Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836.Buch VIII. Spätere Epochen. selligkeit, Zurückgezogenheit von der Welt, einsamen Stu-dien, die ihn immer tiefer und tiefer in das Geheimniß wahrer Theologie führten. Wie er von Aristoteles sich bald zu Plato wandte, der seine Seele mehr befriedigte, so ging er von den Scholastikern zu den Kirchenvätern, von diesen zu der h. Schrift fort, die er mit der Inbrunst eines von der Offenbarung des Wortes überzeugten Gemüthes faßte: an deren Hand er sich dann mit jener stillen und reinen Mystik durchdrang, die in allen Dingen Gott sieht, und sich dem Dienste des Nächsten widmet. Seine Religion war nicht Eifer, Verfolgung, Herrschsucht, Polemik, son- dern Friede, Demuth und inneres Verständniß. Der un- aufhörliche Hader des päpstlichen Stuhles mit den katho- lischen Staatsgewalten, der die Kirche zerrüttete, war ihm von ganzem Herzen verhaßt. Seine Mäßigung war nicht Schwäche oder auferlegte Nothwendigkeit, sondern freies Wollen und innere Genialität. Aus dem Schooße der Religion entwickelte sich eine Hauptsächlich durch die Bourbons, zunächst auf einen braucht nur seine Vie de Clement XIV zu lesen, um sich zu über-
zeugen, wie tief alle seine Bemerkungen unter dem stehn, was von Clemens XIV. herrührt. Das Gute welches diese Schrift hat, ist auch nur eine Rückwirkung des ganganellischen Geistes. Buch VIII. Spaͤtere Epochen. ſelligkeit, Zuruͤckgezogenheit von der Welt, einſamen Stu-dien, die ihn immer tiefer und tiefer in das Geheimniß wahrer Theologie fuͤhrten. Wie er von Ariſtoteles ſich bald zu Plato wandte, der ſeine Seele mehr befriedigte, ſo ging er von den Scholaſtikern zu den Kirchenvaͤtern, von dieſen zu der h. Schrift fort, die er mit der Inbrunſt eines von der Offenbarung des Wortes uͤberzeugten Gemuͤthes faßte: an deren Hand er ſich dann mit jener ſtillen und reinen Myſtik durchdrang, die in allen Dingen Gott ſieht, und ſich dem Dienſte des Naͤchſten widmet. Seine Religion war nicht Eifer, Verfolgung, Herrſchſucht, Polemik, ſon- dern Friede, Demuth und inneres Verſtaͤndniß. Der un- aufhoͤrliche Hader des paͤpſtlichen Stuhles mit den katho- liſchen Staatsgewalten, der die Kirche zerruͤttete, war ihm von ganzem Herzen verhaßt. Seine Maͤßigung war nicht Schwaͤche oder auferlegte Nothwendigkeit, ſondern freies Wollen und innere Genialitaͤt. Aus dem Schooße der Religion entwickelte ſich eine Hauptſaͤchlich durch die Bourbons, zunaͤchſt auf einen braucht nur ſeine Vie de Clément XIV zu leſen, um ſich zu uͤber-
zeugen, wie tief alle ſeine Bemerkungen unter dem ſtehn, was von Clemens XIV. herruͤhrt. Das Gute welches dieſe Schrift hat, iſt auch nur eine Ruͤckwirkung des ganganelliſchen Geiſtes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0210" n="198"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Buch</hi><hi rendition="#aq">VIII.</hi><hi rendition="#g">Spaͤtere Epochen</hi>.