Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.

Bild:
<< vorherige Seite
Widerstand der Protest. in den Niederlanden.

Es schien fast, als wollten die Spanier in den Nie-
derlanden diese Lehre wörtlich befolgen.

Es schien, als fänden sie am Ende selbst, daß Güter
genug eingezogen, Köpfe genug abgeschlagen worden: daß
die Zeit der Gnade gekommen sey. Im Jahre 1572 ist
der venezianische Gesandte in Madrid überzeugt, daß Ora-
nien Verzeihung erhalten würde, wenn er darum bitten
sollte. Der König empfängt die niederländischen Deputir-
ten, welche gekommen sind, ihn um die Zurücknahme der
Auflage des zehnten Pfennigs zu ersuchen, mit vieler Güte,
und dankt ihnen sogar für ihre Bemühungen: er hatte be-
schlossen Alba zurückzurufen und einen milderen Statthal-
ter hinüberzusenden.

Jedoch schon war es zu spät. Noch in Folge jener
französisch-englischen Verbindung, welche der Bluthochzeit
vorausging, brach die Empörung aus. Alba hatte geglaubt,
am Ende zu seyn: der Kampf fing jedoch nun erst eigent-
lich an: Alba schlug den Feind, so oft er ihn im offenen
Felde traf: dagegen an den Städten von Holland und
Seeland, wo die religiöse Bewegung am tiefsten gegriffen
und der Protestantismus sich sogleich zu lebendigen Orga-
nisationen gestaltet hatte, fand er einen Widerstand, den er
nicht zu überwinden vermochte.

Als in Harlem alle Lebensmittel ausgegangen, bis auf
das Gras, das zwischen den Steinen wächst, beschlossen
die Einwohner noch sich mit Weib und Kind durchzuschla-
gen: zwar nöthigte sie die Zwietracht ihrer Besatzung zu-
letzt Gnade anzunehmen: aber sie hatten doch gezeigt, daß
man den Spaniern widerstehn könne. In Alkmar schloß

Widerſtand der Proteſt. in den Niederlanden.

Es ſchien faſt, als wollten die Spanier in den Nie-
derlanden dieſe Lehre woͤrtlich befolgen.

Es ſchien, als faͤnden ſie am Ende ſelbſt, daß Guͤter
genug eingezogen, Koͤpfe genug abgeſchlagen worden: daß
die Zeit der Gnade gekommen ſey. Im Jahre 1572 iſt
der venezianiſche Geſandte in Madrid uͤberzeugt, daß Ora-
nien Verzeihung erhalten wuͤrde, wenn er darum bitten
ſollte. Der Koͤnig empfaͤngt die niederlaͤndiſchen Deputir-
ten, welche gekommen ſind, ihn um die Zuruͤcknahme der
Auflage des zehnten Pfennigs zu erſuchen, mit vieler Guͤte,
und dankt ihnen ſogar fuͤr ihre Bemuͤhungen: er hatte be-
ſchloſſen Alba zuruͤckzurufen und einen milderen Statthal-
ter hinuͤberzuſenden.

Jedoch ſchon war es zu ſpaͤt. Noch in Folge jener
franzoͤſiſch-engliſchen Verbindung, welche der Bluthochzeit
vorausging, brach die Empoͤrung aus. Alba hatte geglaubt,
am Ende zu ſeyn: der Kampf fing jedoch nun erſt eigent-
lich an: Alba ſchlug den Feind, ſo oft er ihn im offenen
Felde traf: dagegen an den Staͤdten von Holland und
Seeland, wo die religioͤſe Bewegung am tiefſten gegriffen
und der Proteſtantismus ſich ſogleich zu lebendigen Orga-
niſationen geſtaltet hatte, fand er einen Widerſtand, den er
nicht zu uͤberwinden vermochte.

Als in Harlem alle Lebensmittel ausgegangen, bis auf
das Gras, das zwiſchen den Steinen waͤchſt, beſchloſſen
die Einwohner noch ſich mit Weib und Kind durchzuſchla-
gen: zwar noͤthigte ſie die Zwietracht ihrer Beſatzung zu-
letzt Gnade anzunehmen: aber ſie hatten doch gezeigt, daß
man den Spaniern widerſtehn koͤnne. In Alkmar ſchloß

