das Normaljahr, auf welches die Dinge zurückzuführen seyen, angenommen wurde; dagegen bekam der protestanti- sche Theil die ihm so unentbehrliche, so lange vorenthal- tene Parität. Nach diesem Princip wurden alle Reichs- verhältnisse geregelt.
Wie durfte man da so gar nicht mehr an Unternehmungen denken wie sie früher gewagt worden und gelungen waren.
Vielmehr wirkten die Resultate der deutschen Kämpfe unmittelbar auf die benachbarten Länder zurück.
Obwohl der Kaiser in seinen Erblanden den Katholi- cismus aufrecht zu erhalten vermocht hatte, mußte er doch in Ungarn den Protestanten Zugeständnisse machen: im Jahre 1645 sah er sich genöthigt ihnen eine nicht geringe An- zahl Kirchen zurückzugeben.
Und hätte nun wohl nach jenem Aufschwunge der Schweden zu einer universalen Bedeutung Polen jemals daran denken können, die alten Ansprüche an dieses Land zu erneuern? Wladislav IV. ließ sogar von dem Bekeh- rungseifer seines Vaters ab, und war den Dissidenten ein gnädiger König.
Selbst in Frankreich begünstigte Richelieu die Huge- notten, nachdem sie ihrer politischen Selbständigkeit beraubt waren. Noch bei weitem mehr aber unterstützte er das pro- testantische Princip dadurch, daß er jener vorwaltenden ka- tholischen Macht, der spanischen Monarchie, einen Krieg auf Leben und Tod zu machen fortfuhr, welcher sie in ihren Grundfesten erschütterte. Diese Entzweiung war die einzige die der Papst so ganz ohne Scrupel hätte beilegen können. Während aber alle andern wirklich beseitigt wurden, blieb
Gleichgewichtes der beiden Bekenntniſſe.
das Normaljahr, auf welches die Dinge zuruͤckzufuͤhren ſeyen, angenommen wurde; dagegen bekam der proteſtanti- ſche Theil die ihm ſo unentbehrliche, ſo lange vorenthal- tene Paritaͤt. Nach dieſem Princip wurden alle Reichs- verhaͤltniſſe geregelt.
Wie durfte man da ſo gar nicht mehr an Unternehmungen denken wie ſie fruͤher gewagt worden und gelungen waren.
Vielmehr wirkten die Reſultate der deutſchen Kaͤmpfe unmittelbar auf die benachbarten Laͤnder zuruͤck.
Obwohl der Kaiſer in ſeinen Erblanden den Katholi- cismus aufrecht zu erhalten vermocht hatte, mußte er doch in Ungarn den Proteſtanten Zugeſtaͤndniſſe machen: im Jahre 1645 ſah er ſich genoͤthigt ihnen eine nicht geringe An- zahl Kirchen zuruͤckzugeben.
Und haͤtte nun wohl nach jenem Aufſchwunge der Schweden zu einer univerſalen Bedeutung Polen jemals daran denken koͤnnen, die alten Anſpruͤche an dieſes Land zu erneuern? Wladislav IV. ließ ſogar von dem Bekeh- rungseifer ſeines Vaters ab, und war den Diſſidenten ein gnaͤdiger Koͤnig.
Selbſt in Frankreich beguͤnſtigte Richelieu die Huge- notten, nachdem ſie ihrer politiſchen Selbſtaͤndigkeit beraubt waren. Noch bei weitem mehr aber unterſtuͤtzte er das pro- teſtantiſche Princip dadurch, daß er jener vorwaltenden ka- tholiſchen Macht, der ſpaniſchen Monarchie, einen Krieg auf Leben und Tod zu machen fortfuhr, welcher ſie in ihren Grundfeſten erſchuͤtterte. Dieſe Entzweiung war die einzige die der Papſt ſo ganz ohne Scrupel haͤtte beilegen koͤnnen. Waͤhrend aber alle andern wirklich beſeitigt wurden, blieb
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Gleichgewichtes der beiden Bekenntniſſe.
das Normaljahr, auf welches die Dinge zuruͤckzufuͤhren
ſeyen, angenommen wurde; dagegen bekam der proteſtanti-
ſche Theil die ihm ſo unentbehrliche, ſo lange vorenthal-
tene Paritaͤt. Nach dieſem Princip wurden alle Reichs-
verhaͤltniſſe geregelt.
Wie durfte man da ſo gar nicht mehr an Unternehmungen
denken wie ſie fruͤher gewagt worden und gelungen waren.
Vielmehr wirkten die Reſultate der deutſchen Kaͤmpfe
unmittelbar auf die benachbarten Laͤnder zuruͤck.
Obwohl der Kaiſer in ſeinen Erblanden den Katholi-
cismus aufrecht zu erhalten vermocht hatte, mußte er doch
in Ungarn den Proteſtanten Zugeſtaͤndniſſe machen: im Jahre
1645 ſah er ſich genoͤthigt ihnen eine nicht geringe An-
zahl Kirchen zuruͤckzugeben.
Und haͤtte nun wohl nach jenem Aufſchwunge der
Schweden zu einer univerſalen Bedeutung Polen jemals
daran denken koͤnnen, die alten Anſpruͤche an dieſes Land
zu erneuern? Wladislav IV. ließ ſogar von dem Bekeh-
rungseifer ſeines Vaters ab, und war den Diſſidenten ein
gnaͤdiger Koͤnig.
Selbſt in Frankreich beguͤnſtigte Richelieu die Huge-
notten, nachdem ſie ihrer politiſchen Selbſtaͤndigkeit beraubt
waren. Noch bei weitem mehr aber unterſtuͤtzte er das pro-
teſtantiſche Princip dadurch, daß er jener vorwaltenden ka-
tholiſchen Macht, der ſpaniſchen Monarchie, einen Krieg auf
Leben und Tod zu machen fortfuhr, welcher ſie in ihren
Grundfeſten erſchuͤtterte. Dieſe Entzweiung war die einzige
die der Papſt ſo ganz ohne Scrupel haͤtte beilegen koͤnnen.
Waͤhrend aber alle andern wirklich beſeitigt wurden, blieb
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/583>, abgerufen am 24.11.2024.
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