Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite
Erweiterung des Kirchenstaates.

Es gab nur Eine Stelle auf Erden, wo so etwas
möglich war. Nur da war es das, wo man zugleich die
Fülle der weltlichen Gewalt hatte und das oberste geistliche
Gericht beherrschte. Diese Stelle nahm Cesar ein. Auch
die Ausartung hat ihre Vollendung. So viele päpstliche
Nepoten haben ähnliche Dinge versucht: so weit aber hat
es nie ein andrer getrieben. Cesar ist ein Virtuos des
Verbrechens.

War es nicht von allem Anfang an eine der wesent-
lichsten Tendenzen des Christenthums, eine solche Gewalt
unmöglich zu machen? Jetzt mußte es selbst, die Stel-
lung des Oberhauptes der Kirche mußte dazu dienen, sie
hervorzubringen.

Da brauchte in der That nicht erst Luther zu kom-
men, um in diesem Treiben den graden Gegensatz alles Chri-
stenthums darzulegen. Gleich damals klagte man, der Papst
bahne dem Antichrist den Weg, er sorge für die Erfüllung
des satanischen, nicht des himmlischen Reiches 1).

Den Verlauf der Geschichte desselben wollen wir hier
nicht ins Einzelne begleiten. Alexander beabsichtigte einst,
wie es nur allzugewiß ist, einen der reichsten Cardinäle
mit Gift aus dem Wege zu schaffen: aber dieser wußte
durch Geschenke, Versprechungen und Bitten den päpstli-

habe ich noch Einiges aus Polo Capello hinzugefügt. -- Bei bedeu-
tenden Todesfällen dachte man sogleich an Vergiftungen durch den
Papst. Schreiben bei Sanuto von dem Tode des Cardinals von
Verona: Si judica, sia stato atosicato per tuorli le faculta per-
che avanti el spirasse el papa mando guardie attorno la caxa.
1) Ein fliegendes Blatt, Ms., aus der Chronik Sanutos. Im
Anhang.
4*
Erweiterung des Kirchenſtaates.

Es gab nur Eine Stelle auf Erden, wo ſo etwas
moͤglich war. Nur da war es das, wo man zugleich die
Fuͤlle der weltlichen Gewalt hatte und das oberſte geiſtliche
Gericht beherrſchte. Dieſe Stelle nahm Ceſar ein. Auch
die Ausartung hat ihre Vollendung. So viele paͤpſtliche
Nepoten haben aͤhnliche Dinge verſucht: ſo weit aber hat
es nie ein andrer getrieben. Ceſar iſt ein Virtuos des
Verbrechens.

War es nicht von allem Anfang an eine der weſent-
lichſten Tendenzen des Chriſtenthums, eine ſolche Gewalt
unmoͤglich zu machen? Jetzt mußte es ſelbſt, die Stel-
lung des Oberhauptes der Kirche mußte dazu dienen, ſie
hervorzubringen.

Da brauchte in der That nicht erſt Luther zu kom-
men, um in dieſem Treiben den graden Gegenſatz alles Chri-
ſtenthums darzulegen. Gleich damals klagte man, der Papſt
bahne dem Antichriſt den Weg, er ſorge fuͤr die Erfuͤllung
des ſataniſchen, nicht des himmliſchen Reiches 1).

Den Verlauf der Geſchichte deſſelben wollen wir hier
nicht ins Einzelne begleiten. Alexander beabſichtigte einſt,
wie es nur allzugewiß iſt, einen der reichſten Cardinaͤle
mit Gift aus dem Wege zu ſchaffen: aber dieſer wußte
durch Geſchenke, Verſprechungen und Bitten den paͤpſtli-

