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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

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Buch VI. Innere Streitigkeiten.
ten. Die beiden mächtigsten Orden traten gegen einander
in die Schranken: jene beiden Mächte selbst nahmen ge-
wissermaßen Partei: in Rom hatte man nicht den Muth
eine Entscheidung auszusprechen.

Und hiezu kamen nun die Irrungen über die Gren-
zen der geistlichen und der weltlichen Gerichtsbarkeit: Ir-
rungen die einen localen Ursprung hatten, mit einem nicht
eben sehr mächtigen Nachbar, die aber mit einem Geist
und Nachdruck geführt wurden, durch welche sie eine all-
gemeine Bedeutung erlangten 1). Billig hält man in allen
katholischen Staaten das Andenken Paolo Sarpi's in ho-
hen Ehren. Er hat die Grundlagen zu den kirchlichen Be-
rechtigungen, deren sie sich sämmtlich erfreuen, durchge-
kämpft. Der Papst vermochte nicht ihn zu beseitigen.

Gegensätze der Ideen und der Lehre, der Verfassung
und der Macht, die nun jener kirchlich weltlichen Einheit,
welche das Papstthum darzustellen suchte, gewaltig wider-
strebten und sie zu zersetzen drohten.

Der Gang der Dinge zeigt jedoch, daß die zusammen-
haltenden Ideen noch einmal die stärkern waren. Den in-
nern Widerstreit konnte man nicht versöhnen, aber es ge-
lang einen eigentlichen Kampf zu vermeiden. Der Friede
zwischen den großen Mächten ward hergestellt und erhal-
ten: die italienischen Interessen erhoben sich noch nicht zu
vollem Bewußtseyn und einwirkender Thätigkeit; den strei-

1) V. Sta, ruft P. Priuli bei seiner Rückkehr von Frankreich
aus, a dichiarito, si puo dire, sin a quai termini sia permesso
al pontefice estendere la sua temporale e spirituale autorita
(Relatione di Francia 1608).

Buch VI. Innere Streitigkeiten.
ten. Die beiden maͤchtigſten Orden traten gegen einander
in die Schranken: jene beiden Maͤchte ſelbſt nahmen ge-
wiſſermaßen Partei: in Rom hatte man nicht den Muth
eine Entſcheidung auszuſprechen.

Und hiezu kamen nun die Irrungen uͤber die Gren-
zen der geiſtlichen und der weltlichen Gerichtsbarkeit: Ir-
rungen die einen localen Urſprung hatten, mit einem nicht
eben ſehr maͤchtigen Nachbar, die aber mit einem Geiſt
und Nachdruck gefuͤhrt wurden, durch welche ſie eine all-
gemeine Bedeutung erlangten 1). Billig haͤlt man in allen
katholiſchen Staaten das Andenken Paolo Sarpi’s in ho-
hen Ehren. Er hat die Grundlagen zu den kirchlichen Be-
rechtigungen, deren ſie ſich ſaͤmmtlich erfreuen, durchge-
kaͤmpft. Der Papſt vermochte nicht ihn zu beſeitigen.

Gegenſaͤtze der Ideen und der Lehre, der Verfaſſung
und der Macht, die nun jener kirchlich weltlichen Einheit,
welche das Papſtthum darzuſtellen ſuchte, gewaltig wider-
ſtrebten und ſie zu zerſetzen drohten.

Der Gang der Dinge zeigt jedoch, daß die zuſammen-
haltenden Ideen noch einmal die ſtaͤrkern waren. Den in-
nern Widerſtreit konnte man nicht verſoͤhnen, aber es ge-
lang einen eigentlichen Kampf zu vermeiden. Der Friede
zwiſchen den großen Maͤchten ward hergeſtellt und erhal-
ten: die italieniſchen Intereſſen erhoben ſich noch nicht zu
vollem Bewußtſeyn und einwirkender Thaͤtigkeit; den ſtrei-

1) V. S, ruft P. Priuli bei ſeiner Ruͤckkehr von Frankreich
aus, a dichiarito, si può dire, sin a quai termini sia permesso
al pontefice estendere la sua temporale e spirituale autorità
(Relatione di Francia 1608).
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[358/0370] Buch VI. Innere Streitigkeiten. ten. Die beiden maͤchtigſten Orden traten gegen einander in die Schranken: jene beiden Maͤchte ſelbſt nahmen ge- wiſſermaßen Partei: in Rom hatte man nicht den Muth eine Entſcheidung auszuſprechen. Und hiezu kamen nun die Irrungen uͤber die Gren- zen der geiſtlichen und der weltlichen Gerichtsbarkeit: Ir- rungen die einen localen Urſprung hatten, mit einem nicht eben ſehr maͤchtigen Nachbar, die aber mit einem Geiſt und Nachdruck gefuͤhrt wurden, durch welche ſie eine all- gemeine Bedeutung erlangten 1). Billig haͤlt man in allen katholiſchen Staaten das Andenken Paolo Sarpi’s in ho- hen Ehren. Er hat die Grundlagen zu den kirchlichen Be- rechtigungen, deren ſie ſich ſaͤmmtlich erfreuen, durchge- kaͤmpft. Der Papſt vermochte nicht ihn zu beſeitigen. Gegenſaͤtze der Ideen und der Lehre, der Verfaſſung und der Macht, die nun jener kirchlich weltlichen Einheit, welche das Papſtthum darzuſtellen ſuchte, gewaltig wider- ſtrebten und ſie zu zerſetzen drohten. Der Gang der Dinge zeigt jedoch, daß die zuſammen- haltenden Ideen noch einmal die ſtaͤrkern waren. Den in- nern Widerſtreit konnte man nicht verſoͤhnen, aber es ge- lang einen eigentlichen Kampf zu vermeiden. Der Friede zwiſchen den großen Maͤchten ward hergeſtellt und erhal- ten: die italieniſchen Intereſſen erhoben ſich noch nicht zu vollem Bewußtſeyn und einwirkender Thaͤtigkeit; den ſtrei- 1) V. Stà, ruft P. Priuli bei ſeiner Ruͤckkehr von Frankreich aus, a dichiarito, si può dire, sin a quai termini sia permesso al pontefice estendere la sua temporale e spirituale autorità (Relatione di Francia 1608).

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/370>, abgerufen am 21.11.2024.