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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch III. Die Päpste um d. Mitte d. 16. Jahrh.
bieterischen Manieren des spanischen Botschafters Vargas.
Ungern läßt er sich mit Einzelnheiten überhäufen: sie ermü-
den ihn leicht: aber wenn man bei dem Allgemeinen, dem
Wichtigen stehen bleibt, findet man ihn immer wohlgelaunt
und leicht zu behandeln. Er ergießt sich dann in tausend
traulichen Versicherungen, wie er die Bösen von Herzen
hasse, von Natur die Gerechtigkeit liebe, Niemanden in
seiner Freiheit verletzen, Jedermann Güte und Freundlich-
keit beweisen wolle: besonders aber denke er für die Kirche
aus allen seinen Kräften zu wirken: er hoffe zu Gott, er
werde etwas Gutes vollbringen. Man wird sich ihn leb-
haft vergegenwärtigen können, einen wohlbeleibten alten
Mann, der indeß noch rührig genug ist, um vor Sonnen-
aufgang auf seinem Landhause anzukommen, mit heiterem
Gesicht und munterem Auge: Gespräch, Tafel und Scherz
vergnügen ihn; von einer Krankheit wieder hergestellt, die
man für gefährlich gehalten hat, setzt er sich sogleich zu
Pferde, reitet nach der Behausung, die er als Cardinal be-
wohnte, schreitet rüstig Treppe auf Treppe ab: nein, nein!
ruft er, wir wollen noch nicht sterben.

War nun aber auch ein solcher Papst, so lebenslustig
und weltlichgesinnt, dazu geeignet, die Kirche in der schwie-
rigen Lage, in der sie sich befand, zu verwalten? Mußte
man nicht fürchten, er werde von der kaum in den letzten
Zeiten seines Vorgängers eingeschlagenen Richtung wieder
abweichen? Seine Natur, ich will es nicht leugnen, mag
dahin geneigt haben, doch geschah es nicht.

Er für seine Person hatte kein Wohlgefallen an der
Inquisition; er tadelte die mönchische Härte des Verfah-

Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh.
bieteriſchen Manieren des ſpaniſchen Botſchafters Vargas.
Ungern laͤßt er ſich mit Einzelnheiten uͤberhaͤufen: ſie ermuͤ-
den ihn leicht: aber wenn man bei dem Allgemeinen, dem
Wichtigen ſtehen bleibt, findet man ihn immer wohlgelaunt
und leicht zu behandeln. Er ergießt ſich dann in tauſend
traulichen Verſicherungen, wie er die Boͤſen von Herzen
haſſe, von Natur die Gerechtigkeit liebe, Niemanden in
ſeiner Freiheit verletzen, Jedermann Guͤte und Freundlich-
keit beweiſen wolle: beſonders aber denke er fuͤr die Kirche
aus allen ſeinen Kraͤften zu wirken: er hoffe zu Gott, er
werde etwas Gutes vollbringen. Man wird ſich ihn leb-
haft vergegenwaͤrtigen koͤnnen, einen wohlbeleibten alten
Mann, der indeß noch ruͤhrig genug iſt, um vor Sonnen-
aufgang auf ſeinem Landhauſe anzukommen, mit heiterem
Geſicht und munterem Auge: Geſpraͤch, Tafel und Scherz
vergnuͤgen ihn; von einer Krankheit wieder hergeſtellt, die
man fuͤr gefaͤhrlich gehalten hat, ſetzt er ſich ſogleich zu
Pferde, reitet nach der Behauſung, die er als Cardinal be-
wohnte, ſchreitet ruͤſtig Treppe auf Treppe ab: nein, nein!
ruft er, wir wollen noch nicht ſterben.

War nun aber auch ein ſolcher Papſt, ſo lebensluſtig
und weltlichgeſinnt, dazu geeignet, die Kirche in der ſchwie-
rigen Lage, in der ſie ſich befand, zu verwalten? Mußte
man nicht fuͤrchten, er werde von der kaum in den letzten
Zeiten ſeines Vorgaͤngers eingeſchlagenen Richtung wieder
abweichen? Seine Natur, ich will es nicht leugnen, mag
dahin geneigt haben, doch geſchah es nicht.

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[318/0344] Buch III. Die Paͤpſte um d. Mitte d. 16. Jahrh. bieteriſchen Manieren des ſpaniſchen Botſchafters Vargas. Ungern laͤßt er ſich mit Einzelnheiten uͤberhaͤufen: ſie ermuͤ- den ihn leicht: aber wenn man bei dem Allgemeinen, dem Wichtigen ſtehen bleibt, findet man ihn immer wohlgelaunt und leicht zu behandeln. Er ergießt ſich dann in tauſend traulichen Verſicherungen, wie er die Boͤſen von Herzen haſſe, von Natur die Gerechtigkeit liebe, Niemanden in ſeiner Freiheit verletzen, Jedermann Guͤte und Freundlich- keit beweiſen wolle: beſonders aber denke er fuͤr die Kirche aus allen ſeinen Kraͤften zu wirken: er hoffe zu Gott, er werde etwas Gutes vollbringen. Man wird ſich ihn leb- haft vergegenwaͤrtigen koͤnnen, einen wohlbeleibten alten Mann, der indeß noch ruͤhrig genug iſt, um vor Sonnen- aufgang auf ſeinem Landhauſe anzukommen, mit heiterem Geſicht und munterem Auge: Geſpraͤch, Tafel und Scherz vergnuͤgen ihn; von einer Krankheit wieder hergeſtellt, die man fuͤr gefaͤhrlich gehalten hat, ſetzt er ſich ſogleich zu Pferde, reitet nach der Behauſung, die er als Cardinal be- wohnte, ſchreitet ruͤſtig Treppe auf Treppe ab: nein, nein! ruft er, wir wollen noch nicht ſterben. War nun aber auch ein ſolcher Papſt, ſo lebensluſtig und weltlichgeſinnt, dazu geeignet, die Kirche in der ſchwie- rigen Lage, in der ſie ſich befand, zu verwalten? Mußte man nicht fuͤrchten, er werde von der kaum in den letzten Zeiten ſeines Vorgaͤngers eingeſchlagenen Richtung wieder abweichen? Seine Natur, ich will es nicht leugnen, mag dahin geneigt haben, doch geſchah es nicht. Er fuͤr ſeine Perſon hatte kein Wohlgefallen an der Inquiſition; er tadelte die moͤnchiſche Haͤrte des Verfah-

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/344>, abgerufen am 24.11.2024.