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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch IV. Staat und Hof.
ihn nachahmen, verlieren sie sich in das gemachte Schöne,
theatralische Stellungen, affectirte Grazie, und ihren Wer-
ken sieht man es an, in wie kalter, unschöner Stimmung
sie entworfen worden sind. Die Schüler Michel Angelo's
machten es nicht besser. Die Kunst wußte nichts mehr
von ihrem Object; sie hatte die Ideen aufgegeben, welche
sie sonst sich angestrengt hatte, in Gestalt zu bringen: nur
die Aeußerlichkeiten der Methode waren ihr übrig.

In dieser Lage der Dinge, als man sich von dem
Alterthum bereits entfernt hatte, seine Formen nicht mehr
nachahmte, seiner Wissenschaft entwachsen war: -- als zu-
gleich die altnationale Poesie und religiöse Vorstellungs-
weise von Literatur und Kunst verschmäht ward: -- trat
die neue Erhebung der Kirche ein: sie bemächtigte sich der
Geister mit ihrem Willen oder wider denselben: sie brachte
auch in allem literarischen und künstlerischen Wesen eine
durchgreifende Veränderung hervor.

Es hatte aber die Kirche, wenn ich nicht irre, eine
ganz andere Einwirkung auf die Wissenschaft, als auf die
Kunst.

Philosophie und Wissenschaft überhaupt erlebten noch
einmal eine sehr bedeutende Epoche. Nachdem man den
ächten Aristoteles wieder hergestellt, begann man, wie in
andern Zweigen von andern Alten geschah, sich in der
Philosophie auch von ihm loszureißen; zu einer freien Er-
örterung der höchsten Probleme ging man fort. Der Na-
tur der Sache nach konnte die Kirche dieß nicht begünsti-
gen. Sie selber setzte bereits die obersten Prinzipien auf
eine Weise fest, die keinen Zweifel zuließ. Hatten sich aber

Buch IV. Staat und Hof.
ihn nachahmen, verlieren ſie ſich in das gemachte Schoͤne,
theatraliſche Stellungen, affectirte Grazie, und ihren Wer-
ken ſieht man es an, in wie kalter, unſchoͤner Stimmung
ſie entworfen worden ſind. Die Schuͤler Michel Angelo’s
machten es nicht beſſer. Die Kunſt wußte nichts mehr
von ihrem Object; ſie hatte die Ideen aufgegeben, welche
ſie ſonſt ſich angeſtrengt hatte, in Geſtalt zu bringen: nur
die Aeußerlichkeiten der Methode waren ihr uͤbrig.

In dieſer Lage der Dinge, als man ſich von dem
Alterthum bereits entfernt hatte, ſeine Formen nicht mehr
nachahmte, ſeiner Wiſſenſchaft entwachſen war: — als zu-
gleich die altnationale Poeſie und religioͤſe Vorſtellungs-
weiſe von Literatur und Kunſt verſchmaͤht ward: — trat
die neue Erhebung der Kirche ein: ſie bemaͤchtigte ſich der
Geiſter mit ihrem Willen oder wider denſelben: ſie brachte
auch in allem literariſchen und kuͤnſtleriſchen Weſen eine
durchgreifende Veraͤnderung hervor.

Es hatte aber die Kirche, wenn ich nicht irre, eine
ganz andere Einwirkung auf die Wiſſenſchaft, als auf die
Kunſt.

Philoſophie und Wiſſenſchaft uͤberhaupt erlebten noch
einmal eine ſehr bedeutende Epoche. Nachdem man den
aͤchten Ariſtoteles wieder hergeſtellt, begann man, wie in
andern Zweigen von andern Alten geſchah, ſich in der
Philoſophie auch von ihm loszureißen; zu einer freien Er-
oͤrterung der hoͤchſten Probleme ging man fort. Der Na-
tur der Sache nach konnte die Kirche dieß nicht beguͤnſti-
gen. Sie ſelber ſetzte bereits die oberſten Prinzipien auf
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[488/0514] Buch IV. Staat und Hof. ihn nachahmen, verlieren ſie ſich in das gemachte Schoͤne, theatraliſche Stellungen, affectirte Grazie, und ihren Wer- ken ſieht man es an, in wie kalter, unſchoͤner Stimmung ſie entworfen worden ſind. Die Schuͤler Michel Angelo’s machten es nicht beſſer. Die Kunſt wußte nichts mehr von ihrem Object; ſie hatte die Ideen aufgegeben, welche ſie ſonſt ſich angeſtrengt hatte, in Geſtalt zu bringen: nur die Aeußerlichkeiten der Methode waren ihr uͤbrig. In dieſer Lage der Dinge, als man ſich von dem Alterthum bereits entfernt hatte, ſeine Formen nicht mehr nachahmte, ſeiner Wiſſenſchaft entwachſen war: — als zu- gleich die altnationale Poeſie und religioͤſe Vorſtellungs- weiſe von Literatur und Kunſt verſchmaͤht ward: — trat die neue Erhebung der Kirche ein: ſie bemaͤchtigte ſich der Geiſter mit ihrem Willen oder wider denſelben: ſie brachte auch in allem literariſchen und kuͤnſtleriſchen Weſen eine durchgreifende Veraͤnderung hervor. Es hatte aber die Kirche, wenn ich nicht irre, eine ganz andere Einwirkung auf die Wiſſenſchaft, als auf die Kunſt. Philoſophie und Wiſſenſchaft uͤberhaupt erlebten noch einmal eine ſehr bedeutende Epoche. Nachdem man den aͤchten Ariſtoteles wieder hergeſtellt, begann man, wie in andern Zweigen von andern Alten geſchah, ſich in der Philoſophie auch von ihm loszureißen; zu einer freien Er- oͤrterung der hoͤchſten Probleme ging man fort. Der Na- tur der Sache nach konnte die Kirche dieß nicht beguͤnſti- gen. Sie ſelber ſetzte bereits die oberſten Prinzipien auf eine Weiſe feſt, die keinen Zweifel zuließ. Hatten ſich aber

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 488. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/514>, abgerufen am 27.11.2024.