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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Sixtus V. Banditen.
jeder wollte den Tod zuerst erleiden; der Vater wollte nicht
den Sohn, der Sohn nicht den Vater sterben sehen. Das
Volk schrie auf vor Mitleid. Der wilde Henker schalt auf
ihren unnützen Verzug.

Da galt kein Ansehn der Person. Der Graf Johann
Pepoli, aus einem der ersten Häuser von Bologna, der
aber an dem Banditenwesen viel Antheil genommen, ward
in dem Gefängniß strangulirt; seine Güter, sein baares
Geld zog der Fiscus ein. Kein Tag war ohne Hinrich-
tung: aller Orten in Wald und Feld traf man auf Pfähle,
auf denen Banditenköpfe staken. Nur diejenigen von sei-
nen Legaten und Governatoren lobte der Papst, die ihm
hierin genug thaten und ihm viele Köpfe einsendeten. Es
ist zugleich etwas Barbarisch-orientalisches in dieser Justiz.

Wen sie aber nicht erreichte, der fiel durch die Räu-
ber selbst. Die Versprechungen des Papstes hatten sie un-
eins gemacht: keiner traute dem andern; sie mordeten sich
unter einander 1).

Und so verging kein Jahr, so waren die Bewegungen
des Kirchenstaates, wenn nicht in ihren Quellen erstickt,
doch in ihrem Ausbruch bezwungen. Im Jahr 1586 hatte
man die Nachricht, daß auch die letzten Anführer Monte-
brandano und Arara getödtet worden.

Glücklich fühlte sich der Papst, wenn ihm nun die
eintreffenden Gesandten bemerkten, sie seyen in seinem Staate
allenthalben durch ein sicheres friedliches Land gereist 2).


1) Dispaccio Priuli bereits am 29 Juni 1585. Li fuorusciti
s'ammazzano l'un l'altro per la provision del novo breve.
2) Vita Sixti i. m. em. Ea quies et tranquillitas, ut in
29

Sixtus V. Banditen.
jeder wollte den Tod zuerſt erleiden; der Vater wollte nicht
den Sohn, der Sohn nicht den Vater ſterben ſehen. Das
Volk ſchrie auf vor Mitleid. Der wilde Henker ſchalt auf
ihren unnuͤtzen Verzug.

Da galt kein Anſehn der Perſon. Der Graf Johann
Pepoli, aus einem der erſten Haͤuſer von Bologna, der
aber an dem Banditenweſen viel Antheil genommen, ward
in dem Gefaͤngniß ſtrangulirt; ſeine Guͤter, ſein baares
Geld zog der Fiscus ein. Kein Tag war ohne Hinrich-
tung: aller Orten in Wald und Feld traf man auf Pfaͤhle,
auf denen Banditenkoͤpfe ſtaken. Nur diejenigen von ſei-
nen Legaten und Governatoren lobte der Papſt, die ihm
hierin genug thaten und ihm viele Koͤpfe einſendeten. Es
iſt zugleich etwas Barbariſch-orientaliſches in dieſer Juſtiz.

Wen ſie aber nicht erreichte, der fiel durch die Raͤu-
ber ſelbſt. Die Verſprechungen des Papſtes hatten ſie un-
eins gemacht: keiner traute dem andern; ſie mordeten ſich
unter einander 1).

Und ſo verging kein Jahr, ſo waren die Bewegungen
des Kirchenſtaates, wenn nicht in ihren Quellen erſtickt,
doch in ihrem Ausbruch bezwungen. Im Jahr 1586 hatte
man die Nachricht, daß auch die letzten Anfuͤhrer Monte-
brandano und Arara getoͤdtet worden.

Gluͤcklich fuͤhlte ſich der Papſt, wenn ihm nun die
eintreffenden Geſandten bemerkten, ſie ſeyen in ſeinem Staate
allenthalben durch ein ſicheres friedliches Land gereiſt 2).


1) Dispaccio Priuli bereits am 29 Juni 1585. Li fuorusciti
s’ammazzano l’un l’altro per la provision del novo breve.
2) Vita Sixti i. m. em. Ea quies et tranquillitas, ut in
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[449/0475] Sixtus V. Banditen. jeder wollte den Tod zuerſt erleiden; der Vater wollte nicht den Sohn, der Sohn nicht den Vater ſterben ſehen. Das Volk ſchrie auf vor Mitleid. Der wilde Henker ſchalt auf ihren unnuͤtzen Verzug. Da galt kein Anſehn der Perſon. Der Graf Johann Pepoli, aus einem der erſten Haͤuſer von Bologna, der aber an dem Banditenweſen viel Antheil genommen, ward in dem Gefaͤngniß ſtrangulirt; ſeine Guͤter, ſein baares Geld zog der Fiscus ein. Kein Tag war ohne Hinrich- tung: aller Orten in Wald und Feld traf man auf Pfaͤhle, auf denen Banditenkoͤpfe ſtaken. Nur diejenigen von ſei- nen Legaten und Governatoren lobte der Papſt, die ihm hierin genug thaten und ihm viele Koͤpfe einſendeten. Es iſt zugleich etwas Barbariſch-orientaliſches in dieſer Juſtiz. Wen ſie aber nicht erreichte, der fiel durch die Raͤu- ber ſelbſt. Die Verſprechungen des Papſtes hatten ſie un- eins gemacht: keiner traute dem andern; ſie mordeten ſich unter einander 1). Und ſo verging kein Jahr, ſo waren die Bewegungen des Kirchenſtaates, wenn nicht in ihren Quellen erſtickt, doch in ihrem Ausbruch bezwungen. Im Jahr 1586 hatte man die Nachricht, daß auch die letzten Anfuͤhrer Monte- brandano und Arara getoͤdtet worden. Gluͤcklich fuͤhlte ſich der Papſt, wenn ihm nun die eintreffenden Geſandten bemerkten, ſie ſeyen in ſeinem Staate allenthalben durch ein ſicheres friedliches Land gereiſt 2). 1) Dispaccio Priuli bereits am 29 Juni 1585. Li fuorusciti s’ammazzano l’un l’altro per la provision del novo breve. 2) Vita Sixti i. m. em. Ea quies et tranquillitas, ut in 29

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 449. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/475>, abgerufen am 22.11.2024.