Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.Buch VI. Innere Streitigkeiten. lancholische Tasso sich auf die Länge nicht behaupten. DerHerzog schien ihn zu lieben, hörte ihn gern, nahm ihn oft mit sich aufs Land, und verschmähte es sogar nicht die Schilderun- gen des Kriegswesens, die in der Gerusalemme vorkommen, zu berichtigen. Aber seit Tasso einmal Miene gemacht in die Dienste der Medici überzutreten, wurden sie nie wieder rechte Freunde: der arme Dichter entfernte sich: durch einen unwiderstehlichen Hang gezogen kehrte er wieder zurück: dann waren einige Schmähworte, die er in einem Anfall seiner Melancholie ausstieß, hinreichend um den Herzog zu bestimmen, daß er den Unglücklichen sieben lange Jahre hindurch gefangen hielt 1). Es ist das noch einmal ganz das italienische Fürsten- Alfonso II. nun mußte begegnen, daß er von drei Ge- 1) Serassi: Vita del Tasso p. 282.
Buch VI. Innere Streitigkeiten. lancholiſche Taſſo ſich auf die Laͤnge nicht behaupten. DerHerzog ſchien ihn zu lieben, hoͤrte ihn gern, nahm ihn oft mit ſich aufs Land, und verſchmaͤhte es ſogar nicht die Schilderun- gen des Kriegsweſens, die in der Geruſalemme vorkommen, zu berichtigen. Aber ſeit Taſſo einmal Miene gemacht in die Dienſte der Medici uͤberzutreten, wurden ſie nie wieder rechte Freunde: der arme Dichter entfernte ſich: durch einen unwiderſtehlichen Hang gezogen kehrte er wieder zuruͤck: dann waren einige Schmaͤhworte, die er in einem Anfall ſeiner Melancholie ausſtieß, hinreichend um den Herzog zu beſtimmen, daß er den Ungluͤcklichen ſieben lange Jahre hindurch gefangen hielt 1). Es iſt das noch einmal ganz das italieniſche Fuͤrſten- Alfonſo II. nun mußte begegnen, daß er von drei Ge- 1) Serassi: Vita del Tasso p. 282.
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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
lancholiſche Taſſo ſich auf die Laͤnge nicht behaupten. Der
Herzog ſchien ihn zu lieben, hoͤrte ihn gern, nahm ihn oft mit
ſich aufs Land, und verſchmaͤhte es ſogar nicht die Schilderun-
gen des Kriegsweſens, die in der Geruſalemme vorkommen,
zu berichtigen. Aber ſeit Taſſo einmal Miene gemacht in
die Dienſte der Medici uͤberzutreten, wurden ſie nie wieder
rechte Freunde: der arme Dichter entfernte ſich: durch einen
unwiderſtehlichen Hang gezogen kehrte er wieder zuruͤck:
dann waren einige Schmaͤhworte, die er in einem Anfall
ſeiner Melancholie ausſtieß, hinreichend um den Herzog
zu beſtimmen, daß er den Ungluͤcklichen ſieben lange Jahre
hindurch gefangen hielt 1).
Es iſt das noch einmal ganz das italieniſche Fuͤrſten-
thum, wie es im funfzehnten Jahrhundert ausgebildet wor-
den: auf wohlberechneten politiſchen Verhaͤltniſſen beruhend,
in dem Innern unbeſchraͤnkt und gewaltſam, mit Glanz
umgeben, mit der Literatur verbuͤndet, eiferſuͤchtig auch auf
den Schein der Gewalt. Sonderbare Geſtalt menſchlicher
Dinge! Die Kraͤfte des Landes bringen den Hof hervor,
der Mittelpunkt des Hofes iſt der Fuͤrſt, das letzte Pro-
duct des geſammten Lebens iſt zuletzt das Selbſtgefuͤhl des
Fuͤrſten. Aus ſeiner Stellung zur Welt, dem Gehorſam
den er findet, der Verehrung die man ihm widmet, ent-
ſpringt ihm das Gefuͤhl ſeines Werthes, ſeiner Bedeutung.
Alfonſo II. nun mußte begegnen, daß er von drei Ge-
mahlinnen keine Nachkommen bekam. Es ſpricht ſeine
ganze Politik aus, wie er ſich unter dieſen Umſtaͤnden be-
trug.
1) Serassi: Vita del Tasso p. 282.
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