Dazu kamen nun noch unzählige, mehr die Privatleute als gerade den Staat selbst angehende Streitpunkte. Ich will nur Einen anführen.
Man weiß, wie sehr im Anfange des sechszehnten Jahrhunderts die venezianischen Druckereien blühten: die Republik war stolz auf diesen ehrenvollen Gewerbzweig: aber durch die Anordnungen der Curie ging er nach und nach zu Grunde. Man fand in Rom kein Ende Bücher zu verbieten: erst die protestantischen, dann die Schriften wider die Sitten der Geistlichkeit, wider die kirchliche Im- munität, alle die vom Dogma im geringsten abwichen, die gesammten Werke eines Autors, der einmal Tadel er- fahren. Der Verkehr konnte nur noch in untadelhaft ka- tholischen Sachen Statt finden: kaufmännisch betrachtet, erholte er sich wirklich ein wenig an den kunstreichen und prächtigen Messalen und Breviarien, die bei der Erneuerung der kirchlichen Gesinnungen guten Absatz fanden. Jetzt aber ward auch dieser Erwerb geschmälert. Man legte zu Rom Hand an eine Verbesserung dieser Bücher, die in ih- rer neuen Gestalt von Rom selbst ausgehn sollten 1). Die Venezianer bemerkten mit jenem Ingrimme, den ein zum Privatvortheil benutzter Gebrauch der öffentlichen Gewalt immer hervorbringt, daß einige bei der Congregation des Index, welche die Drucksachen beaufsichtigte, angestellte
Uebel steuern sollten. Aber Contarini sagt: In effetto monto poco perciocche il foro era gia fatto e l'abuso troppo confermato che distornarlo era piu che malagevole.
1)Contarini: Al presente s'era devenuto in Roma in que- sto pensiero di ristampar messali et altro, levando di poterlo far ad altri.
BuchVI.Innere Streitigkeiten.
Dazu kamen nun noch unzaͤhlige, mehr die Privatleute als gerade den Staat ſelbſt angehende Streitpunkte. Ich will nur Einen anfuͤhren.
Man weiß, wie ſehr im Anfange des ſechszehnten Jahrhunderts die venezianiſchen Druckereien bluͤhten: die Republik war ſtolz auf dieſen ehrenvollen Gewerbzweig: aber durch die Anordnungen der Curie ging er nach und nach zu Grunde. Man fand in Rom kein Ende Buͤcher zu verbieten: erſt die proteſtantiſchen, dann die Schriften wider die Sitten der Geiſtlichkeit, wider die kirchliche Im- munitaͤt, alle die vom Dogma im geringſten abwichen, die geſammten Werke eines Autors, der einmal Tadel er- fahren. Der Verkehr konnte nur noch in untadelhaft ka- tholiſchen Sachen Statt finden: kaufmaͤnniſch betrachtet, erholte er ſich wirklich ein wenig an den kunſtreichen und praͤchtigen Meſſalen und Breviarien, die bei der Erneuerung der kirchlichen Geſinnungen guten Abſatz fanden. Jetzt aber ward auch dieſer Erwerb geſchmaͤlert. Man legte zu Rom Hand an eine Verbeſſerung dieſer Buͤcher, die in ih- rer neuen Geſtalt von Rom ſelbſt ausgehn ſollten 1). Die Venezianer bemerkten mit jenem Ingrimme, den ein zum Privatvortheil benutzter Gebrauch der oͤffentlichen Gewalt immer hervorbringt, daß einige bei der Congregation des Index, welche die Druckſachen beaufſichtigte, angeſtellte
Uebel ſteuern ſollten. Aber Contarini ſagt: In effetto montò poco perciocchè il foro era già fatto e l’abuso troppo confermato che distornarlo era più che malagevole.
1)Contarini: Al presente s’era devenuto in Roma in que- sto pensiero di ristampar messali et altro, levando di poterlo far ad altri.
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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
Dazu kamen nun noch unzaͤhlige, mehr die Privatleute
als gerade den Staat ſelbſt angehende Streitpunkte. Ich
will nur Einen anfuͤhren.
Man weiß, wie ſehr im Anfange des ſechszehnten
Jahrhunderts die venezianiſchen Druckereien bluͤhten: die
Republik war ſtolz auf dieſen ehrenvollen Gewerbzweig:
aber durch die Anordnungen der Curie ging er nach und
nach zu Grunde. Man fand in Rom kein Ende Buͤcher
zu verbieten: erſt die proteſtantiſchen, dann die Schriften
wider die Sitten der Geiſtlichkeit, wider die kirchliche Im-
munitaͤt, alle die vom Dogma im geringſten abwichen,
die geſammten Werke eines Autors, der einmal Tadel er-
fahren. Der Verkehr konnte nur noch in untadelhaft ka-
tholiſchen Sachen Statt finden: kaufmaͤnniſch betrachtet,
erholte er ſich wirklich ein wenig an den kunſtreichen und
praͤchtigen Meſſalen und Breviarien, die bei der Erneuerung
der kirchlichen Geſinnungen guten Abſatz fanden. Jetzt
aber ward auch dieſer Erwerb geſchmaͤlert. Man legte zu
Rom Hand an eine Verbeſſerung dieſer Buͤcher, die in ih-
rer neuen Geſtalt von Rom ſelbſt ausgehn ſollten 1). Die
Venezianer bemerkten mit jenem Ingrimme, den ein zum
Privatvortheil benutzter Gebrauch der oͤffentlichen Gewalt
immer hervorbringt, daß einige bei der Congregation des
Index, welche die Druckſachen beaufſichtigte, angeſtellte
1)
1) Contarini: Al presente s’era devenuto in Roma in que-
sto pensiero di ristampar messali et altro, levando di poterlo
far ad altri.
1) Uebel ſteuern ſollten. Aber Contarini ſagt: In effetto montò poco
perciocchè il foro era già fatto e l’abuso troppo confermato che
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 330. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/342>, abgerufen am 23.11.2024.
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