ſind mißtrauiſch,“ ſagte er: „ich
bin da Dinge gewahr worden, die mir ein weites Feld
eroͤffneten.“ Wir ſehen, es bedurfte nur einen Anlaß, um
einen Sturm in ihm zu erregen. Ein uͤbrigens unbedeu-
tendes Ereigniß bot einen ſolchen dar. In der Neujahrs-
nacht 1559 war ein Tumult auf der Straße vorgefallen,
bei dem auch ein junger Cardinal, jener Liebling Julius III.
Cl. Monte, den Degen gezogen hatte. Der Papſt erfuhr
es gleich am Morgen: er empfand es tief, als ſein Neffe
ihm kein Wort davon ſagte; er wartete ein paar Tage:
endlich ſprach er ſeinen Verdruß aus. Der Hof, ohnehin
auf jede Veraͤnderung begierig, ergriff dieſes Zeichen der
Ungunſt mit Begierde. Der florentiniſche Geſandte, der
tauſend Kraͤnkungen von den Caraffas erfahren hatte, drang
jetzt zu dem Papſt hindurch und brachte die bitterſten Be-
ſchwerden vor. Die Marcheſa della Valle, eine Verwandte,
der man auch nie freien Zutritt geſtatten wollen, fand Mit-
tel, einen Zettel in das Brevier des Papſtes legen zu laſſen,
auf dem einige Miſſethaten der Nepoten verzeichnet waren:
„wuͤnſche S. Heiligkeit noch naͤhere Aufklaͤrung, ſo moͤge
ſie ihren Namen unterſchreiben;“ Paul unterſchrieb und die
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |