Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Buch VI. Innere Streitigkeiten.

Am 17ten April 1606 sprach der Papst in der stren-
gen Form früherer Jahrhunderte, mit ausdrücklicher Be-
ziehung auf so allgewaltige Vorgänger wie Innocenz III.
einer gewesen war, über Doge, Senat und sämmtliche
Staatsgewalten von Venedig, ausdrücklich auch über die
Consultoren, die Excommunication aus. Zu etwanigem Wi-
derruf gestattete er den Verurtheilten nur die kürzesten Fri-
sten: drei von acht, eine von drei Tagen. Nach deren
Verlauf sollten alle Kirchen des venezianischen Gebietes,
Klosterkirchen und Privatcapellen nicht ausgenommen,
dem Verbote des Gottesdienstes, dem Interdict unterliegen.
Den Geistlichen des Landes ward zur Pflicht gemacht dieß
Breve der Verdammung vor den versammelten Gemeinden
abzukündigen, und es an den Kirchthüren anschlagen zu
lassen 1). Allesammt, vom Patriarchen bis zum Pfarrer,
wurden sie bei schweren Strafen, göttlichen und menschli-
chen Gerichtes, dazu angewiesen.

So geschah der Angriff. Nicht so gewaltig nahm sich
die Vertheidigung aus.

Es war in dem Collegium von Venedig vorgeschla-
gen worden, eine feierliche Protestation einzulegen, wie in
frühern Zeiten geschehen: doch ward dieß nicht beliebt, aus
dem Grunde, weil das Urtheil des Papstes an sich null
und nichtig sey, und gar nicht einmal einen Schein von Ge-
rechtigkeit habe. In einem kleinen Erlaß, auf einem Quart-

1) Mentre in esse si trovera adunata maggior moltitudine
di popolo per sentir li divini officj.
Wie es in Ferrara mit so
großem Erfolge geschehen war. Breve di censure et interdetto
della Sta di NSre P. Paolo V contra li Sri Venetiani
1606.
Buch VI. Innere Streitigkeiten.

Am 17ten April 1606 ſprach der Papſt in der ſtren-
gen Form fruͤherer Jahrhunderte, mit ausdruͤcklicher Be-
ziehung auf ſo allgewaltige Vorgaͤnger wie Innocenz III.
einer geweſen war, uͤber Doge, Senat und ſaͤmmtliche
Staatsgewalten von Venedig, ausdruͤcklich auch uͤber die
Conſultoren, die Excommunication aus. Zu etwanigem Wi-
derruf geſtattete er den Verurtheilten nur die kuͤrzeſten Fri-
ſten: drei von acht, eine von drei Tagen. Nach deren
Verlauf ſollten alle Kirchen des venezianiſchen Gebietes,
Kloſterkirchen und Privatcapellen nicht ausgenommen,
dem Verbote des Gottesdienſtes, dem Interdict unterliegen.
Den Geiſtlichen des Landes ward zur Pflicht gemacht dieß
Breve der Verdammung vor den verſammelten Gemeinden
abzukuͤndigen, und es an den Kirchthuͤren anſchlagen zu
laſſen 1). Alleſammt, vom Patriarchen bis zum Pfarrer,
wurden ſie bei ſchweren Strafen, goͤttlichen und menſchli-
chen Gerichtes, dazu angewieſen.

So geſchah der Angriff. Nicht ſo gewaltig nahm ſich
die Vertheidigung aus.

Es war in dem Collegium von Venedig vorgeſchla-
gen worden, eine feierliche Proteſtation einzulegen, wie in
fruͤhern Zeiten geſchehen: doch ward dieß nicht beliebt, aus
dem Grunde, weil das Urtheil des Papſtes an ſich null
und nichtig ſey, und gar nicht einmal einen Schein von Ge-
rechtigkeit habe. In einem kleinen Erlaß, auf einem Quart-

1) Mentre in esse si troverà adunata maggior moltitudine
di popolo per sentir li divini officj.
Wie es in Ferrara mit ſo
großem Erfolge geſchehen war. Breve di censure et interdetto
della S di NSre P. Paolo V contra li Sri Venetiani
1606.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0354" n="342"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VI.</hi><hi rendition="#g">Innere Streitigkeiten</hi>.</fw><lb/>
          <p>Am 17ten April 1606 &#x017F;prach der Pap&#x017F;t in der &#x017F;tren-<lb/>
gen Form fru&#x0364;herer Jahrhunderte, mit ausdru&#x0364;cklicher Be-<lb/>
ziehung auf &#x017F;o allgewaltige Vorga&#x0364;nger wie Innocenz <hi rendition="#aq">III.</hi><lb/>
einer gewe&#x017F;en war, u&#x0364;ber Doge, Senat und &#x017F;a&#x0364;mmtliche<lb/>
Staatsgewalten von Venedig, ausdru&#x0364;cklich auch u&#x0364;ber die<lb/>
Con&#x017F;ultoren, die Excommunication aus. Zu etwanigem Wi-<lb/>
derruf ge&#x017F;tattete er den Verurtheilten nur die ku&#x0364;rze&#x017F;ten Fri-<lb/>
&#x017F;ten: drei von acht, eine von drei Tagen. Nach deren<lb/>
Verlauf &#x017F;ollten alle Kirchen des veneziani&#x017F;chen Gebietes,<lb/>
Klo&#x017F;terkirchen und Privatcapellen nicht ausgenommen,<lb/>
dem Verbote des Gottesdien&#x017F;tes, dem Interdict unterliegen.<lb/>
Den Gei&#x017F;tlichen des Landes ward zur Pflicht gemacht dieß<lb/>
Breve der Verdammung vor den ver&#x017F;ammelten Gemeinden<lb/>
abzuku&#x0364;ndigen, und es an den Kirchthu&#x0364;ren an&#x017F;chlagen zu<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en <note place="foot" n="1)"><hi rendition="#aq">Mentre in esse si troverà adunata maggior moltitudine<lb/>
di popolo per sentir li divini officj.</hi> Wie es in Ferrara mit &#x017F;o<lb/>
großem Erfolge ge&#x017F;chehen war. <hi rendition="#aq">Breve di censure et interdetto<lb/>
della S<hi rendition="#sup"></hi> di NS<hi rendition="#sup">re</hi> P. Paolo V contra li S<hi rendition="#sup">ri</hi> Venetiani</hi> 1606.</note>. Alle&#x017F;ammt, vom Patriarchen bis zum Pfarrer,<lb/>
wurden &#x017F;ie bei &#x017F;chweren Strafen, go&#x0364;ttlichen und men&#x017F;chli-<lb/>
chen Gerichtes, dazu angewie&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>So ge&#x017F;chah der Angriff. Nicht &#x017F;o gewaltig nahm &#x017F;ich<lb/>
die Vertheidigung aus.</p><lb/>
          <p>Es war in dem Collegium von Venedig vorge&#x017F;chla-<lb/>
gen worden, eine feierliche Prote&#x017F;tation einzulegen, wie in<lb/>
fru&#x0364;hern Zeiten ge&#x017F;chehen: doch ward dieß nicht beliebt, aus<lb/>
dem Grunde, weil das Urtheil des Pap&#x017F;tes an &#x017F;ich null<lb/>
und nichtig &#x017F;ey, und gar nicht einmal einen Schein von Ge-<lb/>
rechtigkeit habe. In einem kleinen Erlaß, auf einem Quart-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[342/0354] Buch VI. Innere Streitigkeiten. Am 17ten April 1606 ſprach der Papſt in der ſtren- gen Form fruͤherer Jahrhunderte, mit ausdruͤcklicher Be- ziehung auf ſo allgewaltige Vorgaͤnger wie Innocenz III. einer geweſen war, uͤber Doge, Senat und ſaͤmmtliche Staatsgewalten von Venedig, ausdruͤcklich auch uͤber die Conſultoren, die Excommunication aus. Zu etwanigem Wi- derruf geſtattete er den Verurtheilten nur die kuͤrzeſten Fri- ſten: drei von acht, eine von drei Tagen. Nach deren Verlauf ſollten alle Kirchen des venezianiſchen Gebietes, Kloſterkirchen und Privatcapellen nicht ausgenommen, dem Verbote des Gottesdienſtes, dem Interdict unterliegen. Den Geiſtlichen des Landes ward zur Pflicht gemacht dieß Breve der Verdammung vor den verſammelten Gemeinden abzukuͤndigen, und es an den Kirchthuͤren anſchlagen zu laſſen 1). Alleſammt, vom Patriarchen bis zum Pfarrer, wurden ſie bei ſchweren Strafen, goͤttlichen und menſchli- chen Gerichtes, dazu angewieſen. So geſchah der Angriff. Nicht ſo gewaltig nahm ſich die Vertheidigung aus. Es war in dem Collegium von Venedig vorgeſchla- gen worden, eine feierliche Proteſtation einzulegen, wie in fruͤhern Zeiten geſchehen: doch ward dieß nicht beliebt, aus dem Grunde, weil das Urtheil des Papſtes an ſich null und nichtig ſey, und gar nicht einmal einen Schein von Ge- rechtigkeit habe. In einem kleinen Erlaß, auf einem Quart- 1) Mentre in esse si troverà adunata maggior moltitudine di popolo per sentir li divini officj. Wie es in Ferrara mit ſo großem Erfolge geſchehen war. Breve di censure et interdetto della Stà di NSre P. Paolo V contra li Sri Venetiani 1606.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/354
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/354>, abgerufen am 21.11.2024.