habe ich noch Einiges aus Polo Capello hinzugefuͤgt. — Bei bedeu-
tenden Todesfaͤllen dachte man ſogleich an Vergiftungen durch den
Papſt. Schreiben bei Sanuto von dem Tode des Cardinals von
Verona: Si judica, sia stato atosicato per tuorli le facultâ per-
chè avanti el spirasse el papa mandò guardie attorno la caxa.
1) Ein fliegendes Blatt, Ms., aus der Chronik Sanutos. Im
Anhang.
4*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0077" n="51"/>
            <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Erweiterung des Kirchen&#x017F;taates</hi>.</fw><lb/>
            <p>Es gab nur Eine Stelle auf Erden, wo &#x017F;o etwas<lb/>
mo&#x0364;glich war. Nur da war es das, wo man zugleich die<lb/>
Fu&#x0364;lle der weltlichen Gewalt hatte und das ober&#x017F;te gei&#x017F;tliche<lb/>
Gericht beherr&#x017F;chte. Die&#x017F;e Stelle nahm Ce&#x017F;ar ein. Auch<lb/>
die Ausartung hat ihre Vollendung. So viele pa&#x0364;p&#x017F;tliche<lb/>
Nepoten haben a&#x0364;hnliche Dinge ver&#x017F;ucht: &#x017F;o weit aber hat<lb/>
es nie ein andrer getrieben. Ce&#x017F;ar i&#x017F;t ein Virtuos des<lb/>
Verbrechens.</p><lb/>
            <p>War es nicht von allem Anfang an eine der we&#x017F;ent-<lb/>
lich&#x017F;ten Tendenzen des Chri&#x017F;tenthums, eine &#x017F;olche Gewalt<lb/>
unmo&#x0364;glich zu machen? Jetzt mußte es &#x017F;elb&#x017F;t, die Stel-<lb/>
lung des Oberhauptes der Kirche mußte dazu dienen, &#x017F;ie<lb/>
hervorzubringen.</p><lb/>
            <p>Da brauchte in der That nicht er&#x017F;t Luther zu kom-<lb/>
men, um in die&#x017F;em Treiben den graden Gegen&#x017F;atz alles Chri-<lb/>
&#x017F;tenthums darzulegen. Gleich damals klagte man, der Pap&#x017F;t<lb/>
bahne dem Antichri&#x017F;t den Weg, er &#x017F;orge fu&#x0364;r die Erfu&#x0364;llung<lb/>
des &#x017F;atani&#x017F;chen, nicht des himmli&#x017F;chen Reiches <note place="foot" n="1)">Ein fliegendes Blatt, <hi rendition="#aq">Ms.</hi>, aus der Chronik Sanutos. Im<lb/>
Anhang.</note>.</p><lb/>
            <p>Den Verlauf der Ge&#x017F;chichte de&#x017F;&#x017F;elben wollen wir hier<lb/>
nicht ins Einzelne begleiten. Alexander beab&#x017F;ichtigte ein&#x017F;t,<lb/>
wie es nur allzugewiß i&#x017F;t, einen der reich&#x017F;ten Cardina&#x0364;le<lb/>
mit Gift aus dem Wege zu &#x017F;chaffen: aber die&#x017F;er wußte<lb/>
durch Ge&#x017F;chenke, Ver&#x017F;prechungen und Bitten den pa&#x0364;p&#x017F;tli-<lb/><note xml:id="note-0077" prev="#note-0076a" place="foot" n="1)">habe ich noch Einiges aus Polo Capello hinzugefu&#x0364;gt. &#x2014; Bei bedeu-<lb/>
tenden Todesfa&#x0364;llen dachte man &#x017F;ogleich an Vergiftungen durch den<lb/>
Pap&#x017F;t. Schreiben bei Sanuto von dem Tode des Cardinals von<lb/>
Verona: <hi rendition="#aq">Si judica, sia stato atosicato per tuorli le facultâ per-<lb/>
chè avanti el spirasse el papa mandò guardie attorno la caxa.</hi></note><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">4*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[51/0077] Erweiterung des Kirchenſtaates. Es gab nur Eine Stelle auf Erden, wo ſo etwas moͤglich war. Nur da war es das, wo man zugleich die Fuͤlle der weltlichen Gewalt hatte und das oberſte geiſtliche Gericht beherrſchte. Dieſe Stelle nahm Ceſar ein. Auch die Ausartung hat ihre Vollendung. So viele paͤpſtliche Nepoten haben aͤhnliche Dinge verſucht: ſo weit aber hat es nie ein andrer getrieben. Ceſar iſt ein Virtuos des Verbrechens. War es nicht von allem Anfang an eine der weſent- lichſten Tendenzen des Chriſtenthums, eine ſolche Gewalt unmoͤglich zu machen? Jetzt mußte es ſelbſt, die Stel- lung des Oberhauptes der Kirche mußte dazu dienen, ſie hervorzubringen. Da brauchte in der That nicht erſt Luther zu kom- men, um in dieſem Treiben den graden Gegenſatz alles Chri- ſtenthums darzulegen. Gleich damals klagte man, der Papſt bahne dem Antichriſt den Weg, er ſorge fuͤr die Erfuͤllung des ſataniſchen, nicht des himmliſchen Reiches 1). Den Verlauf der Geſchichte deſſelben wollen wir hier nicht ins Einzelne begleiten. Alexander beabſichtigte einſt, wie es nur allzugewiß iſt, einen der reichſten Cardinaͤle mit Gift aus dem Wege zu ſchaffen: aber dieſer wußte durch Geſchenke, Verſprechungen und Bitten den paͤpſtli- 1) 1) Ein fliegendes Blatt, Ms., aus der Chronik Sanutos. Im Anhang. 1) habe ich noch Einiges aus Polo Capello hinzugefuͤgt. — Bei bedeu- tenden Todesfaͤllen dachte man ſogleich an Vergiftungen durch den Papſt. Schreiben bei Sanuto von dem Tode des Cardinals von Verona: Si judica, sia stato atosicato per tuorli le facultâ per- chè avanti el spirasse el papa mandò guardie attorno la caxa. 4*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/77
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 1. Berlin, 1834, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste01_1834/77>, abgerufen am 04.12.2024.