</fw><lb/> ſelligkeit, Zuruͤckgezogenheit von der Welt, einſamen Stu-<lb/> dien, die ihn immer tiefer und tiefer in das Geheimniß<lb/> wahrer Theologie fuͤhrten. Wie er von Ariſtoteles ſich bald<lb/> zu Plato wandte, der ſeine Seele mehr befriedigte, ſo ging<lb/> er von den Scholaſtikern zu den Kirchenvaͤtern, von dieſen<lb/> zu der h. Schrift fort, die er mit der Inbrunſt eines von<lb/> der Offenbarung des Wortes uͤberzeugten Gemuͤthes faßte:<lb/> an deren Hand er ſich dann mit jener ſtillen und reinen<lb/> Myſtik durchdrang, die in allen Dingen Gott ſieht, und<lb/> ſich dem Dienſte des Naͤchſten widmet. Seine Religion<lb/> war nicht Eifer, Verfolgung, Herrſchſucht, Polemik, ſon-<lb/> dern Friede, Demuth und inneres Verſtaͤndniß. Der un-<lb/> aufhoͤrliche Hader des paͤpſtlichen Stuhles mit den katho-<lb/> liſchen Staatsgewalten, der die Kirche zerruͤttete, war ihm<lb/> von ganzem Herzen verhaßt. Seine Maͤßigung war nicht<lb/> Schwaͤche oder auferlegte Nothwendigkeit, ſondern freies<lb/> Wollen und innere Genialitaͤt.</p><lb/> <p>Aus dem Schooße der Religion entwickelte ſich eine<lb/> Geſinnung, welche, ſo verſchieden ſie auch in ihrem Ur-<lb/> ſprunge von den weltlichen Tendenzen der Hoͤfe war, ihnen<lb/> doch von einer andern Seite her entgegenkam.</p><lb/> <p>Hauptſaͤchlich durch die Bourbons, zunaͤchſt auf einen<lb/> Vorſchlag der ſpaniſchen und franzoͤſiſchen Cardinaͤle, ward<lb/> Ganganelli in dem Conclave durchgeſetzt. Er nannte ſich<lb/> Clemens <hi rendition="#aq">XIV.</hi></p><lb/> <p> <note xml:id="seg2pn_20_2" prev="#seg2pn_20_1" place="foot" n="2)">braucht nur ſeine <hi rendition="#aq">Vie de Clément XIV</hi> zu leſen, um ſich zu uͤber-<lb/> zeugen, wie tief alle ſeine Bemerkungen unter dem ſtehn, was von<lb/> Clemens <hi rendition="#aq">XIV.</hi> herruͤhrt. Das Gute welches dieſe Schrift hat, iſt<lb/> auch nur eine Ruͤckwirkung des ganganelliſchen Geiſtes.</note> </p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [198/0210]
Buch VIII. Spaͤtere Epochen.
ſelligkeit, Zuruͤckgezogenheit von der Welt, einſamen Stu-
dien, die ihn immer tiefer und tiefer in das Geheimniß
wahrer Theologie fuͤhrten. Wie er von Ariſtoteles ſich bald
zu Plato wandte, der ſeine Seele mehr befriedigte, ſo ging
er von den Scholaſtikern zu den Kirchenvaͤtern, von dieſen
zu der h. Schrift fort, die er mit der Inbrunſt eines von
der Offenbarung des Wortes uͤberzeugten Gemuͤthes faßte:
an deren Hand er ſich dann mit jener ſtillen und reinen
Myſtik durchdrang, die in allen Dingen Gott ſieht, und
ſich dem Dienſte des Naͤchſten widmet. Seine Religion
war nicht Eifer, Verfolgung, Herrſchſucht, Polemik, ſon-
dern Friede, Demuth und inneres Verſtaͤndniß. Der un-
aufhoͤrliche Hader des paͤpſtlichen Stuhles mit den katho-
liſchen Staatsgewalten, der die Kirche zerruͤttete, war ihm
von ganzem Herzen verhaßt. Seine Maͤßigung war nicht
Schwaͤche oder auferlegte Nothwendigkeit, ſondern freies
Wollen und innere Genialitaͤt.
Aus dem Schooße der Religion entwickelte ſich eine
Geſinnung, welche, ſo verſchieden ſie auch in ihrem Ur-
ſprunge von den weltlichen Tendenzen der Hoͤfe war, ihnen
doch von einer andern Seite her entgegenkam.
Hauptſaͤchlich durch die Bourbons, zunaͤchſt auf einen
Vorſchlag der ſpaniſchen und franzoͤſiſchen Cardinaͤle, ward
Ganganelli in dem Conclave durchgeſetzt. Er nannte ſich
Clemens XIV.
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2) braucht nur ſeine Vie de Clément XIV zu leſen, um ſich zu uͤber-
zeugen, wie tief alle ſeine Bemerkungen unter dem ſtehn, was von
Clemens XIV. herruͤhrt. Das Gute welches dieſe Schrift hat, iſt
auch nur eine Ruͤckwirkung des ganganelliſchen Geiſtes.
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