Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 2. Berlin, 1836.Buch V. Gegenreformationen. man sich erst in dem Augenblicke an den Prinzen von Ora-nien, als der Feind schon vor den Thoren angekommen; so heldenmüthig wie der Entschluß, war die Vertheidigung: es wäre Keiner vom Platz gewichen, er wäre denn schwer verwundet gewesen: vor diesen Wällen zuerst scheiterten die Angriffe der Spanier. Das Land schöpfte Athem: ein neuer Muth erfüllte die Gemüther. Die Leidener erklär- ten, ehe sie sich ergäben, würden sie lieber ihren linken Arm aufessen, um sich indeß mit dem rechten noch zu ver- theidigen. Sie faßten den kühnen Anschlag, die Wogen der Nordsee wider die Belagerer zu Hülfe zu rufen, ihre Dämme zu durchstechen. Schon hatte ihr Elend den höchsten Grad erreicht, als ein im rechten Augenblicke eintreffender Nord- west das Meer ein paar Fuß hoch in das Land trieb und den Feind verjagte. Da hatten auch die französischen Protestanten sich wie- Jenen Greuelthaten, wie sie von den mächtigsten Für- Buch V. Gegenreformationen. man ſich erſt in dem Augenblicke an den Prinzen von Ora-nien, als der Feind ſchon vor den Thoren angekommen; ſo heldenmuͤthig wie der Entſchluß, war die Vertheidigung: es waͤre Keiner vom Platz gewichen, er waͤre denn ſchwer verwundet geweſen: vor dieſen Waͤllen zuerſt ſcheiterten die Angriffe der Spanier. Das Land ſchoͤpfte Athem: ein neuer Muth erfuͤllte die Gemuͤther. Die Leidener erklaͤr- ten, ehe ſie ſich ergaͤben, wuͤrden ſie lieber ihren linken Arm aufeſſen, um ſich indeß mit dem rechten noch zu ver- theidigen. Sie faßten den kuͤhnen Anſchlag, die Wogen der Nordſee wider die Belagerer zu Huͤlfe zu rufen, ihre Daͤmme zu durchſtechen. Schon hatte ihr Elend den hoͤchſten Grad erreicht, als ein im rechten Augenblicke eintreffender Nord- weſt das Meer ein paar Fuß hoch in das Land trieb und den Feind verjagte. Da hatten auch die franzoͤſiſchen Proteſtanten ſich wie- Jenen Greuelthaten, wie ſie von den maͤchtigſten Fuͤr- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0082" n="70"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch <hi rendition="#aq">V.</hi> Gegenreformationen</hi>.</fw><lb/> man ſich erſt in dem Augenblicke an den Prinzen von Ora-<lb/> nien, als der Feind ſchon vor den Thoren angekommen;<lb/> ſo heldenmuͤthig wie der Entſchluß, war die Vertheidigung:<lb/> es waͤre Keiner vom Platz gewichen, er waͤre denn ſchwer<lb/> verwundet geweſen: vor dieſen Waͤllen zuerſt ſcheiterten<lb/> die Angriffe der Spanier. Das Land ſchoͤpfte Athem: ein<lb/> neuer Muth erfuͤllte die Gemuͤther. Die Leidener erklaͤr-<lb/> ten, ehe ſie ſich ergaͤben, wuͤrden ſie lieber ihren linken<lb/> Arm aufeſſen, um ſich indeß mit dem rechten noch zu ver-<lb/> theidigen. Sie faßten den kuͤhnen Anſchlag, die Wogen der<lb/> Nordſee wider die Belagerer zu Huͤlfe zu rufen, ihre Daͤmme<lb/> zu durchſtechen. Schon hatte ihr Elend den hoͤchſten Grad<lb/> erreicht, als ein im rechten Augenblicke eintreffender Nord-<lb/> weſt das Meer ein paar Fuß hoch in das Land trieb und<lb/> den Feind verjagte.</p><lb/> <p>Da hatten auch die franzoͤſiſchen Proteſtanten ſich wie-<lb/> der ermannt. Sobald ſie wahrnahmen, daß ihre Regie-<lb/> rung, jenem wilden Anlauf zum Trotz, ſchwanke, zaudere,<lb/> widerſprechende Maaßregeln ergreife, ſetzten ſie ſich zur<lb/> Wehre, und aufs neue kam es zum Kriege. Wie Leiden<lb/> und Alkmar ſo vertheidigten ſich Sancerre und Rochelle.<lb/> Die friedfertige Predigt rief zu den Waffen. Die Frauen<lb/> ſtritten mit den Maͤnnern in die Wette. Es war die Hel-<lb/> denzeit des weſteuropaͤiſchen Proteſtantismus.</p><lb/> <p>Jenen Greuelthaten, wie ſie von den maͤchtigſten Fuͤr-<lb/> ſten begangen oder gutgeheißen worden, ſetzte ſich an ein-<lb/> zelnen namenloſen Punkten ein Widerſtand entgegen, den<lb/> keine Gewalt zu bezwingen vermochte, deſſen geheimnißvol-<lb/> ler Urſprung die Tiefe religioͤſer Ueberzeugung ſelber war.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [70/0082]
Buch V. Gegenreformationen.
man ſich erſt in dem Augenblicke an den Prinzen von Ora-
nien, als der Feind ſchon vor den Thoren angekommen;
ſo heldenmuͤthig wie der Entſchluß, war die Vertheidigung:
es waͤre Keiner vom Platz gewichen, er waͤre denn ſchwer
verwundet geweſen: vor dieſen Waͤllen zuerſt ſcheiterten
die Angriffe der Spanier. Das Land ſchoͤpfte Athem: ein
neuer Muth erfuͤllte die Gemuͤther. Die Leidener erklaͤr-
ten, ehe ſie ſich ergaͤben, wuͤrden ſie lieber ihren linken
Arm aufeſſen, um ſich indeß mit dem rechten noch zu ver-
theidigen. Sie faßten den kuͤhnen Anſchlag, die Wogen der
Nordſee wider die Belagerer zu Huͤlfe zu rufen, ihre Daͤmme
zu durchſtechen. Schon hatte ihr Elend den hoͤchſten Grad
erreicht, als ein im rechten Augenblicke eintreffender Nord-
weſt das Meer ein paar Fuß hoch in das Land trieb und
den Feind verjagte.
Da hatten auch die franzoͤſiſchen Proteſtanten ſich wie-
der ermannt. Sobald ſie wahrnahmen, daß ihre Regie-
rung, jenem wilden Anlauf zum Trotz, ſchwanke, zaudere,
widerſprechende Maaßregeln ergreife, ſetzten ſie ſich zur
Wehre, und aufs neue kam es zum Kriege. Wie Leiden
und Alkmar ſo vertheidigten ſich Sancerre und Rochelle.
Die friedfertige Predigt rief zu den Waffen. Die Frauen
ſtritten mit den Maͤnnern in die Wette. Es war die Hel-
denzeit des weſteuropaͤiſchen Proteſtantismus.
Jenen Greuelthaten, wie ſie von den maͤchtigſten Fuͤr-
ſten begangen oder gutgeheißen worden, ſetzte ſich an ein-
zelnen namenloſen Punkten ein Widerſtand entgegen, den
keine Gewalt zu bezwingen vermochte, deſſen geheimnißvol-
ler Urſprung die Tiefe religioͤſer Ueberzeugung ſelber war.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |