Und hier kommen wir auf unser Vaterland, wo die neue Kirchenform sich aus dem originalen Geiste der Na- tion zuerst entwickelt, sich in langen und gefährlichen Krie- gen Geltung und gesetzliches Daseyn im Reich erkämpft hatte, und nun im Begriff war, die verschiedenen Landschaf- ten vollends einzunehmen. Schon war es damit sehr weit gediehen. Nicht allein beherrschte der Protestantismus das nördliche Deutschland, wo er entsprungen war, und jene Gebiete des obern, wo er sich immer gehalten hat: noch viel weiter hatte er um sich gegriffen.
In Franken setzten sich ihm die Bisthümer vergebens entgegen. In Würzburg und Bamberg war der bei weitem größte Theil des Adels und der bischöflichen Beamten, die Magistrate und Bürgerschaften der Städte wenigstens in der Mehrzahl, und die Masse des Landvolkes übergetreten: im Bambergischen kann man fast für jede einzelne Land- pfarre lutherische Prediger nachweisen 1). In diesem Sinne ward die Verwaltung geleitet, die ja hauptsächlich in den Händen der Stände lag, welche ihr eigenes Gemeinwesen hatten, Anlage oder Umgeld selbst ausschrieben: in diesem Sinne waren die Gerichte besetzt, und man wollte bemer- ken, daß der größte Theil der Urtel dem katholischen In- teresse entgegenlaufe 2). Die Bischöfe galten nicht viel: wer in ihnen ja noch "mit alter deutscher und fränkischer Treue" den Fürsten verehrte, konnte doch nicht vertragen,
1) Jäck hat das in dem 2ten und 3ten Theile seiner Geschichte von Bamberg zu seinem besondern Geschäfte gemacht.
2)Gropp: Dissertatio de statu religionis in Franconia Lu- theranismo infecta. Scriptores Wirceb. I, p. 42.
Buch V. Gegenreformationen.
Und hier kommen wir auf unſer Vaterland, wo die neue Kirchenform ſich aus dem originalen Geiſte der Na- tion zuerſt entwickelt, ſich in langen und gefaͤhrlichen Krie- gen Geltung und geſetzliches Daſeyn im Reich erkaͤmpft hatte, und nun im Begriff war, die verſchiedenen Landſchaf- ten vollends einzunehmen. Schon war es damit ſehr weit gediehen. Nicht allein beherrſchte der Proteſtantismus das noͤrdliche Deutſchland, wo er entſprungen war, und jene Gebiete des obern, wo er ſich immer gehalten hat: noch viel weiter hatte er um ſich gegriffen.
In Franken ſetzten ſich ihm die Bisthuͤmer vergebens entgegen. In Wuͤrzburg und Bamberg war der bei weitem groͤßte Theil des Adels und der biſchoͤflichen Beamten, die Magiſtrate und Buͤrgerſchaften der Staͤdte wenigſtens in der Mehrzahl, und die Maſſe des Landvolkes uͤbergetreten: im Bambergiſchen kann man faſt fuͤr jede einzelne Land- pfarre lutheriſche Prediger nachweiſen 1). In dieſem Sinne ward die Verwaltung geleitet, die ja hauptſaͤchlich in den Haͤnden der Staͤnde lag, welche ihr eigenes Gemeinweſen hatten, Anlage oder Umgeld ſelbſt ausſchrieben: in dieſem Sinne waren die Gerichte beſetzt, und man wollte bemer- ken, daß der groͤßte Theil der Urtel dem katholiſchen In- tereſſe entgegenlaufe 2). Die Biſchoͤfe galten nicht viel: wer in ihnen ja noch „mit alter deutſcher und fraͤnkiſcher Treue“ den Fuͤrſten verehrte, konnte doch nicht vertragen,
1) Jaͤck hat das in dem 2ten und 3ten Theile ſeiner Geſchichte von Bamberg zu ſeinem beſondern Geſchaͤfte gemacht.
2)Gropp: Dissertatio de statu religionis in Franconia Lu- theranismo infecta. Scriptores Wirceb. I, p. 42.
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Buch V. Gegenreformationen.
Und hier kommen wir auf unſer Vaterland, wo die
neue Kirchenform ſich aus dem originalen Geiſte der Na-
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gen Geltung und geſetzliches Daſeyn im Reich erkaͤmpft
hatte, und nun im Begriff war, die verſchiedenen Landſchaf-
ten vollends einzunehmen. Schon war es damit ſehr weit
gediehen. Nicht allein beherrſchte der Proteſtantismus das
noͤrdliche Deutſchland, wo er entſprungen war, und jene
Gebiete des obern, wo er ſich immer gehalten hat: noch
viel weiter hatte er um ſich gegriffen.
In Franken ſetzten ſich ihm die Bisthuͤmer vergebens
entgegen. In Wuͤrzburg und Bamberg war der bei weitem
groͤßte Theil des Adels und der biſchoͤflichen Beamten, die
Magiſtrate und Buͤrgerſchaften der Staͤdte wenigſtens in
der Mehrzahl, und die Maſſe des Landvolkes uͤbergetreten:
im Bambergiſchen kann man faſt fuͤr jede einzelne Land-
pfarre lutheriſche Prediger nachweiſen 1). In dieſem Sinne
ward die Verwaltung geleitet, die ja hauptſaͤchlich in den
Haͤnden der Staͤnde lag, welche ihr eigenes Gemeinweſen
hatten, Anlage oder Umgeld ſelbſt ausſchrieben: in dieſem
Sinne waren die Gerichte beſetzt, und man wollte bemer-
ken, daß der groͤßte Theil der Urtel dem katholiſchen In-
tereſſe entgegenlaufe 2). Die Biſchoͤfe galten nicht viel:
wer in ihnen ja noch „mit alter deutſcher und fraͤnkiſcher
Treue“ den Fuͤrſten verehrte, konnte doch nicht vertragen,
1) Jaͤck hat das in dem 2ten und 3ten Theile ſeiner Geſchichte
von Bamberg zu ſeinem beſondern Geſchaͤfte gemacht.
2) Gropp: Dissertatio de statu religionis in Franconia Lu-
theranismo infecta. Scriptores Wirceb. I, p. 42.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 8. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/20>, abgerufen am 21.09.2024.
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