Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.Buch VI. Innere Streitigkeiten. auf der Stelle. Den Befehlshabern fehlte die Sicherheitder Ueberzeugung, die ihnen früher eine so starke Haltung gegeben hatte: die Lehren der Politiker, der Uebertritt des Königs, der gute Fortgang seines Glückes hatte sie alle in ihrem Herzen erschüttert. Einer nach dem Andern ging über, ohne auf den Mangel der päpstlichen Absolution zu achten. Der Befehlshaber in Meaux, dem die Spanier die Besoldung seiner Truppen nicht mehr zahlten, Vitri, machte den Anfang: in Orleans, Bourges, Rouen folgte man nach. Noch kam das Meiste darauf an, was in Pa- ris geschehen würde. Hier hatte die politische, national- französische Gesinnung, nach manchen Schwankungen, völ- lig das Uebergewicht bekommen, die besten Familien an sich gezogen, und die wichtigsten Stellen aus ihrer Mitte besetzt. Die bewaffnete Bürgerschaft ward bereits in ih- rem Sinne befehligt: so ward Hotel de Ville regiert: Pre- vost des Marchands und Eschevins gehörten bis auf ei- nen Einzigen dieser Meinung an. Unter diesen Umständen konnte die Rückkehr des Königs keine Schwierigkeit mehr haben. Am 22. Merz 1594 fand sie Statt. Heinrich IV. erstaunte, sich von dem Volke, das ihm so lange Wider- stand entgegengesetzt, mit so vollem freudigem Lebehoch be- grüßt zu sehen: er glaubte abnehmen zu dürfen, daß es bisher unter tyrannischer Herrschaft gestanden; aber so ganz ist dieß doch nicht wahr: die Gesinnung der Ligue hatte wirklich die Gemüther beherrscht: jetzt aber war eine an- dere an ihre Stelle getreten. Die Rückkehr des Königs war hauptsächlich ein Sieg der politischen Meinung. Die Liguisten erfuhren nun eine Verfolgung, wie sie selber so Buch VI. Innere Streitigkeiten. auf der Stelle. Den Befehlshabern fehlte die Sicherheitder Ueberzeugung, die ihnen fruͤher eine ſo ſtarke Haltung gegeben hatte: die Lehren der Politiker, der Uebertritt des Koͤnigs, der gute Fortgang ſeines Gluͤckes hatte ſie alle in ihrem Herzen erſchuͤttert. Einer nach dem Andern ging uͤber, ohne auf den Mangel der paͤpſtlichen Abſolution zu achten. Der Befehlshaber in Meaux, dem die Spanier die Beſoldung ſeiner Truppen nicht mehr zahlten, Vitri, machte den Anfang: in Orleans, Bourges, Rouen folgte man nach. Noch kam das Meiſte darauf an, was in Pa- ris geſchehen wuͤrde. Hier hatte die politiſche, national- franzoͤſiſche Geſinnung, nach manchen Schwankungen, voͤl- lig das Uebergewicht bekommen, die beſten Familien an ſich gezogen, und die wichtigſten Stellen aus ihrer Mitte beſetzt. Die bewaffnete Buͤrgerſchaft ward bereits in ih- rem Sinne befehligt: ſo ward Hotel de Ville regiert: Pre- voſt des Marchands und Eſchevins gehoͤrten bis auf ei- nen Einzigen dieſer Meinung an. Unter dieſen Umſtaͤnden konnte die Ruͤckkehr des Koͤnigs keine Schwierigkeit mehr haben. Am 22. Merz 1594 fand ſie Statt. Heinrich IV. erſtaunte, ſich von dem Volke, das ihm ſo lange Wider- ſtand entgegengeſetzt, mit ſo vollem freudigem Lebehoch be- gruͤßt zu ſehen: er glaubte abnehmen zu duͤrfen, daß es bisher unter tyranniſcher Herrſchaft geſtanden; aber ſo ganz iſt dieß doch nicht wahr: die Geſinnung der Ligue hatte wirklich die Gemuͤther beherrſcht: jetzt aber war eine an- dere an ihre Stelle getreten. Die Ruͤckkehr des Koͤnigs war hauptſaͤchlich ein Sieg der politiſchen Meinung. Die Liguiſten erfuhren nun eine Verfolgung, wie ſie ſelber ſo <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0260" n="248"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#g">Innere Streitigkeiten</hi>.