er umarmte ihn mit Thränen; er ward sein zweiter Be- schützer.
Auf das entschiedenste hielt sich seitdem Fra Felice Pe- retti zu der strengen Partei, die so eben in der Kirche em- porkam. Mit Ignatio, Felino, Filippo Neri, welche alle drei den Namen von Heiligen erworben, war er in ver- trautem Verhältniß. Daß er in seinem Orden, den er zu reformiren suchte, Widerstand fand, und von seinen Or- densbrüdern einmal aus Venedig vertrieben wurde, ver- mehrte nur sein Ansehn bei den Vertretern der zur Macht gelangenden Gesinnung. Er ward bei Paul IV. eingeführt und oft in schwierigen Fällen zu Rathe gezogen: er arbeitete als Theolog in der Congregation für das tridentinische Con- cilium, als Consultor bei der Inquisition: an der Verur- theilung des Erzbischofs Carranza hatte er großen Antheil: er hat sich die Mühe nicht verdrießen lassen, in den Schrif- ten der Protestanten die Stellen aufzusuchen, welche Car- ranza in die seinen aufgenommen: das Vertrauen Pius V. erwarb er völlig. Dieser Papst ernannte ihn zum Gene- ralvicar der Franziscaner, -- ausdrücklich in der Absicht, um ihn zur Reformation des Ordens zu autorisiren -- und in der That fuhr Peretti gewaltig durch: er setzte die Generalcommissäre ab, die bisher die höchste Gewalt in demselben besessen: er stellte die alte Verfassung her, nach welcher diese den Provincialen zustand, und führte die strengste Visitation aus. Pius sah seine Erwartungen über- troffen: die Zuneigung, die er für Peretti hatte, hielt er für eine Art von göttlicher Eingebung: ohne auf die Af- terreden zu hören, die denselben verfolgten, ernannte er
BuchIV.Staat und Hof.
er umarmte ihn mit Thraͤnen; er ward ſein zweiter Be- ſchuͤtzer.
Auf das entſchiedenſte hielt ſich ſeitdem Fra Felice Pe- retti zu der ſtrengen Partei, die ſo eben in der Kirche em- porkam. Mit Ignatio, Felino, Filippo Neri, welche alle drei den Namen von Heiligen erworben, war er in ver- trautem Verhaͤltniß. Daß er in ſeinem Orden, den er zu reformiren ſuchte, Widerſtand fand, und von ſeinen Or- densbruͤdern einmal aus Venedig vertrieben wurde, ver- mehrte nur ſein Anſehn bei den Vertretern der zur Macht gelangenden Geſinnung. Er ward bei Paul IV. eingefuͤhrt und oft in ſchwierigen Faͤllen zu Rathe gezogen: er arbeitete als Theolog in der Congregation fuͤr das tridentiniſche Con- cilium, als Conſultor bei der Inquiſition: an der Verur- theilung des Erzbiſchofs Carranza hatte er großen Antheil: er hat ſich die Muͤhe nicht verdrießen laſſen, in den Schrif- ten der Proteſtanten die Stellen aufzuſuchen, welche Car- ranza in die ſeinen aufgenommen: das Vertrauen Pius V. erwarb er voͤllig. Dieſer Papſt ernannte ihn zum Gene- ralvicar der Franziscaner, — ausdruͤcklich in der Abſicht, um ihn zur Reformation des Ordens zu autoriſiren — und in der That fuhr Peretti gewaltig durch: er ſetzte die Generalcommiſſaͤre ab, die bisher die hoͤchſte Gewalt in demſelben beſeſſen: er ſtellte die alte Verfaſſung her, nach welcher dieſe den Provincialen zuſtand, und fuͤhrte die ſtrengſte Viſitation aus. Pius ſah ſeine Erwartungen uͤber- troffen: die Zuneigung, die er fuͤr Peretti hatte, hielt er fuͤr eine Art von goͤttlicher Eingebung: ohne auf die Af- terreden zu hoͤren, die denſelben verfolgten, ernannte er
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Buch IV. Staat und Hof.
er umarmte ihn mit Thraͤnen; er ward ſein zweiter Be-
ſchuͤtzer.
Auf das entſchiedenſte hielt ſich ſeitdem Fra Felice Pe-
retti zu der ſtrengen Partei, die ſo eben in der Kirche em-
porkam. Mit Ignatio, Felino, Filippo Neri, welche alle
drei den Namen von Heiligen erworben, war er in ver-
trautem Verhaͤltniß. Daß er in ſeinem Orden, den er zu
reformiren ſuchte, Widerſtand fand, und von ſeinen Or-
densbruͤdern einmal aus Venedig vertrieben wurde, ver-
mehrte nur ſein Anſehn bei den Vertretern der zur Macht
gelangenden Geſinnung. Er ward bei Paul IV. eingefuͤhrt
und oft in ſchwierigen Faͤllen zu Rathe gezogen: er arbeitete
als Theolog in der Congregation fuͤr das tridentiniſche Con-
cilium, als Conſultor bei der Inquiſition: an der Verur-
theilung des Erzbiſchofs Carranza hatte er großen Antheil:
er hat ſich die Muͤhe nicht verdrießen laſſen, in den Schrif-
ten der Proteſtanten die Stellen aufzuſuchen, welche Car-
ranza in die ſeinen aufgenommen: das Vertrauen Pius V.
erwarb er voͤllig. Dieſer Papſt ernannte ihn zum Gene-
ralvicar der Franziscaner, — ausdruͤcklich in der Abſicht,
um ihn zur Reformation des Ordens zu autoriſiren —
und in der That fuhr Peretti gewaltig durch: er ſetzte die
Generalcommiſſaͤre ab, die bisher die hoͤchſte Gewalt in
demſelben beſeſſen: er ſtellte die alte Verfaſſung her, nach
welcher dieſe den Provincialen zuſtand, und fuͤhrte die
ſtrengſte Viſitation aus. Pius ſah ſeine Erwartungen uͤber-
troffen: die Zuneigung, die er fuͤr Peretti hatte, hielt er
fuͤr eine Art von goͤttlicher Eingebung: ohne auf die Af-
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/468>, abgerufen am 22.11.2024.
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