Bei der Wirksamkeit und dem raschen Wechsel der persönlichen Verhältnisse sind besonders die Gesandten zu außerordentlicher Aufmerksamkeit verpflichtet. Wie ein gu- ter Pilot merkt der Botschafter auf, woher der Wind bläst: er spart kein Geld um Kundschafter zu halten: alle sein Aufwand wird ihm durch eine einzige gute Nachricht ein- gebracht, die ihm den gelegenen Moment anzeigt, dessen er für seine Unterhandlung bedarf. Hat er dem Papst eine Bitte vorzutragen, so ist sein Bemühen, die anderweiten Interessen desselben unvermerkt mit einzuflechten. Vor allem sucht er sich des Nepoten zu bemächtigen und ihn zu über- zeugen, daß er von keinem andern so sehr wie von sei- nem Hofe Reichthümer und fortdauernde Größe zu erwar- ten habe. Auch der Gewogenheit der Cardinäle sucht er sich zu versichern. Er wird Keinem das Papstthum ver- sprechen, doch wird er ihnen allen mit Hoffnungen schmei- cheln. Keinem wird er ganz ergeben seyn, doch auch dem Feindselig-gesonnenen zuweilen eine Begünstigung zuwen- den. Er ist wie ein Jäger, der dem Sperber das Fleisch zeigt, aber ihm davon nur wenig nur nach und nach giebt.
So leben und verkehren sie unter einander: Cardinäle, Botschafter, Prälaten, Fürsten, öffentliche und geheime Machthaber: voll Ceremonie, für welche Rom der classi- sche Boden wurde, Ergebenheit, Unterordnung: aber Egoi- sten durch und durch: nur immer begierig, etwas zu errei- chen, durchzusetzen, dem Andern abzugewinnen.
Sonderbar, wie der Wettstreit um das, was Alle wünschen, Macht, Ehre, Reichthum, Genuß, der sonst
33
Die Curie
Bei der Wirkſamkeit und dem raſchen Wechſel der perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe ſind beſonders die Geſandten zu außerordentlicher Aufmerkſamkeit verpflichtet. Wie ein gu- ter Pilot merkt der Botſchafter auf, woher der Wind blaͤſt: er ſpart kein Geld um Kundſchafter zu halten: alle ſein Aufwand wird ihm durch eine einzige gute Nachricht ein- gebracht, die ihm den gelegenen Moment anzeigt, deſſen er fuͤr ſeine Unterhandlung bedarf. Hat er dem Papſt eine Bitte vorzutragen, ſo iſt ſein Bemuͤhen, die anderweiten Intereſſen deſſelben unvermerkt mit einzuflechten. Vor allem ſucht er ſich des Nepoten zu bemaͤchtigen und ihn zu uͤber- zeugen, daß er von keinem andern ſo ſehr wie von ſei- nem Hofe Reichthuͤmer und fortdauernde Groͤße zu erwar- ten habe. Auch der Gewogenheit der Cardinaͤle ſucht er ſich zu verſichern. Er wird Keinem das Papſtthum ver- ſprechen, doch wird er ihnen allen mit Hoffnungen ſchmei- cheln. Keinem wird er ganz ergeben ſeyn, doch auch dem Feindſelig-geſonnenen zuweilen eine Beguͤnſtigung zuwen- den. Er iſt wie ein Jaͤger, der dem Sperber das Fleiſch zeigt, aber ihm davon nur wenig nur nach und nach giebt.
So leben und verkehren ſie unter einander: Cardinaͤle, Botſchafter, Praͤlaten, Fuͤrſten, oͤffentliche und geheime Machthaber: voll Ceremonie, fuͤr welche Rom der claſſi- ſche Boden wurde, Ergebenheit, Unterordnung: aber Egoi- ſten durch und durch: nur immer begierig, etwas zu errei- chen, durchzuſetzen, dem Andern abzugewinnen.