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0081" n="69"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Wider&#x017F;tand der Prote&#x017F;t. in den Niederlanden</hi>.</fw><lb/>
          <p>Es &#x017F;chien fa&#x017F;t, als wollten die Spanier in den Nie-<lb/>
derlanden die&#x017F;e Lehre wo&#x0364;rtlich befolgen.</p><lb/>
          <p>Es &#x017F;chien, als fa&#x0364;nden &#x017F;ie am Ende &#x017F;elb&#x017F;t, daß Gu&#x0364;ter<lb/>
genug eingezogen, Ko&#x0364;pfe genug abge&#x017F;chlagen worden: daß<lb/>
die Zeit der Gnade gekommen &#x017F;ey. Im Jahre 1572 i&#x017F;t<lb/>
der veneziani&#x017F;che Ge&#x017F;andte in Madrid u&#x0364;berzeugt, daß Ora-<lb/>
nien Verzeihung erhalten wu&#x0364;rde, wenn er darum bitten<lb/>
&#x017F;ollte. Der Ko&#x0364;nig empfa&#x0364;ngt die niederla&#x0364;ndi&#x017F;chen Deputir-<lb/>
ten, welche gekommen &#x017F;ind, ihn um die Zuru&#x0364;cknahme der<lb/>
Auflage des zehnten Pfennigs zu er&#x017F;uchen, mit vieler Gu&#x0364;te,<lb/>
und dankt ihnen &#x017F;ogar fu&#x0364;r ihre Bemu&#x0364;hungen: er hatte be-<lb/>
&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en Alba zuru&#x0364;ckzurufen und einen milderen Statthal-<lb/>
ter hinu&#x0364;berzu&#x017F;enden.</p><lb/>
          <p>Jedoch &#x017F;chon war es zu &#x017F;pa&#x0364;t. Noch in Folge jener<lb/>
franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;ch-engli&#x017F;chen Verbindung, welche der Bluthochzeit<lb/>
vorausging, brach die Empo&#x0364;rung aus. Alba hatte geglaubt,<lb/>
am Ende zu &#x017F;eyn: der Kampf fing jedoch nun er&#x017F;t eigent-<lb/>
lich an: Alba &#x017F;chlug den Feind, &#x017F;o oft er ihn im offenen<lb/>
Felde traf: dagegen an den Sta&#x0364;dten von Holland und<lb/>
Seeland, wo die religio&#x0364;&#x017F;e Bewegung am tief&#x017F;ten gegriffen<lb/>
und der Prote&#x017F;tantismus &#x017F;ich &#x017F;ogleich zu lebendigen Orga-<lb/>
ni&#x017F;ationen ge&#x017F;taltet hatte, fand er einen Wider&#x017F;tand, den er<lb/>
nicht zu u&#x0364;berwinden vermochte.</p><lb/>
          <p>Als in Harlem alle Lebensmittel ausgegangen, bis auf<lb/>
das Gras, das zwi&#x017F;chen den Steinen wa&#x0364;ch&#x017F;t, be&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en<lb/>
die Einwohner noch &#x017F;ich mit Weib und Kind durchzu&#x017F;chla-<lb/>
gen: zwar no&#x0364;thigte &#x017F;ie die Zwietracht ihrer Be&#x017F;atzung zu-<lb/>
letzt Gnade anzunehmen: aber &#x017F;ie hatten doch gezeigt, daß<lb/>
man den Spaniern wider&#x017F;tehn ko&#x0364;nne. In Alkmar &#x017F;chloß<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0081] Widerſtand der Proteſt. in den Niederlanden. Es ſchien faſt, als wollten die Spanier in den Nie- derlanden dieſe Lehre woͤrtlich befolgen. Es ſchien, als faͤnden ſie am Ende ſelbſt, daß Guͤter genug eingezogen, Koͤpfe genug abgeſchlagen worden: daß die Zeit der Gnade gekommen ſey. Im Jahre 1572 iſt der venezianiſche Geſandte in Madrid uͤberzeugt, daß Ora- nien Verzeihung erhalten wuͤrde, wenn er darum bitten ſollte. Der Koͤnig empfaͤngt die niederlaͤndiſchen Deputir- ten, welche gekommen ſind, ihn um die Zuruͤcknahme der Auflage des zehnten Pfennigs zu erſuchen, mit vieler Guͤte, und dankt ihnen ſogar fuͤr ihre Bemuͤhungen: er hatte be- ſchloſſen Alba zuruͤckzurufen und einen milderen Statthal- ter hinuͤberzuſenden. Jedoch ſchon war es zu ſpaͤt. Noch in Folge jener franzoͤſiſch-engliſchen Verbindung, welche der Bluthochzeit vorausging, brach die Empoͤrung aus. Alba hatte geglaubt, am Ende zu ſeyn: der Kampf fing jedoch nun erſt eigent- lich an: Alba ſchlug den Feind, ſo oft er ihn im offenen Felde traf: dagegen an den Staͤdten von Holland und Seeland, wo die religioͤſe Bewegung am tiefſten gegriffen und der Proteſtantismus ſich ſogleich zu lebendigen Orga- niſationen geſtaltet hatte, fand er einen Widerſtand, den er nicht zu uͤberwinden vermochte. Als in Harlem alle Lebensmittel ausgegangen, bis auf das Gras, das zwiſchen den Steinen waͤchſt, beſchloſſen die Einwohner noch ſich mit Weib und Kind durchzuſchla- gen: zwar noͤthigte ſie die Zwietracht ihrer Beſatzung zu- letzt Gnade anzunehmen: aber ſie hatten doch gezeigt, daß man den Spaniern widerſtehn koͤnne. In Alkmar ſchloß

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/81
Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste02_1836/81>, abgerufen am 21.11.2024.