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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.

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Königin Christine von Schweden.
Sie gab ihm nur eine Stunde Zeit, um sich zum Tode
vorzubereiten 1). Die Treulosigkeit, die der Unglückliche
gegen sie begangen haben sollte, sah sie an als Hochver-
rath: ihn vor ein Gericht zu stellen, welches es auch im-
mer seyn mochte, fand sie unter ihrer Würde. "Niemand
über sich zu erkennen," ruft sie aus, "ist mehr werth als
die ganze Erde zu beherrschen." -- Sie verachtete selbst
die öffentliche Meinung. Nach jener Hinrichtung, die vor
allem in Rom, wo der Hader ihrer Hausgenossenschaft
dem Publicum besser bekannt war als ihr selbst, allgemei-
nen Abscheu erregt hatte, eilte sie dahin zurück. Wo
hätte sie auch sonst leben können als in Rom? Mit jeder
weltlichen Gewalt, die einen ihren Ansprüchen gleichartigen
Charakter gehabt hätte, würde sie in unaufhörliche Compe-
tenzen gerathen seyn. Sogar mit den Päpsten, mit eben dem
Alexander VII. dessen Namen sie bei dem Uebertritte dem
ihrigen hinzugefügt, gerieth sie oft in bittere Zwistigkeiten.

Allmählig aber ward ihr Wesen milder, ihr Zustand
ruhiger, sie gewann es über sich einige Rücksicht zu nehmen,
und fand sich in die Nothwendigkeiten ihres Aufenthal-
tes, wo ja ohnehin die geistliche Herrschaft aristokrati-
schen Berechtigungen und persönlicher Unabhängigkeit ei-
nen weiten Spielraum gestattete. Sie nahm immer mehr
Theil an dem Glanze, den Beschäftigungen, dem Leben der
Curie, wohnte sich ein, und gehörte allmählig recht eigent-
lich mit zu der Gesammtheit jener Gesellschaft. Die Samm-
lungen die sie aus Schweden mitgebracht, vermehrte sie
nun mit so viel Aufwand, Sinn und Glück, daß sie die

1) Pallavicini: im Anhang.
7*

Koͤnigin Chriſtine von Schweden.
Sie gab ihm nur eine Stunde Zeit, um ſich zum Tode
vorzubereiten 1). Die Treuloſigkeit, die der Ungluͤckliche
gegen ſie begangen haben ſollte, ſah ſie an als Hochver-
rath: ihn vor ein Gericht zu ſtellen, welches es auch im-
mer ſeyn mochte, fand ſie unter ihrer Wuͤrde. „Niemand
uͤber ſich zu erkennen,“ ruft ſie aus, „iſt mehr werth als
die ganze Erde zu beherrſchen.“ — Sie verachtete ſelbſt
die oͤffentliche Meinung. Nach jener Hinrichtung, die vor
allem in Rom, wo der Hader ihrer Hausgenoſſenſchaft
dem Publicum beſſer bekannt war als ihr ſelbſt, allgemei-
nen Abſcheu erregt hatte, eilte ſie dahin zuruͤck. Wo
haͤtte ſie auch ſonſt leben koͤnnen als in Rom? Mit jeder
weltlichen Gewalt, die einen ihren Anſpruͤchen gleichartigen
Charakter gehabt haͤtte, wuͤrde ſie in unaufhoͤrliche Compe-
tenzen gerathen ſeyn. Sogar mit den Paͤpſten, mit eben dem
Alexander VII. deſſen Namen ſie bei dem Uebertritte dem
ihrigen hinzugefuͤgt, gerieth ſie oft in bittere Zwiſtigkeiten.

Allmaͤhlig aber ward ihr Weſen milder, ihr Zuſtand
ruhiger, ſie gewann es uͤber ſich einige Ruͤckſicht zu nehmen,
und fand ſich in die Nothwendigkeiten ihres Aufenthal-
tes, wo ja ohnehin die geiſtliche Herrſchaft ariſtokrati-
ſchen Berechtigungen und perſoͤnlicher Unabhaͤngigkeit ei-
nen weiten Spielraum geſtattete. Sie nahm immer mehr
Theil an dem Glanze, den Beſchaͤftigungen, dem Leben der
Curie, wohnte ſich ein, und gehoͤrte allmaͤhlig recht eigent-
lich mit zu der Geſammtheit jener Geſellſchaft. Die Samm-
lungen die ſie aus Schweden mitgebracht, vermehrte ſie
nun mit ſo viel Aufwand, Sinn und Gluͤck, daß ſie die

1) Pallavicini: im Anhang.
7*
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[99/0111] Koͤnigin Chriſtine von Schweden. Sie gab ihm nur eine Stunde Zeit, um ſich zum Tode vorzubereiten 1). Die Treuloſigkeit, die der Ungluͤckliche gegen ſie begangen haben ſollte, ſah ſie an als Hochver- rath: ihn vor ein Gericht zu ſtellen, welches es auch im- mer ſeyn mochte, fand ſie unter ihrer Wuͤrde. „Niemand uͤber ſich zu erkennen,“ ruft ſie aus, „iſt mehr werth als die ganze Erde zu beherrſchen.“ — Sie verachtete ſelbſt die oͤffentliche Meinung. Nach jener Hinrichtung, die vor allem in Rom, wo der Hader ihrer Hausgenoſſenſchaft dem Publicum beſſer bekannt war als ihr ſelbſt, allgemei- nen Abſcheu erregt hatte, eilte ſie dahin zuruͤck. Wo haͤtte ſie auch ſonſt leben koͤnnen als in Rom? Mit jeder weltlichen Gewalt, die einen ihren Anſpruͤchen gleichartigen Charakter gehabt haͤtte, wuͤrde ſie in unaufhoͤrliche Compe- tenzen gerathen ſeyn. Sogar mit den Paͤpſten, mit eben dem Alexander VII. deſſen Namen ſie bei dem Uebertritte dem ihrigen hinzugefuͤgt, gerieth ſie oft in bittere Zwiſtigkeiten. Allmaͤhlig aber ward ihr Weſen milder, ihr Zuſtand ruhiger, ſie gewann es uͤber ſich einige Ruͤckſicht zu nehmen, und fand ſich in die Nothwendigkeiten ihres Aufenthal- tes, wo ja ohnehin die geiſtliche Herrſchaft ariſtokrati- ſchen Berechtigungen und perſoͤnlicher Unabhaͤngigkeit ei- nen weiten Spielraum geſtattete. Sie nahm immer mehr Theil an dem Glanze, den Beſchaͤftigungen, dem Leben der Curie, wohnte ſich ein, und gehoͤrte allmaͤhlig recht eigent- lich mit zu der Geſammtheit jener Geſellſchaft. Die Samm- lungen die ſie aus Schweden mitgebracht, vermehrte ſie nun mit ſo viel Aufwand, Sinn und Gluͤck, daß ſie die 1) Pallavicini: im Anhang. 7*

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Zitationshilfe: Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/111>, abgerufen am 23.11.2024.