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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

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Buch IV. Staat und Hof.
hart und unnatürlich, -- die Grenzen der Kunst hinwie-
derum überschritten wurden: genug, wenn wir bemerken,
daß die Kirche sich der wiederhergestellten Malerei völlig
bemächtigte. Sie belebte dieselbe durch einen poetischen
Anhauch und die Grundlage positiver Religion; aber sie
gab ihr zugleich einen geistlichen, priesterlichen, modern-
dogmatischen Character.

Leichter mußte ihr dieß noch in der Baukunst werden,
die unmittelbar in ihren Diensten stand. Ich weiß nicht,
ob Jemand den Fortgang untersucht hat, der in den moder-
nen Bauwerken von der Nachahmung der Antike bis zu
dem Canon führte, den Barozzi für die Erbauung der
Kirchen erfand, und der sich seitdem zu Rom und in der
ganzen katholischen Kirche erhalten hat. Die Leichtigkeit
und freie Genialität, mit der das Jahrhundert begann,
hat sich auch hier zu Ernst und Pomp und devoter Pracht
umgestaltet.

Nur von Einer Kunst blieb es lange zweifelhaft, ob
sie sich den Zwecken der Kirche werde unterwerfen lassen.

Die Musik hatte sich um die Mitte des sechszehnten
Jahrhunderts in die verschlungenste Künstlichkeit verloren.
Verlängerungen, Proportionen, Nachahmungen, Räthsel,
Fugen machten den Ruhm eines Tonsetzers. Auf den Sinn
der Worte kam es nicht mehr an: man findet eine ganze
Anzahl Messen aus jener Zeit, die nach dem Thema be-
kannter weltlicher Melodien abgefaßt sind: die menschliche
Stimme ward nur als Instrument behandelt 1).


Kein
1) Giuseppe Baini: Memorie storico-critiche della vita e

Buch IV. Staat und Hof.
hart und unnatuͤrlich, — die Grenzen der Kunſt hinwie-
derum uͤberſchritten wurden: genug, wenn wir bemerken,
daß die Kirche ſich der wiederhergeſtellten Malerei voͤllig
bemaͤchtigte. Sie belebte dieſelbe durch einen poetiſchen
Anhauch und die Grundlage poſitiver Religion; aber ſie
gab ihr zugleich einen geiſtlichen, prieſterlichen, modern-
dogmatiſchen Character.

Leichter mußte ihr dieß noch in der Baukunſt werden,
die unmittelbar in ihren Dienſten ſtand. Ich weiß nicht,
ob Jemand den Fortgang unterſucht hat, der in den moder-
nen Bauwerken von der Nachahmung der Antike bis zu
dem Canon fuͤhrte, den Barozzi fuͤr die Erbauung der
Kirchen erfand, und der ſich ſeitdem zu Rom und in der
ganzen katholiſchen Kirche erhalten hat. Die Leichtigkeit
und freie Genialitaͤt, mit der das Jahrhundert begann,
hat ſich auch hier zu Ernſt und Pomp und devoter Pracht
umgeſtaltet.

Nur von Einer Kunſt blieb es lange zweifelhaft, ob
ſie ſich den Zwecken der Kirche werde unterwerfen laſſen.

Die Muſik hatte ſich um die Mitte des ſechszehnten
Jahrhunderts in die verſchlungenſte Kuͤnſtlichkeit verloren.
Verlaͤngerungen, Proportionen, Nachahmungen, Raͤthſel,
Fugen machten den Ruhm eines Tonſetzers. Auf den Sinn
der Worte kam es nicht mehr an: man findet eine ganze
Anzahl Meſſen aus jener Zeit, die nach dem Thema be-
kannter weltlicher Melodien abgefaßt ſind: die menſchliche
Stimme ward nur als Inſtrument behandelt 1).


Kein
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[496/0522] Buch IV. Staat und Hof. hart und unnatuͤrlich, — die Grenzen der Kunſt hinwie- derum uͤberſchritten wurden: genug, wenn wir bemerken, daß die Kirche ſich der wiederhergeſtellten Malerei voͤllig bemaͤchtigte. Sie belebte dieſelbe durch einen poetiſchen Anhauch und die Grundlage poſitiver Religion; aber ſie gab ihr zugleich einen geiſtlichen, prieſterlichen, modern- dogmatiſchen Character. Leichter mußte ihr dieß noch in der Baukunſt werden, die unmittelbar in ihren Dienſten ſtand. Ich weiß nicht, ob Jemand den Fortgang unterſucht hat, der in den moder- nen Bauwerken von der Nachahmung der Antike bis zu dem Canon fuͤhrte, den Barozzi fuͤr die Erbauung der Kirchen erfand, und der ſich ſeitdem zu Rom und in der ganzen katholiſchen Kirche erhalten hat. Die Leichtigkeit und freie Genialitaͤt, mit der das Jahrhundert begann, hat ſich auch hier zu Ernſt und Pomp und devoter Pracht umgeſtaltet. Nur von Einer Kunſt blieb es lange zweifelhaft, ob ſie ſich den Zwecken der Kirche werde unterwerfen laſſen. Die Muſik hatte ſich um die Mitte des ſechszehnten Jahrhunderts in die verſchlungenſte Kuͤnſtlichkeit verloren. Verlaͤngerungen, Proportionen, Nachahmungen, Raͤthſel, Fugen machten den Ruhm eines Tonſetzers. Auf den Sinn der Worte kam es nicht mehr an: man findet eine ganze Anzahl Meſſen aus jener Zeit, die nach dem Thema be- kannter weltlicher Melodien abgefaßt ſind: die menſchliche Stimme ward nur als Inſtrument behandelt 1). Kein 1) Giuseppe Baini: Memorie storico-critiche della vita e

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 496. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/522>, abgerufen am 27.11.2024.