Sonderbar, wie der Wettſtreit um das, was Alle wuͤnſchen, Macht, Ehre, Reichthum, Genuß, der ſonſt
33
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0539"n="513"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Die Curie</hi></fw><lb/><p>Bei der Wirkſamkeit und dem raſchen Wechſel der<lb/>
perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe ſind beſonders die Geſandten zu<lb/>
außerordentlicher Aufmerkſamkeit verpflichtet. Wie ein gu-<lb/>
ter Pilot merkt der Botſchafter auf, woher der Wind blaͤſt:<lb/>
er ſpart kein Geld um Kundſchafter zu halten: alle ſein<lb/>
Aufwand wird ihm durch eine einzige gute Nachricht ein-<lb/>
gebracht, die ihm den gelegenen Moment anzeigt, deſſen er<lb/>
fuͤr ſeine Unterhandlung bedarf. Hat er dem Papſt eine<lb/>
Bitte vorzutragen, ſo iſt ſein Bemuͤhen, die anderweiten<lb/>
Intereſſen deſſelben unvermerkt mit einzuflechten. Vor allem<lb/>ſucht er ſich des Nepoten zu bemaͤchtigen und ihn zu uͤber-<lb/>
zeugen, daß er von keinem andern ſo ſehr wie von ſei-<lb/>
nem Hofe Reichthuͤmer und fortdauernde Groͤße zu erwar-<lb/>
ten habe. Auch der Gewogenheit der Cardinaͤle ſucht er<lb/>ſich zu verſichern. Er wird Keinem das Papſtthum ver-<lb/>ſprechen, doch wird er ihnen allen mit Hoffnungen ſchmei-<lb/>
cheln. Keinem wird er ganz ergeben ſeyn, doch auch dem<lb/>
Feindſelig-geſonnenen zuweilen eine Beguͤnſtigung zuwen-<lb/>
den. Er iſt wie ein Jaͤger, der dem Sperber das Fleiſch<lb/>
zeigt, aber ihm davon nur wenig nur nach und nach<lb/>
giebt.</p><lb/><p>So leben und verkehren ſie unter einander: Cardinaͤle,<lb/>
Botſchafter, Praͤlaten, Fuͤrſten, oͤffentliche und geheime<lb/>
Machthaber: voll Ceremonie, fuͤr welche Rom der claſſi-<lb/>ſche Boden wurde, Ergebenheit, Unterordnung: aber Egoi-<lb/>ſten durch und durch: nur immer begierig, etwas zu errei-<lb/>
chen, durchzuſetzen, dem Andern abzugewinnen.</p><lb/><p>Sonderbar, wie der Wettſtreit um das, was Alle<lb/>
wuͤnſchen, Macht, Ehre, Reichthum, Genuß, der ſonſt<lb/><fwplace="bottom"type="sig">33</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[513/0539]
Die Curie
Bei der Wirkſamkeit und dem raſchen Wechſel der
perſoͤnlichen Verhaͤltniſſe ſind beſonders die Geſandten zu
außerordentlicher Aufmerkſamkeit verpflichtet. Wie ein gu-
ter Pilot merkt der Botſchafter auf, woher der Wind blaͤſt:
er ſpart kein Geld um Kundſchafter zu halten: alle ſein
Aufwand wird ihm durch eine einzige gute Nachricht ein-
gebracht, die ihm den gelegenen Moment anzeigt, deſſen er
fuͤr ſeine Unterhandlung bedarf. Hat er dem Papſt eine
Bitte vorzutragen, ſo iſt ſein Bemuͤhen, die anderweiten
Intereſſen deſſelben unvermerkt mit einzuflechten. Vor allem
ſucht er ſich des Nepoten zu bemaͤchtigen und ihn zu uͤber-
zeugen, daß er von keinem andern ſo ſehr wie von ſei-
nem Hofe Reichthuͤmer und fortdauernde Groͤße zu erwar-
ten habe. Auch der Gewogenheit der Cardinaͤle ſucht er
ſich zu verſichern. Er wird Keinem das Papſtthum ver-
ſprechen, doch wird er ihnen allen mit Hoffnungen ſchmei-
cheln. Keinem wird er ganz ergeben ſeyn, doch auch dem
Feindſelig-geſonnenen zuweilen eine Beguͤnſtigung zuwen-
den. Er iſt wie ein Jaͤger, der dem Sperber das Fleiſch
zeigt, aber ihm davon nur wenig nur nach und nach
giebt.
So leben und verkehren ſie unter einander: Cardinaͤle,
Botſchafter, Praͤlaten, Fuͤrſten, oͤffentliche und geheime
Machthaber: voll Ceremonie, fuͤr welche Rom der claſſi-
ſche Boden wurde, Ergebenheit, Unterordnung: aber Egoi-
ſten durch und durch: nur immer begierig, etwas zu errei-
chen, durchzuſetzen, dem Andern abzugewinnen.
Sonderbar, wie der Wettſtreit um das, was Alle
wuͤnſchen, Macht, Ehre, Reichthum, Genuß, der ſonſt
33
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 513. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/539>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.