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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Ferrara unter Alfonso II.
Sprößling: nicht lange nachdem er in den Pallast getreten,
ward er todt aus demselben herausgetragen. Der Herzog
sagte, der junge Mensch sey im Gespräch mit ihm plötz-
lich vom Schlage gerührt worden. Allein Niemand glaubte
ihm das, an der Leiche nahm man Spuren von Gewaltthä-
tigkeiten wahr: auch bekannten die Freunde des Herzogs,
der Herr habe ihn tödten lassen, sie entschuldigten ihn nur
damit, daß er den berühmten Namen nicht mit einer schimpf-
lichern Todesart habe schänden wollen 1).

Eine Justiz die Jedermann in Schrecken hielt. Das
Schlimmste ist, daß die Güter des Hauses nunmehr an den
Herzog fallen mußten.

Aber überhaupt wäre es Keinem zu rathen gewesen
sich dem Herrn im Mindesten entgegenzusetzen 2). Dieser
Hof war ein sehr schlüpfriger Boden. So fein Monteca-
tino auch war, so konnte er sich doch nicht bis zuletzt hal-
ten. Panigarola, damals der berühmteste Prediger in Ita-
lien, war nicht ohne Mühe nach Ferrara gezogen worden:
plötzlich ward er mit Ungestüm verwiesen: man fragte sich,
was sein Verbrechen sey: man fand nichts, als daß er we-
gen einer Beförderung nach einer andern Seite hin unterhan-
delt habe. Da konnte auch der unbeständige, reizbare, me-

1) Frizzi: Memorie IV, 382.
2) Wenn Tasso nicht in gutem Humor ist, drückt er sich an-
ders aus als oben: Perche io conosceva, sagt er in einem Schrei-
ben an den Herzog von Urbino, il duca per natural inclinatione
dispostissimo alla malignita e pieno d'una certa ambitiosa alte-
rezza, la quale egli trae della nobilta del sangue e della co-
noscenza ch'egli ha del suo valore, del quale in molte cose non
si da punto ad intendere il falso -- -- (Lettere n. 284. Opere
tom. IX, 188.)

Ferrara unter Alfonſo II.
Sproͤßling: nicht lange nachdem er in den Pallaſt getreten,
ward er todt aus demſelben herausgetragen. Der Herzog
ſagte, der junge Menſch ſey im Geſpraͤch mit ihm ploͤtz-
lich vom Schlage geruͤhrt worden. Allein Niemand glaubte
ihm das, an der Leiche nahm man Spuren von Gewaltthaͤ-
tigkeiten wahr: auch bekannten die Freunde des Herzogs,
der Herr habe ihn toͤdten laſſen, ſie entſchuldigten ihn nur
damit, daß er den beruͤhmten Namen nicht mit einer ſchimpf-
lichern Todesart habe ſchaͤnden wollen 1).

Eine Juſtiz die Jedermann in Schrecken hielt. Das
Schlimmſte iſt, daß die Guͤter des Hauſes nunmehr an den
Herzog fallen mußten.

Aber uͤberhaupt waͤre es Keinem zu rathen geweſen
ſich dem Herrn im Mindeſten entgegenzuſetzen 2). Dieſer
Hof war ein ſehr ſchluͤpfriger Boden. So fein Monteca-
tino auch war, ſo konnte er ſich doch nicht bis zuletzt hal-
ten. Panigarola, damals der beruͤhmteſte Prediger in Ita-
lien, war nicht ohne Muͤhe nach Ferrara gezogen worden:
ploͤtzlich ward er mit Ungeſtuͤm verwieſen: man fragte ſich,
was ſein Verbrechen ſey: man fand nichts, als daß er we-
gen einer Befoͤrderung nach einer andern Seite hin unterhan-
delt habe. Da konnte auch der unbeſtaͤndige, reizbare, me-

1) Frizzi: Memorie IV, 382.
2) Wenn Taſſo nicht in gutem Humor iſt, druͤckt er ſich an-
ders aus als oben: Perchè io conosceva, ſagt er in einem Schrei-
ben an den Herzog von Urbino, il duca per natural inclinatione
dispostissimo alla malignità e pieno d’una certa ambitiosa alte-
rezza, la quale egli trae della nobiltà del sangue e della co-
noscenza ch’egli ha del suo valore, del quale in molte cose non
si da punto ad intendere il falso — — (Lettere n. 284. Opere
tom. IX, 188.)
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[263/0275] Ferrara unter Alfonſo II. Sproͤßling: nicht lange nachdem er in den Pallaſt getreten, ward er todt aus demſelben herausgetragen. Der Herzog ſagte, der junge Menſch ſey im Geſpraͤch mit ihm ploͤtz- lich vom Schlage geruͤhrt worden. Allein Niemand glaubte ihm das, an der Leiche nahm man Spuren von Gewaltthaͤ- tigkeiten wahr: auch bekannten die Freunde des Herzogs, der Herr habe ihn toͤdten laſſen, ſie entſchuldigten ihn nur damit, daß er den beruͤhmten Namen nicht mit einer ſchimpf- lichern Todesart habe ſchaͤnden wollen 1). Eine Juſtiz die Jedermann in Schrecken hielt. Das Schlimmſte iſt, daß die Guͤter des Hauſes nunmehr an den Herzog fallen mußten. Aber uͤberhaupt waͤre es Keinem zu rathen geweſen ſich dem Herrn im Mindeſten entgegenzuſetzen 2). Dieſer Hof war ein ſehr ſchluͤpfriger Boden. So fein Monteca- tino auch war, ſo konnte er ſich doch nicht bis zuletzt hal- ten. Panigarola, damals der beruͤhmteſte Prediger in Ita- lien, war nicht ohne Muͤhe nach Ferrara gezogen worden: ploͤtzlich ward er mit Ungeſtuͤm verwieſen: man fragte ſich, was ſein Verbrechen ſey: man fand nichts, als daß er we- gen einer Befoͤrderung nach einer andern Seite hin unterhan- delt habe. Da konnte auch der unbeſtaͤndige, reizbare, me- 1) Frizzi: Memorie IV, 382. 2) Wenn Taſſo nicht in gutem Humor iſt, druͤckt er ſich an- ders aus als oben: Perchè io conosceva, ſagt er in einem Schrei- ben an den Herzog von Urbino, il duca per natural inclinatione dispostissimo alla malignità e pieno d’una certa ambitiosa alte- rezza, la quale egli trae della nobiltà del sangue e della co- noscenza ch’egli ha del suo valore, del quale in molte cose non si da punto ad intendere il falso — — (Lettere n. 284. Opere tom. IX, 188.)

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/275>, abgerufen am 22.11.2024.