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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Mariana die Idee der Volkssouveränetät aus. Alle Fra-
gen die hiebei vorkommen können wirft er auf, und ent-
scheidet sie unbedenklich zu Gunsten des Volks, zum Nach-
theil der königlichen Gewalt. Er bezweifelt nicht, daß ein
Fürst abgesetzt, ja getödtet werden dürfe, namentlich dann,
wenn er die Religion verletze. Dem Jacob Clement, wel-
cher erst die Theologen zu Rathe zog und dann ging und
seinen König umbrachte, widmet er einen Lobspruch voll
pathetischer Emphase 1). Er geht biebei wenigstens ganz
folgerichtig zu Werke. Eben diese Lehren hatten ohne Zweifel
den Fanatismus des Mörders entflammt.

Denn nirgends wurden sie wohl mit so wilder Hef-
tigkeit verkündigt als in Frankreich. Man kann nichts
Antiroyalistischeres lesen als die Diatriben, die Jean Bou-
cher von der Kanzel erschallen ließ. In den Ständen fin-
det dieser Prediger die öffentliche Macht und Majestät, die
Gewalt zu binden und zu lösen, die unveräußerliche Sou-
veränetät, das Richteramt über Scepter und Reiche: denn
in ihnen sey ja auch der Ursprung derselben: von dem
Volke komme der Fürst, nicht durch Nothwendigkeit und
Zwang, sondern durch freie Wahl. Das Verhältniß des
Staates und der Kirche faßt er wie Bellarmin auf: er
wiederholt das Gleichniß von Leib und Seele. Nur Eine
Bedingung, sagt er, schränke den freien Willen des Vol-
kes ein: nur das Eine sey ihm verboten, einen ketzeri-

1) Mariana de rege et regis institutione. Unter andern:
Jac. Clemens -- -- cognito a theologis, quos erat sciscitatus,
tyrannum jure interimi posse -- caeso rege ingens sibi nomen
fecit
.

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Mariana die Idee der Volksſouveraͤnetaͤt aus. Alle Fra-
gen die hiebei vorkommen koͤnnen wirft er auf, und ent-
ſcheidet ſie unbedenklich zu Gunſten des Volks, zum Nach-
theil der koͤniglichen Gewalt. Er bezweifelt nicht, daß ein
Fuͤrſt abgeſetzt, ja getoͤdtet werden duͤrfe, namentlich dann,
wenn er die Religion verletze. Dem Jacob Clement, wel-
cher erſt die Theologen zu Rathe zog und dann ging und
ſeinen Koͤnig umbrachte, widmet er einen Lobſpruch voll
pathetiſcher Emphaſe 1). Er geht biebei wenigſtens ganz
folgerichtig zu Werke. Eben dieſe Lehren hatten ohne Zweifel
den Fanatismus des Moͤrders entflammt.

Denn nirgends wurden ſie wohl mit ſo wilder Hef-
tigkeit verkuͤndigt als in Frankreich. Man kann nichts
Antiroyaliſtiſcheres leſen als die Diatriben, die Jean Bou-
cher von der Kanzel erſchallen ließ. In den Staͤnden fin-
det dieſer Prediger die oͤffentliche Macht und Majeſtaͤt, die
Gewalt zu binden und zu loͤſen, die unveraͤußerliche Sou-
veraͤnetaͤt, das Richteramt uͤber Scepter und Reiche: denn
in ihnen ſey ja auch der Urſprung derſelben: von dem
Volke komme der Fuͤrſt, nicht durch Nothwendigkeit und
Zwang, ſondern durch freie Wahl. Das Verhaͤltniß des
Staates und der Kirche faßt er wie Bellarmin auf: er
wiederholt das Gleichniß von Leib und Seele. Nur Eine
Bedingung, ſagt er, ſchraͤnke den freien Willen des Vol-
kes ein: nur das Eine ſey ihm verboten, einen ketzeri-

1) Mariana de rege et regis institutione. Unter andern:
Jac. Clemens — — cognito a theologis, quos erat sciscitatus,
tyrannum jure interimi posse — caeso rege ingens sibi nomen
fecit
.
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[186/0198] Buch VI. Innere Streitigkeiten. Mariana die Idee der Volksſouveraͤnetaͤt aus. Alle Fra- gen die hiebei vorkommen koͤnnen wirft er auf, und ent- ſcheidet ſie unbedenklich zu Gunſten des Volks, zum Nach- theil der koͤniglichen Gewalt. Er bezweifelt nicht, daß ein Fuͤrſt abgeſetzt, ja getoͤdtet werden duͤrfe, namentlich dann, wenn er die Religion verletze. Dem Jacob Clement, wel- cher erſt die Theologen zu Rathe zog und dann ging und ſeinen Koͤnig umbrachte, widmet er einen Lobſpruch voll pathetiſcher Emphaſe 1). Er geht biebei wenigſtens ganz folgerichtig zu Werke. Eben dieſe Lehren hatten ohne Zweifel den Fanatismus des Moͤrders entflammt. Denn nirgends wurden ſie wohl mit ſo wilder Hef- tigkeit verkuͤndigt als in Frankreich. Man kann nichts Antiroyaliſtiſcheres leſen als die Diatriben, die Jean Bou- cher von der Kanzel erſchallen ließ. In den Staͤnden fin- det dieſer Prediger die oͤffentliche Macht und Majeſtaͤt, die Gewalt zu binden und zu loͤſen, die unveraͤußerliche Sou- veraͤnetaͤt, das Richteramt uͤber Scepter und Reiche: denn in ihnen ſey ja auch der Urſprung derſelben: von dem Volke komme der Fuͤrſt, nicht durch Nothwendigkeit und Zwang, ſondern durch freie Wahl. Das Verhaͤltniß des Staates und der Kirche faßt er wie Bellarmin auf: er wiederholt das Gleichniß von Leib und Seele. Nur Eine Bedingung, ſagt er, ſchraͤnke den freien Willen des Vol- kes ein: nur das Eine ſey ihm verboten, einen ketzeri- 1) Mariana de rege et regis institutione. Unter andern: Jac. Clemens — — cognito a theologis, quos erat sciscitatus, tyrannum jure interimi posse — caeso rege ingens sibi nomen fecit.

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/198>, abgerufen am 24.11.2024.