übung geistlicher Gerechtsame erklärt; der Papst sollte in Zukunft auf die vier gallicanischen Sätze förmlich verpflich- tet werden: er sollte Einkünfte aus liegenden Gründen be- ziehen, ungefähr wie ein Lehenträger des Reiches: der Staat wollte die Kosten des Cardinalcollegiums übernehmen 1).
Ein Plan, wie man sieht, der die gesammte kirchliche Gewalt dem Reiche unterworfen und sie wenigstens mittel- bar in die Hände des Kaisers gebracht haben würde.
Wie wollte es aber gelingen, was doch unerläßlich war, auch den Papst zur Einwilligung in diese Herabwür- digung zu vermögen. Pius VII. hatte den letzten Moment seiner Freiheit benutzt, um die Excommunication auszu- sprechen. Er versagte den Bischöfen, die der Kaiser er- nannte, die canonische Institution. Napoleon war nicht so vollkommen Herr seines Clerus, daß er nicht bald von der einen, bald von der andern, auch wohl von der deut- schen Seite her Rückwirkungen hievon empfunden hätte.
Aber eben dieser Widerstand diente zuletzt dazu, den Papst zu überwältigen. Die Folgen davon fielen dem kirchlichen Oberhaupte, das ein Mitgefühl mit dem innern Zustande der Kirche hatte, um vieles schmerzlicher als dem weltlichen, dem ja die geistlichen Dinge nur ein Mittel der Macht waren, in sich selbst gleichgültig.
In Savona, wohin man den Papst gebracht, war er einsam, auf sich selbst beschränkt, ohne Rathgeber. Durch lebhafte und fast übertriebene Vorstellungen, von der Ver- wirrung der Kirche, welche seine Verweigerung der In-
1)Thibaudeau: Histoire de la France et de Napoleon. Em- pire tom. V, p. 221.
Revolutionaͤres Zeitalter.
uͤbung geiſtlicher Gerechtſame erklaͤrt; der Papſt ſollte in Zukunft auf die vier gallicaniſchen Saͤtze foͤrmlich verpflich- tet werden: er ſollte Einkuͤnfte aus liegenden Gruͤnden be- ziehen, ungefaͤhr wie ein Lehentraͤger des Reiches: der Staat wollte die Koſten des Cardinalcollegiums uͤbernehmen 1).
Ein Plan, wie man ſieht, der die geſammte kirchliche Gewalt dem Reiche unterworfen und ſie wenigſtens mittel- bar in die Haͤnde des Kaiſers gebracht haben wuͤrde.
Wie wollte es aber gelingen, was doch unerlaͤßlich war, auch den Papſt zur Einwilligung in dieſe Herabwuͤr- digung zu vermoͤgen. Pius VII. hatte den letzten Moment ſeiner Freiheit benutzt, um die Excommunication auszu- ſprechen. Er verſagte den Biſchoͤfen, die der Kaiſer er- nannte, die canoniſche Inſtitution. Napoleon war nicht ſo vollkommen Herr ſeines Clerus, daß er nicht bald von der einen, bald von der andern, auch wohl von der deut- ſchen Seite her Ruͤckwirkungen hievon empfunden haͤtte.
Aber eben dieſer Widerſtand diente zuletzt dazu, den Papſt zu uͤberwaͤltigen. Die Folgen davon fielen dem kirchlichen Oberhaupte, das ein Mitgefuͤhl mit dem innern Zuſtande der Kirche hatte, um vieles ſchmerzlicher als dem weltlichen, dem ja die geiſtlichen Dinge nur ein Mittel der Macht waren, in ſich ſelbſt gleichguͤltig.
In Savona, wohin man den Papſt gebracht, war er einſam, auf ſich ſelbſt beſchraͤnkt, ohne Rathgeber. Durch lebhafte und faſt uͤbertriebene Vorſtellungen, von der Ver- wirrung der Kirche, welche ſeine Verweigerung der In-
1)Thibaudeau: Histoire de la France et de Napoléon. Em- pire tom. V, p. 221.
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Revolutionaͤres Zeitalter.
uͤbung geiſtlicher Gerechtſame erklaͤrt; der Papſt ſollte in
Zukunft auf die vier gallicaniſchen Saͤtze foͤrmlich verpflich-
tet werden: er ſollte Einkuͤnfte aus liegenden Gruͤnden be-
ziehen, ungefaͤhr wie ein Lehentraͤger des Reiches: der Staat
wollte die Koſten des Cardinalcollegiums uͤbernehmen 1).
Ein Plan, wie man ſieht, der die geſammte kirchliche
Gewalt dem Reiche unterworfen und ſie wenigſtens mittel-
bar in die Haͤnde des Kaiſers gebracht haben wuͤrde.
Wie wollte es aber gelingen, was doch unerlaͤßlich
war, auch den Papſt zur Einwilligung in dieſe Herabwuͤr-
digung zu vermoͤgen. Pius VII. hatte den letzten Moment
ſeiner Freiheit benutzt, um die Excommunication auszu-
ſprechen. Er verſagte den Biſchoͤfen, die der Kaiſer er-
nannte, die canoniſche Inſtitution. Napoleon war nicht
ſo vollkommen Herr ſeines Clerus, daß er nicht bald von
der einen, bald von der andern, auch wohl von der deut-
ſchen Seite her Ruͤckwirkungen hievon empfunden haͤtte.
Aber eben dieſer Widerſtand diente zuletzt dazu, den
Papſt zu uͤberwaͤltigen. Die Folgen davon fielen dem
kirchlichen Oberhaupte, das ein Mitgefuͤhl mit dem innern
Zuſtande der Kirche hatte, um vieles ſchmerzlicher als dem
weltlichen, dem ja die geiſtlichen Dinge nur ein Mittel der
Macht waren, in ſich ſelbſt gleichguͤltig.
In Savona, wohin man den Papſt gebracht, war er
einſam, auf ſich ſelbſt beſchraͤnkt, ohne Rathgeber. Durch
lebhafte und faſt uͤbertriebene Vorſtellungen, von der Ver-
wirrung der Kirche, welche ſeine Verweigerung der In-
1) Thibaudeau: Histoire de la France et de Napoléon. Em-
pire tom. V, p. 221.
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Ranke, Leopold von: Die römischen Päpste. Bd. 3. Berlin, 1836, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ranke_paepste03_1836/227>, abgerufen am 21.11.2024.
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