betrachten. Auf deutschem Boden, in unserer Heimath be- siegten sie uns, und entrissen uns einen Theil unseres Va- terlandes. Ohne Zweifel kam dieß auch daher, daß die deut- schen Theologen sich weder unter sich selbst verständigt hatten, noch großgesinnt genug waren, um die minder wesentlichen Widersprüche an einander zu dulden. Die Extreme der Meinungen waren ergriffen worden: man befehdete sich mit rücksichtsloser Wildheit; so daß man die noch nicht vollkom- men Ueberzeugten irre machte und damit diesen Fremdlin- gen den Weg bahnte, welche mit einer klug angelegten, bis in das Einzelnste ausgebildeten, keinen Zweifel übrig lassen- den Doctrin nun auch ihrerseits die Gemüther bezwangen.
Anfang der Gegenreformationen in Deutschland.
Bei alle dem liegt doch auch am Tage, daß es den Jesuiten nicht so leicht hätte gelingen können, ohne die Hülfe des weltlichen Armes, ohne die Gunst der Fürsten des Reiches.
Denn wie mit den theologischen, so war es mit den politischen Fragen gegangen: zu einer Maaßregel, durch welche die ihrem Wesen nach hierarchische Reichsverfassung mit den neuen Verhältnissen der Religion in Einklang ge- kommen wäre, hatte man es nicht gebracht. Die Summe des Religionsfriedens, wie man ihn gleich anfangs ver- stand und nachher auslegte, war eine neue Erweiterung der Landeshoheit. Die Landschaften bekamen auch in Hin- sicht der Religion einen hohen Grad von Autonomie. Auf
Buch V. Gegenreformationen.
betrachten. Auf deutſchem Boden, in unſerer Heimath be- ſiegten ſie uns, und entriſſen uns einen Theil unſeres Va- terlandes. Ohne Zweifel kam dieß auch daher, daß die deut- ſchen Theologen ſich weder unter ſich ſelbſt verſtaͤndigt hatten, noch großgeſinnt genug waren, um die minder weſentlichen Widerſpruͤche an einander zu dulden. Die Extreme der Meinungen waren ergriffen worden: man befehdete ſich mit ruͤckſichtsloſer Wildheit; ſo daß man die noch nicht vollkom- men Ueberzeugten irre machte und damit dieſen Fremdlin- gen den Weg bahnte, welche mit einer klug angelegten, bis in das Einzelnſte ausgebildeten, keinen Zweifel uͤbrig laſſen- den Doctrin nun auch ihrerſeits die Gemuͤther bezwangen.
Anfang der Gegenreformationen in Deutſchland.
Bei alle dem liegt doch auch am Tage, daß es den Jeſuiten nicht ſo leicht haͤtte gelingen koͤnnen, ohne die Huͤlfe des weltlichen Armes, ohne die Gunſt der Fuͤrſten des Reiches.
Denn wie mit den theologiſchen, ſo war es mit den politiſchen Fragen gegangen: zu einer Maaßregel, durch welche die ihrem Weſen nach hierarchiſche Reichsverfaſſung mit den neuen Verhaͤltniſſen der Religion in Einklang ge- kommen waͤre, hatte man es nicht gebracht. Die Summe des Religionsfriedens, wie man ihn gleich anfangs ver- ſtand und nachher auslegte, war eine neue Erweiterung der Landeshoheit. Die Landſchaften bekamen auch in Hin- ſicht der Religion einen hohen Grad von Autonomie. Auf
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Buch V. Gegenreformationen.
betrachten. Auf deutſchem Boden, in unſerer Heimath be-
ſiegten ſie uns, und entriſſen uns einen Theil unſeres Va-
terlandes. Ohne Zweifel kam dieß auch daher, daß die deut-
ſchen Theologen ſich weder unter ſich ſelbſt verſtaͤndigt hatten,
noch großgeſinnt genug waren, um die minder weſentlichen
Widerſpruͤche an einander zu dulden. Die Extreme der
Meinungen waren ergriffen worden: man befehdete ſich mit
ruͤckſichtsloſer Wildheit; ſo daß man die noch nicht vollkom-
men Ueberzeugten irre machte und damit dieſen Fremdlin-
gen den Weg bahnte, welche mit einer klug angelegten, bis
in das Einzelnſte ausgebildeten, keinen Zweifel uͤbrig laſſen-
den Doctrin nun auch ihrerſeits die Gemuͤther bezwangen.
Anfang der Gegenreformationen in Deutſchland.
Bei alle dem liegt doch auch am Tage, daß es den
Jeſuiten nicht ſo leicht haͤtte gelingen koͤnnen, ohne die Huͤlfe
des weltlichen Armes, ohne die Gunſt der Fuͤrſten des
Reiches.
Denn wie mit den theologiſchen, ſo war es mit den
politiſchen Fragen gegangen: zu einer Maaßregel, durch
welche die ihrem Weſen nach hierarchiſche Reichsverfaſſung
mit den neuen Verhaͤltniſſen der Religion in Einklang ge-
kommen waͤre, hatte man es nicht gebracht. Die Summe
des Religionsfriedens, wie man ihn gleich anfangs ver-
ſtand und nachher auslegte, war eine neue Erweiterung
der Landeshoheit. Die Landſchaften bekamen auch in Hin-
ſicht der Religion einen hohen Grad von Autonomie. Auf
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/48>, abgerufen am 03.12.2024.
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