</fw><lb/> auf der Stelle. Den Befehlshabern fehlte die Sicherheit<lb/> der Ueberzeugung, die ihnen fruͤher eine ſo ſtarke Haltung<lb/> gegeben hatte: die Lehren der Politiker, der Uebertritt des<lb/> Koͤnigs, der gute Fortgang ſeines Gluͤckes hatte ſie alle<lb/> in ihrem Herzen erſchuͤttert. Einer nach dem Andern ging<lb/> uͤber, ohne auf den Mangel der paͤpſtlichen Abſolution zu<lb/> achten. Der Befehlshaber in Meaux, dem die Spanier<lb/> die Beſoldung ſeiner Truppen nicht mehr zahlten, Vitri,<lb/> machte den Anfang: in Orleans, Bourges, Rouen folgte<lb/> man nach. Noch kam das Meiſte darauf an, was in Pa-<lb/> ris geſchehen wuͤrde. Hier hatte die politiſche, national-<lb/> franzoͤſiſche Geſinnung, nach manchen Schwankungen, voͤl-<lb/> lig das Uebergewicht bekommen, die beſten Familien an<lb/> ſich gezogen, und die wichtigſten Stellen aus ihrer Mitte<lb/> beſetzt. Die bewaffnete Buͤrgerſchaft ward bereits in ih-<lb/> rem Sinne befehligt: ſo ward Hotel de Ville regiert: Pre-<lb/> voſt des Marchands und Eſchevins gehoͤrten bis auf ei-<lb/> nen Einzigen dieſer Meinung an. Unter dieſen Umſtaͤnden<lb/> konnte die Ruͤckkehr des Koͤnigs keine Schwierigkeit mehr<lb/> haben. Am 22. Merz 1594 fand ſie Statt. Heinrich <hi rendition="#aq">IV.</hi><lb/> erſtaunte, ſich von dem Volke, das ihm ſo lange Wider-<lb/> ſtand entgegengeſetzt, mit ſo vollem freudigem Lebehoch be-<lb/> gruͤßt zu ſehen: er glaubte abnehmen zu duͤrfen, daß es<lb/> bisher unter tyranniſcher Herrſchaft geſtanden; aber ſo ganz<lb/> iſt dieß doch nicht wahr: die Geſinnung der Ligue hatte<lb/> wirklich die Gemuͤther beherrſcht: jetzt aber war eine an-<lb/> dere an ihre Stelle getreten. Die Ruͤckkehr des Koͤnigs<lb/> war hauptſaͤchlich ein Sieg der politiſchen Meinung. Die<lb/> Liguiſten erfuhren nun eine Verfolgung, wie ſie ſelber ſo<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [248/0260]
Buch VI. Innere Streitigkeiten.
auf der Stelle. Den Befehlshabern fehlte die Sicherheit
der Ueberzeugung, die ihnen fruͤher eine ſo ſtarke Haltung
gegeben hatte: die Lehren der Politiker, der Uebertritt des
Koͤnigs, der gute Fortgang ſeines Gluͤckes hatte ſie alle
in ihrem Herzen erſchuͤttert. Einer nach dem Andern ging
uͤber, ohne auf den Mangel der paͤpſtlichen Abſolution zu
achten. Der Befehlshaber in Meaux, dem die Spanier
die Beſoldung ſeiner Truppen nicht mehr zahlten, Vitri,
machte den Anfang: in Orleans, Bourges, Rouen folgte
man nach. Noch kam das Meiſte darauf an, was in Pa-
ris geſchehen wuͤrde. Hier hatte die politiſche, national-
franzoͤſiſche Geſinnung, nach manchen Schwankungen, voͤl-
lig das Uebergewicht bekommen, die beſten Familien an
ſich gezogen, und die wichtigſten Stellen aus ihrer Mitte
beſetzt. Die bewaffnete Buͤrgerſchaft ward bereits in ih-
rem Sinne befehligt: ſo ward Hotel de Ville regiert: Pre-
voſt des Marchands und Eſchevins gehoͤrten bis auf ei-
nen Einzigen dieſer Meinung an. Unter dieſen Umſtaͤnden
konnte die Ruͤckkehr des Koͤnigs keine Schwierigkeit mehr
haben. Am 22. Merz 1594 fand ſie Statt. Heinrich IV.
erſtaunte, ſich von dem Volke, das ihm ſo lange Wider-
ſtand entgegengeſetzt, mit ſo vollem freudigem Lebehoch be-
gruͤßt zu ſehen: er glaubte abnehmen zu duͤrfen, daß es
bisher unter tyranniſcher Herrſchaft geſtanden; aber ſo ganz
iſt dieß doch nicht wahr: die Geſinnung der Ligue hatte
wirklich die Gemuͤther beherrſcht: jetzt aber war eine an-
dere an ihre Stelle getreten. Die Ruͤckkehr des Koͤnigs
war hauptſaͤchlich ein Sieg der politiſchen Meinung. Die
Liguiſten erfuhren nun eine Verfolgung, wie ſie ſelber ſo
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |